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AUSLAND/1495: Simbabwe - Chance auf Veränderung nach der Cholera-Epidemie (medico international)


medico international - rundschreiben 03/09

Ein zartes Pflänzchen
Simbabwe: Chance auf Veränderung nach der Cholera-Epidemie

Von Usche Merk


Ein Treffen von Einwohnern in der simbabwischen Industriestadt Kwekwe im Zentrum des Landes, eine der Hochburgen der Cholera-Epidemie. Im Gesundheitszentrum stinkt es. Die Abwasserversorgung ist zusammengebrochen und wurde nur notdürftig repariert. Die wenigen GesundheitsarbeiterInnen, die es dort noch gibt, kommen nur selten. Seit der neuen Einheitsregierung werden sie zwar wieder bezahlt, aber weiterhin fehlen Medikamente und Verbandsmaterial und der Privatsektor lockt jetzt mit besseren Angeboten. "Wir müssen etwas unternehmen", sagt eines der anwesenden Gemeindemitglieder. "Aber ist dafür nicht der Staat zuständig?", entgegnet eine andere, "was können wir schon tun?"

"Was denkt ihr, was ihr tun könntet, damit der Staat seine Verantwortung übernimmt und sich die Situation verbessert?", fragt Tafadzwa Chigariro, der Gesundheitsarbeiter der Community Working Group on Health (CWGH). "Wir müssen zur Distriktverwaltung gehen, um ihnen die Situation zu schildern", lautet eine Antwort. "Meinst du, das interessiert die? Ohne Druck übernehmen die keine Verantwortung", entgegnet ein anderer. Tafadzwa schlägt ein Verfahren vor: "Lasst uns Folgendes besprechen: Erstens, was können wir selbst tun? Zweitens, wo könnte uns CWGH unterstützen? Drittens, was müsste der Staat tun?"

Nach langen Debatten und einem gemeinsamen Essen fährt Tafadzwa wieder in die Hauptstadt Harare ins CWGH-Büro zurück. Dort tauscht er sich mit seinen Kollegen und Kolleginnen aus, die in anderen Gemeinden arbeiten. Sie berichten von ähnlichen Erfahrungen: Gesundheitszentren ohne sauberes Wasser; Gesundheitspersonal, das bei Kerzenlicht Nachtgeburten durchführt; Frauen, die wenige Stunden nach der Geburt wieder kilometerlang nach Hause laufen, weil es im Gesundheitszentrum keinen Platz gibt. Überall fehlt es an Gesundheitspersonal, Ausstattung und Medikamenten; die verantwortlichen Stellen kümmern sich oft nicht darum, dass Ressourcen eingeplant und dann auch zur Verfügung gestellt werden. Nicht selten werden die Gesundheitsbudgets für andere Zwecke missbraucht.


Neue Verfassung

"Das Recht auf Zugang zu Gesundheit wird in Simbabwe mit Füßen getreten", sagt Itai Rusike, der Direktor der CWGH. "Nirgendwo gibt es auch nur die Voraussetzungen für gesunde Lebensbedingungen, zur Prävention von Krankheit. Von der Versorgung bei Krankheit ganz zu schweigen. Die Cholera-Epidemie in diesem Jahr, die mehr als 4.000 Menschen das Leben gekostet hat, wäre vermeidbar gewesen, wenn sich die Regierung wenigstens für einen minimalen Standard sauberer Wasserversorgung verantwortlich gefühlt hätte. Stattdessen wurden die wenigen Staatsressourcen in privaten Krankenhäusern und teuren Dienstwagen verpulvert."

Itai kennt sich aus. Seit 10 Jahren engagiert sich CWGH für eine verbesserte und gerechte Gesundheitspolitik, versucht Verschlechterungen aufzuhalten und Epidemien wie Cholera, Malaria und HIV/Aids durch Aufklärung und Prävention zu verhindern. CWGH will jetzt die politische Übergangsperiode nutzen, um Ansprüche auf einen gerechten Zugang zu Gesundheit praktisch und politisch durchzusetzen und damit die Basisgesundheitsversorgung der Bevölkerung wirklich zu verbessern.

"In den nächsten 1-2 Jahren soll die Koalitionsregierung eine neue Verfassung ausarbeiten. Wir finden, dort sollte das Recht auf Zugang zu Gesundheit Eingang finden, damit so eine katastrophale Vernachlässigung nie wieder vorkommt. Und wenn, dass es dann juristische Folgen für die Verantwortlichen hätte." Auch Itai weiß, dass eine verfassungsmäßige Verankerung nicht die Versorgungssituation ändert. Er setzt aber auf einen Mobilisierungsprozess und die öffentliche Diskussion, um praktische Verbesserungen durchzusetzen.

Unterstützt wird CWGH dabei von der Schwesterorganisation TARSC (Training and Research Support Centre), die GesundheitsarbeiterInnen ausbilden und mit den Gemeinden Aktionspläne über Prioritäten und Verbesserungsmöglichkeiten entwickelt. "Das können ganz viele verschiedene Dinge sein", erklärt Fortunate Machingura. "In Kwekwe will die Gemeinde Gelder für Materialkosten organisieren, um in Selbsthilfe die Abwasserleitung zu reparieren. Gleichzeitig wollen sie das Gesundheitskomitee wiederbeleben, das in den 80er-Jahren gut funktioniert hat. Über dieses Komitee wollen sie Einfluss auf den Zugang zum lokalen Gesundheitsbudget haben, bei Planungen dabei sein, und die Umsetzung bei den Verantwortlichen nachhalten.

In Bindura Nyava soll eine Solaranlage zur Stromgewinnung installiert werden, damit das Gesundheitspersonal besser arbeiten kann und hoffentlich nicht weiter abwandert. In Chiwundura sollen ein geschützter Brunnen und eine Latrine für das Gesundheitszentrum gebaut werden. Überall sollen Aufklärungskampagnen über Präventionsmaßnahmen und Übertragungswege von Krankheiten stattfinden.

Auf Distriktebene sollen auch regelmäßig Gespräche mit den lokalen Autoritäten und den Gesundheitsverantwortlichen darüber geführt werden, wie die regelmäßige Versorgung mit Medikamenten und medizinischem Material sichergestellt und damit auch die Arbeitsbedingungen für das Gesundheitspersonal verbessert werden können."


Regional vernetzt

Damit diese lokalen Aktivitäten auch national Auswirkungen haben, will CWGH auf Provinz- und Nationalebene mithilfe von Radiosendungen, Pressemitteilungen und einem halbjährlichen Newsletter über solche lokalen Veränderungsbemühungen berichten.

Das Konzept der Primary Health Care, der Basisgesundheitsfürsorge, das nicht erst ansetzt, wenn Menschen schon krank sind, sondern Gesundheitsaufklärung und Mobilisierung für gesunde Lebensbedingungen ins Zentrum stellt, ist in Simbabwe nicht neu. In den 1980er-Jahren nach der Unabhängigkeit galt das Basisgesundheitssystem als vorbildlich. Mugabes diktatorischer Regierungsstil, Korruption und von der Weltbank und dem IWF auferlegte Strukturanpassungsprogramme haben das Land in eine Abwärtsspirale getrieben. "Aber die historische Erfahrung einer anderen Wirklichkeit ist noch da", sagt Rene Loewenson, die Direktorin von TARSC, "die älteren Menschen erinnern sich noch genau, die anderen haben eine Ahnung. Wir haben die Kraft, die Dinge wieder zu verändern, wenn wir regionale und internationale Unterstützung haben."

Regional haben sich die Projektpartner EQUINET angeschlossen, einem Bündnis von vielen engagierten Gesundheitsorganisationen im östlichen und südlichen Afrika, international gehören sie zum People's Health Movement.


Projektstichwort

Mit der Unterstützung von medico wollen unsere simbabwischen Partner die Basisgesundheitsversorgung und den Einsatz um eine verbesserte Gesundheitsinfrastruktur vor Ort auf 25 Distrikte im Land ausweiten. Wir haben dafür einen Zuschuss beim Entwicklungshilfeministerium (BMZ) beantragt. Wir selbst werden für die Arbeit jährlich 40.000 Euro zur Verfügung stellen. Dazu benötigen wir Ihre Spende unter dem Stichwort: Simbabwe.


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Quelle:
medico international - rundschreiben 03/09, Seite 19-21
Herausgeber: medico international, Burgstraße 106
60389 Frankfurt am Main
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2009