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MELDUNG/1052: Überlastung der Notaufnahmen ... Neues Projekt soll für gezieltere Steuerung der Patienten sorgen (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 11, November 2022

Kreis Segeberg erprobt SmED in Rettungswachen

von Dirk Schnack


RETTUNGSDIENST. Eine geringere Belastung für die Notaufnahmen und für die Rettungsdienste, indem Patienten gezielter gesteuert werden: Dieses Ziel hat ein kürzlich gestartetes Pilotprojekt im Kreis Segeberg, bei dem auch die Arztpraxen einbezogen werden. Im Mittelpunkt steht das von der 116 117 bekannte System SmED.


Beteiligt am Projekt "Sektorenübergreifende Akutversorgung" im Kreis Segeberg sind die Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH), das Zentralinstitut der Kassenärztlichen Versorgung (Zi) und die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Die im Kreis ansässigen Hausarztpraxen und ausgewählte Facharztgruppen werden einbezogen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser zu entlasten und die Steuerung der Patienten "zielgerichtet und effizient zu gestalten". Nach Schätzungen liegt bei rund 10 % der Einsätze mit dem Rettungswagen in Schleswig-Holstein keine notfallmedizinische Indikation für einen Transport in die Notfallaufnahme vor. Eine adäquate Versorgung könnte somit auch bei einem niedergelassenen Haus- oder Facharzt oder dem ärztlichen Bereitschaftsdienst erfolgen.

Zum Hintergrund: Wegen steigender Kontaktraten ohne medizinische Dringlichkeit in den Notaufnahmen hatte der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen (SVR) schon im Jahr 2018 empfohlen, dem Rettungsdienst die Möglichkeit einzuräumen, geeignete Patienten "lösungsorientiert" an die haus- oder fachärztliche Versorgung übergeben zu können. Abhilfe versprechen sich die Beteiligten des Pilotprojektes von der unter 116 117 erprobten Ersteinschätzungssoftware SmED (Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland). SmED basiert auf dem "ICPC-2"-Standard (International Classification of Primary Care) und umfasst alle wichtigen Beratungsanlässe. Mithilfe einer standardisierten Abfrage werden systematisch die medizinisch relevanten Kriterien wie Symptome, Vorerkrankungen und Risikofaktoren abgefragt, um daraus eine Empfehlung hinsichtlich der bestmöglichen Versorgungsebene und der Zeitspanne, innerhalb dessen eine medizinische Versorgung indiziert ist, zu erhalten.

Im Rahmen eines abgestuften Zeitrasters - schnellstmöglich, heute oder in 48 Stunden - werden die Patienten dann zur richtigen Zeit an den entsprechenden Ort der Versorgung geleitet. Die SmED-Empfehlung unterstützt also die Rettungsdienstmitarbeiter vor Ort und schafft Handlungssicherheit bei der Übergabe an die ambulanten Versorgungsstrukturen. Die enge und abgestimmte Kooperation der verschiedenen Akteure stellt zudem sicher, dass die Überführung in die entsprechende Versorgungsebene (Hausarzt, Facharzt, Ärztlicher Bereitschaftsdienst) zielgerichtet erfolgt. SmED könnte nicht nur den Patienten helfen, die unsicher sind, welche Versorgungsstufe für sie die geeignete ist. Zugleich gibt sie den Mitarbeitern mehr Sicherheit gegenüber Patienten, die auf einer Klinikeinweisung bestehen, die gar nicht erforderlich ist.

Nach Angaben der KV wird das Projekt zunächst an den beiden Rettungswachen in Bad Segeberg und Henstedt-Ulzburg erprobt. Zehn Mitarbeitende aus diesen Wachen sind geschult und die Verfahrensabläufe einstudiert worden. Die Mitarbeitenden können SmED auch über mobile Endgeräte einsetzen. Wenn sie eine ambulante Versorgung in einer Arztpraxis als ausreichend erachten, wird der Patient zu den Praxisöffnungszeiten in die ambulante Regelversorgung überführt und nicht in eine Notaufnahme. Bei akuten Beschwerden nimmt der Rettungsdienst mit den Praxen direkten Kontakt auf. Die Erreichbarkeit ist sichergestellt: Teilnehmende Praxen haben eine Rufnummer nur für diesen Zweck hinterlegt. Der Rettungsdienst übermittelt dem Arzt oder der Ärztin in der Praxis die erforderlichen Informationen zum Zustand des Patienten, was eine gemeinsame Entscheidung beider Beteiligter ermöglicht. Die Auswertung und datentechnische Begleitung des Projekts wird über das ZI sichergestellt. Angelegt ist es zunächst für einen Zeitraum von sechs Monaten. Es kann allerdings sowohl zeitlich wie räumlich erweitert werden.

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Appell

Krankenhausgesellschaft, KVSH und das Gesundheitsministerium Schleswig-Holstein mahnten im vergangenen Monat gemeinsam, die Notaufnahmen der Krankenhäuser nur für schwerwiegende und lebensbedrohliche Notfälle zu nutzen. "Alle anderen erkrankten Personen melden sich im Erkrankungsfall bitte bei der 116 117 oder einer Hausarztpraxis", hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung. Grund: Mit dem Anstieg von Infekten, Atemwegserkrankungen und Infektionen suchen vermehrt Patienten Notaufnahmen auf, deren Behandlung dort nicht vorgesehen ist - und tragen damit zur hohen Auslastung der Notaufnahmen bei. Die 116 117 ist zu allen Zeiten außerhalb der Praxissprechstunden erreichbar, auch nachts und an Wochenenden rund um die Uhr. Landesgesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) appellierte an die Bevölkerung: "Helfen Sie denen, die jedem von uns in Notsituationen helfen und uns im Notfall das Leben retten. Helfen Sie dabei, die Notaufnahmen zu entlasten. Sie benannte die Fälle, für die die Notaufnahmen da sind und betonte: "Für alles andere gibt es die Hausärzte oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der 116 117, der dabei hilft, Ihnen die richtige Anlaufstelle zu nennen."
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 11, November 2022
75. Jahrgang, Seite 16
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 2. Dezember 2022

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