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ARTIKEL/1391: Kongress "Chronisch kranke Kinder" - Modell der School Health Nurse erhielt viel Zuspruch (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2015

Inklusion
Anspruch auf Teilhabe

Von Anne Mey


Kongress "Chronisch kranke Kinder": Modell der School Health Nurse bekam viel Applaus.

Wir gehören dazu! Unter diesem Motto stand der zweite Kongress zum Thema "Kinder mit chronischen Erkrankungen in Kita und Schule" in Kiel, initiiert vom Deutschen Kinderschutzbund e.V. und den Landesgesundheitsprojekten e.V. "Alle Kinder, auch Kinder mit chronischen Erkrankungen, haben einen Anspruch auf Teilhabe in der Kita und in der Schule", fasste Ministerin Kristin Alheit die Zielsetzung bei der Eröffnung der Veranstaltung zusammen. Doch wird der Betreuungsalltag dieser Kinder dem Anspruch tatsächlich gerecht? "In einer durchschnittlichen Kita-Gruppe oder Schulklasse mit 22 bis 24 Kindern sitzen zwei bis drei chronisch kranke Kinder. Kita und Schule sind auf die Ganztagsbetreuung von Kindern z.B. mit Diabetes Typ 2, Asthma oder Lebensmittelunverträglichkeiten nicht ausreichend vorbereitet", so Irene Johns, Vorsitzende des Kinderschutzbundes in Schleswig-Holstein. Einen möglichen Lösungsansatz für diese Problemstellung lieferte Andreas Kocks, Pflegewissenschaftler von der Universität Witten/Herdecke, mit seinem Vortrag über das Modell der "School Health Nurse". Die Schulkrankenschwestern sind international weit verbreitet und auch im hohen Norden muss man nur die Grenze nach Dänemark überqueren, um eine Vertreterin dieses Berufsstandes zu treffen. Kocks hat mehrfach in Skandinavien in der Schulgesundheitspflege hospitiert und hält sie u.a. für eine hervorragende Möglichkeit, um Prävention zu betreiben. So übernehmen die School Nurses komplett die Schutzimpfungen der Kinder, bieten für ältere Schüler Beratung in Gesundheitsfragen und sind auch Ansprechpartner für Lehrkräfte, die Kinder mit chronischen Erkrankungen in ihrer Klasse haben. In Schweden muss jedes Kind einmal im Jahr zur School Nurse. Sie deckt damit auch viele Aufgaben ab, die in Deutschland bei den ärztlichen U-Untersuchungen durchgeführt werden. Dabei zeigt sich laut Kocks, dass die Kinder ihr im Schulbetrieb am meisten Vertrauen schenken, was wohl zum einen mit der Schweigepflicht zusammenhängt, zum anderen mit dem Umstand, dass es unverfänglicher sei, zur Schulkrankenschwester zu gehen als zum Schulpsychologen. Die Schulkrankenschwester übernimmt Aufgaben der Gesundheitsförderung und Inklusion, hat aber auch bei der Gestaltung des Schulumfeldes (z.B. Errichtung von Rampen für Kinder im Rollstuhl) und der Bepflanzung des Schulhofes (Pollenbelastung bei Allergikern) ein Mitspracherecht. Daneben ist die School Nurse verantwortlich für die Versorgung der Kinder bei Unfällen und akuten Erkrankungen. "Sie muss die Situation nicht abschließend klären, aber wissen, was zu tun ist", so Kocks. Mit ihrem Fachwissen sei sie der "Notfallversorgung" in deutschen Schulen, die nicht selten von Schulsekretärin oder Hausmeister durchgeführt wird, weit voraus. Bevor ein Kind in Skandinavien wegen Krankheit nach Hause geht, muss es zunächst von der School Nurse untersucht werden, die auch soziale Faktoren abklärt: Sind die Eltern überhaupt zu Hause? Wer kümmert sich? Die Schulkrankenschwester sei damit auch für chronisch kranke Kinder ein Gewinn, denn sie könne für Sicherheit sorgen, Übersetzungsarbeit leisten und Normalität herstellen. In letzter Konsequenz ist laut Kocks auch ein Schularzt als Ergänzung wünschenswert. Unklar blieb in diesem Zusammenhang allerdings, inwieweit die School Health Nurse in ärztliches Terrain eingreift und wie häufig die Kinder außerhalb der Schule noch mit einem Kinderarzt in Kontakt kommen. Staatssekretär Dirk Loßack vom Ministerium für Schule und Berufsbildung begrüßte dennoch das vorgestellte Modell in der anschließenden Podiumsdiskussion: "Ich fände das sehr spannend, auch aus schulpraktischer Sicht. Als Schulleiter wäre ich sehr dankbar gewesen, wenn so jemand da gewesen wäre. Nicht nur, um das aufgeplatzte Knie zu verarzten, sondern auch um die ernsthaften Erkrankungen zu behandeln und um präventiv und aufklärend ins Kollegium wirken zu können." Doch wie ein solches Modell finanziert werden sollte, sei unklar. Viele der anwesenden Lehrer und Erzieher beschäftigte auch das Thema der Medikamentengabe und möglichen Regressansprüche, z.B. bei Kindern mit Diabetes. "Wir können Lehrkräfte nicht zwingen, Medikamente zu verabreichen", so Loßack. Ein Regressanspruch sei möglich, aber nur, wenn derjenige, der die Medikamente verabreiche, grob fahrlässig handle. "Es gibt keinen Fall, der uns bekannt ist."


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2015 im Internet unter:
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Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
68. Jahrgang, April 2015, Seite 31
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
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Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2015

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