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ARTIKEL/1389: Mongolische Ärztinnen sammeln Eindrücke in der Kieler Kinderklinik (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2015

Visiting doctors
Beeindruckende Kinderkardiologie kennengelernt

Von Dirk Schnack


Erstmals Besuch aus der Mongolei: Zwei Ärztinnen sammelten Eindrücke in der UKSH-Kinderklinik in Kiel.


Von der technischen Ausstattung und der Spezialisierung an der Kinderklinik am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) zeigten sich zwei Besucherinnen aus Zentralasien Ende März beeindruckt: Prof. Baasanjav Dorjzovd und ihre Assistentin Urtnasan Mayagmarjav waren zum ersten Mal in Deutschland und auch die ersten Besucherinnen aus der Mongolei, die Prof. Martin Schrappe als Direktor der Klinik für Allgemeine Pädiatrie als visiting doctors begrüßen konnte.

Weil bei uns kaum etwas darüber bekannt ist, unter welchen Bedingungen Ärzte in dem großen, aber nur von rund drei Millionen Menschen besiedelten Land zwischen China und Russland arbeiten, hatte die Kinderklinik Mitarbeiter zu einem Vortrag der Gäste in die Bibliothek geladen. Die beiden Ärztinnen arbeiten an einem Krankenhaus in Erdenet, rund 400 Kilometer von der Hauptstadt Ulan Bator entfernt. Die Klinik beschäftigt über 500 Mitarbeiter und ist zwar vom Versorgungsauftrag her, nicht aber in der Ausstattung vergleichbar mit einem deutschen Kreiskrankenhaus. Rund 100.000 Menschen leben in der zu versorgenden Provinz, von denen 29 Prozent zwischen 29 und 40 Jahre alt sind. Relativ weit verbreitet sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Atemwegs- und neurologische Erkrankungen sind genauso auf dem Vormarsch wie Krebserkrankungen.

Das staatlich organisierte Gesundheitswesen besteht auf einer Impfpflicht. Die Behandlungen sind für alle Einwohner kostenfrei, alle Erwerbstätigen müssen in die staatliche Pflichtversicherung einzahlen. Neben den staatlichen Einrichtungen gibt es nur wenige private Krankenhäuser, auch niedergelassene Fachärzte gibt es kaum. Nicht selten müssen Ärzte neben ihrer Arbeit am Krankenhaus einer weiteren Tätigkeit nachgehen. Auf 1.000 Einwohner kommen in der Mongolei 2,8 Ärzte sowie rund 3,5 Krankenschwestern und Hebammen. Die begrenzten Mittel spüren die Ärzte in ihrer Arbeit täglich. Zwar könnten sie an ihrem Krankenhaus viele Erkrankungen diagnostizieren, berichteten die beiden Ärztinnen dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt, die Therapie sei aber wegen der eingeschränkten Ressourcen oft sehr begrenzt. Für Operationen in der Mongolei existiert eine zum Teil längere Warteliste, vereinzelt werden Eingriffe im Ausland vorgenommen. Kooperationen gibt es u.a. mit Südkorea.

Zustande gekommen war der Kontakt nach Deutschland für sie über die schleswig-holsteinische Ärztin Annemarie Czieslik, die schon mehrfach vor Ort war und dort Balintgruppen aufgebaut hat, damit Ärzte und Krankenschwestern Konfliktsituationen bewältigen können. Czieslik berichtet von starken gesellschaftlichen Umbrüchen in dem Land. Traditionelle Werte wie etwa der Zusammenhalt der Familie haben sich abgeschwächt, die Schere zwischen armen und reichen Menschen hat sich vergrößert und führt auch zu zunehmenden sozialen Spannungen. Das Gesundheitswesen leidet unter einer Mittelknappheit, die mit der in Deutschland mit diesem Begriff bezeichneten Lage nicht vergleichbar ist. "Pflaster, Verbände, Spritzen und Medikamente sind abgezählt, die Medikamente billig in Indien eingekauft und häufig gepanscht", berichtet Czieslik. Ärzte und Krankenschwestern seien unterbezahlt, was die Korruption erleichtert. Diese Umbrüche sieht Czieslik als ursächlich für die Zunahme an psychischen Erkrankungen. "Die Arbeit in den Krankenhäusern ist entsprechend belastend und stressbeladen", sagt Czieslik.

Nicht verbreitet ist nach ihren Erfahrungen psychotherapeutisches Wissen. Aus-, Fort- und Weiterbildungen in diesem Bereich hätten erst begonnen und seien mühsam.

Dorjzovd und Mayagmarjav sind Ende März zurück in ihre Heimat geflogen. Vor dem Besuch in Kiel hatten sie an einem Kongress in Salzburg teilgenommen. Auf die Frage, was sie bei ihrem rund zehntägigen Besuch in Kiel am meisten beeindruckt hat, nannten beide Ärztinnen die den deutschen Kollegen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten in der Kinderkardiologie.


Info

2,9 Mio. Einwohner leben in der Mongolei - auf einer Fläche von über 1,5 Millionen Quadratkilometern. Damit zählt die Mongolei zu den am schwächsten besiedelten Ländern der Erde.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Prof. Baasanjav Dorjzovd und ihre Assistentin Urtnasan Mayagmarjav besuchten die Kieler Uni-Pädiatrie.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2015 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2015/201504/h15044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
68. Jahrgang, April 2015, Seite 19
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2015

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