Universität Witten/Herdecke - 05.08.2011
Schulmedizin, Traditionelle Chinesische Medizin, Homöopathie oder Anthroposophische Medizin?
Sommerakademie für integrative Medizin an der Universität Witten/Herdecke (UW/H)
sucht den Dialog zwischen verschiedenen medizinischen Ansätzen
250 Studierende, Ärzte und Therapeuten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Japan beschäftigen sich auf der am morgigen Samstag zu Ende gehenden 2. Sommerakademie für integrative Medizin mit der Frage, was eine gute und heilsame Medizin ausmacht. Anhand des konkreten Falles eines rheumatischen Patienten führten zunächst ein Schulmediziner (Prof. Dr. med. Matthias Schneider), eine Heilpraktikerin in Traditioneller Chinesischer Medizin (Chien-Fen Shou), ein Homöopath (Dr. med. Christian Minck) und eine Vertreterin der Anthroposophischen Medizin (Dr. Michaela Glöckler) ein öffentliches Gespräch mit dem Patienten und stellten die Besonderheiten ihrer jeweiligen Sichtweise vor.
Doch welcher Ansatz hat sich dabei als der beste herausgestellt? "Diese Frage kann man pauschal nicht beantworten", sagt Rahel Weiland vom Organisationsteam der Sommerakademie. "Das ist sehr individuell und bei jedem Patienten unterschiedlich. Uns ging es darum, den Dialog zwischen den einzelnen Ansätzen zu fördern. Tatsächlich wäre es aus unserer Sicht am sinnvollsten, den jeweils passenden Ansatz in der Zusammenarbeit der Therapeuten mit dem Patienten herauszufinden." So solle im Idealfall individuell überlegt werden, welche Methode im konkreten Fall die passende sei oder ob auch ein Mix verschiedener Ansätze zum Ziel führen könne. "Die meisten Ärzte sind von ihrer Richtung ja ziemlich überzeugt", sagt Rahel Weiland, die an der UW/H Humanmedizin und Wirtschaftswissenschaft studiert. "Und das müssen sie auch sein. Mit der Sommerakademie möchten wir aber bewirken, dass sie dabei trotzdem für andere Anätze offen bleiben."
Auch der Patient Georg Bender, der sich für den Arzt-Patienten-Austausch im Rahmen der Sommerakademie zur Verfügung stellte, hat bei jeder Richtung hilfreiche Ansätze ausgemacht. "In der Schulmedizin hat mir gut gefallen, dass mit einer kleinen Umstellung der Medikation gleich meine Schlafstörungen mit behandelt werden können", sagt er. "In der Homöopathie hat mir die Fragestellung besonders gut gefallen, weil sie mich zum Nachdenken gebracht hat. Den Ansatz der Anthroposophischen Medizin, über mögliche Traumata in der frühkindlichen Phase nachzudenken, fand ich sehr interessant. Die Pädagogik in der Nachkriegszeit kam ja nicht ohne Prügel aus. Es kann ja durchaus sein, dass das einen Schaden verursacht hat, der nun meine Gesundheit beeinträchtigt."
Insgesamt zieht der Filmemacher und ehemalige Filmdozent ein durchweg positives Fazit: "Ich bin hier auf viele Dinge hingewiesen worden, die Studierenden waren alle sehr wohlwollend und aufmerksam, wollten sich informieren und selbst Hinweise geben. Ich habe viele wissbegierige junge Menschen voller Energie getroffen und mich hier sehr gut aufgehoben gefühlt. Von mir aus könnte die Sommerakademie gerne noch eine Woche länger dauern."
In Zukunft möchte er sich weiter schulmedizinisch behandeln lassen, aber dabei auch Anregungen aus der Homöopathie aufnehmen. "Außerdem ist es vermutlich sinnvoll, sich noch einmal mit der frühkindlichen Phase auseinander zu setzen. Das werde ich ebenfalls tun", kündigt er an. Auch die Wärmebehandlung nach Art der Traditionellen Chinesischen Medizin habe er als wohltuend und schmerzlindernd empfunden. "Das werde ich wiederholen und beobachten, ob die Linderung von Dauer ist."
Aus den Workshops und von den Dozenten der verschiedenen Richtungen werden Georg Bender und sein ebenfalls anwesender Hausarzt in jedem Fall Empfehlungen mit auf den Weg bekommen. "Wir sehen uns lediglich als Impulsgeber", erläutert Rahel Weiland, "denn es ist leider nicht möglich, Herrn Bender hier in einer Woche zu heilen." Letztlich werde sich erst auf Dauer herausstellen, welche Ansätze Wirkung zeigten. Und letztlich gelte immer: "Jeder Patient muss für sich selbst entscheiden, was gut für ihn ist und was er ausprobieren möchte."
Sie selbst habe besonders das homöopathische Eingangsgespräch
beeindruckt. "Im Gegensatz zur Schulmedizin, wo ja viele Fragen
gestellt wurden, hat Herr Dr. Minck einfach gesagt: 'Ich habe keine
Fragen, erzählen Sie mir einfach, was Sie sagen möchten.' Den Ansatz,
als Arzt den Mut zu haben, einfach mal zu schweigen, fand ich sehr
interessant", sagt die Mit-Organisatorin.
Hintergrundinformationen:
Die Vielzahl medizinischer Perspektiven und ihre Berührungspunkte
werden im klassischen Medizinstudium nur in Ausnahmefällen behandelt.
Obwohl Ärzte, Studierende und Patienten zunehmend nach Alternativen zu
ausschließlicher Schulmedizin suchen, gibt es nur wenige
Bildungsmöglichkeiten und kaum Netzwerke. Ziel der Sommerakademie war
es deshalb, Ansätze der Schulmedizin und anderer medizinischer
Traditionen zu vereinen.
Die Sommerakademie ist ein von der Initiative "Medizin mit Herz und
Hand" organisiertes studentisches Projekt, das im letzten Jahr an der
Universität Witten/Herdecke entstanden ist und nun von Studierenden
aus ganz Deutschland weitergeführt wird.
Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982
eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als
Modelluniversität mit rund 1.300 Studierenden in den Bereichen
Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der
klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand
in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsbildung.
Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.
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http://idw-online.de/de/institution226
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Witten/Herdecke, Jan Vestweber, 05.08.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2011
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