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ARTIKEL/1524: Bundesweit einmaliges Modell - Sozialstation in Hürup managt Medizinisches Versorgungszentrum (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 2/2020, Februar 2020

Ambulante Versorgung Sozialstation managt Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ)

von Dirk Schnack


Bislang war die Sozialstation in Hürup auf Pflegeleistungen spezialisiert. Seit Sommer ist ein MVZ mit drei angestellten Ärzten hinzugekommen. Bundesweit bislang einmaliges Modell.


Ausacker, Freienwill, Großsolt, Hürup, Husby, Maasbüll und Tastrup: Selbst eingefleischte Schleswig-Holsteiner könnten Probleme haben, diese Orte zu lokalisieren. Zusammen bilden die sieben Gemeinden in Angeln das Amt Hürup, zusammen kommen sie auf 2.500 Einwohner und zusammen - und gemeinsam mit drei Kirchengemeinden der Region - sind sie Träger einer Sozialstation. Diese hat ihren Sitz in Hürup und kümmert sich mit zahlreichen Pflegleistungen um die Bewohner im Amt Hürup. Bei den rund 85.000 Pflegeeinsätzen jährlich in der Region setzen die Pflegekräfte auf einen engen Austausch mit den Hausärzten. Weil aber alle drei Ärzte der Region spätestens in einigen Jahren altersbedingt aufhören werden, musste eine neue Lösung her. Sie schufen eine, die es bundesweit nur bei ihnen gibt: Die Sozialstation erwarb die drei Kassenarztsitze, gründete ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), stellte die drei Ärzte an und setzt nun darauf, dass junge Ärzte an dem Modell größeres Interesse haben als an den Einzelpraxen.

"Es ist einfacher, angestellte Ärzte zu finden, die nur eine Teilzeitstelle besetzen", sagt Peter Otzen. Der Allgemeinmediziner war 31 Jahre in Hürups Nachbarort Husby niedergelassen. Jetzt ist der 63-Jährige Ärztlicher Leiter des MVZ Hürup und damit Angestellter der Sozialstation. Sein Arbeitsort ist weiterhin seine Praxis in Husby.

Seine ärztlichen Kollegen sind Claus Damberg und Matthias Schmidt. Damberg hat seine Tätigkeit im Ort Freienwill schon leicht reduziert, eine neue Kollegin hat eine Viertelstelle von ihm übernommen. Die gleiche Entwicklung werden nach und nach alle drei Stellen der erfahrenen Ärzte nehmen, ist Schmidt überzeugt. Der Quereinsteiger in die Allgemeinmedizin war den Großteil seiner Berufslaufbahn angestellter Gefäßchirurg, bevor er in die Allgemeinmedizin wechselte. Er übernahm einen der drei Sitze im Jahr 2017 mit der Aussicht, diesen später in ein MVZ einbringen und wieder angestellt arbeiten zu können. Einer der Kommunalpolitiker, mit denen Schmidt hierzu im Gespräch war, ist Burkhard Gerling. "Wir haben uns beraten lassen und eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen. Die Risiken des Büsumer Modells wären für uns zu groß gewesen. Dieses Modell ist für uns geeigneter", berichtet Gerling im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt.

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3,5 Mio. Euro sind im Jahr 2019 insgesamt aus dem Versorgungssicherungsfonds für Projekte in der schleswig-holsteinischen Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt werden.
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In Büsum trägt die Gemeinde das wirtschaftliche Risiko für eine kommunale Eigeneinrichtung. Die Sozialstation Hürup dagegen befindet sich in Trägerschaft von sieben Gemeinden im Amt und von drei Kirchengemeinden. Das MVZ wird von den Geschäftsführern der Sozialstation Hürup, Maren Matthiesen und Volker Schümann, gemanagt. Um sich das spezielle Know-how für die Organisation ambulanter ärztlicher Tätigkeit anzueignen, werden sie für eine Übergangszeit von einer Beratungsfirma angeleitet und gecoacht. Die Praxisräume in den Orten Husby und Freienwill sind übernommen und mit einheitlicher EDV ausgestattet werden. Die Investitionen, die die Träger dafür tätigen mussten, waren überschaubar: Auf rund 50.000 Euro beziffern sie den finanziellen Aufwand - ohne das Geld, das für die Übernahme der Kassenarztsitze aufgewendet wurde.

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458.000 Euro fließen aus dem Versorgungssicherungsfonds des Landes Schleswig-Holstein an das MVZ Hürup. Das Geld soll u. a. dazu dienen, die Pflege- und ärztlichen Leistungen enger zu verzahnen.
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Das Modell ist so ungewöhnlich, dass es der Landesregierung im Norden wie berichtet eine finanzielle Förderung wert war. 458.000 Euro flossen aus Landesmitteln an die Sozialstation, um die Verzahnung von Pflege und ärztlichen Leistungen zu vertiefen. Davon soll u. a. eine telemedizinische Ausstattung angeschafft werden, damit sich Ärzte und Pflegekräfte von unterschiedlichen Orten aus vernetzen können.

Rund sieben Monate nach dem Start sind die Beteiligten überzeugt, das richtige Modell gewählt zu haben. Die Rahmenbedingungen allerdings könnten nach ihrer Ansicht flexibler sein, um solche Lösungen zu ermöglichen. Gerling verweist in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung, dass Ärzte den Willen haben müssen, drei Jahre lang angestellt tätig zu bleiben, wenn Sie ihren Sitz in ein MVZ einbringen. Otzen und Schmidt räumen ein, dass sie diesen Willen zwar haben - ob der aber in zwei Jahren auch noch besteht, ist bei über 60-Jährigen schwer zu beantworten. In Hürup weiß man zwar, dass diese Regelung vor zu viel Sitzen in Händen von Konzernen schützen soll -für ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen wie die Sozialstation könnte sie sich dagegen als nachteilig erweisen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 2/2020 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2020/202002/h20024a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, Nr. 2/2020, Februar 2020, Seite 24
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2020

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