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AUSLAND/2582: Griechenland - COVID-19-Pandemie ... Deutschland sollte gefährdete Minderjährige aus Moria aufnehmen (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 9. April 2020

Griechenland: Deutschland sollte umgehend 178 akut gefährdete Minderjährige aus Moria aufnehmen


Berlin, 9. April 2020. Ärzte ohne Grenzen fordert die Bundesregierung auf, umgehend mehr Kinder aus dem Flüchtlingslager Moria auf Lesbos aufzunehmen als angekündigt. Die Menschen in EU-Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln sind angesichts der Covid-19-Pandemie akut gefährdet.

"Hunderte Menschen, die zu Coronavirus-Hochrisikogruppen zählen, sind in den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln noch immer in Gefahr, an Covid-19 zu erkranken", sagt Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. "Daran ändert auch die Ankündigung der Bundesregierung nichts, 50 Kinder aus Moria zu evakuieren - auch wenn wir froh sind, dass nach vier Wochen nun überhaupt etwas geschieht."

"Wir sind befremdet über Äußerungen aus den Regierungsparteien, die griechischen Behörden und Hilfsorganisationen hätten nur 50 Kinder zur Evakuierung benennen können", so Westphal. "Allein die Teams von Ärzte ohne Grenzen auf Lesbos haben den griechischen Behörden und internationalen Organisationen seit Monaten wiederholt Listen mit zuletzt 178 akut gefährdeten Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen geschickt. Die meisten dieser kleinen Patienten, die etwa an Herzerkrankungen, Epilepsie oder schwerem Asthma leiden, werden in unserer Kinderklinik auf Lesbos so gut es geht versorgt, brauchen aber eine spezialisierte Behandlung. Sie gehören zur Hochrisikogruppe für Covid-19. Die Bundesregierung hat mehrfach erklärt, diese Kinder aufnehmen zu wollen und sollte das jetzt schleunigst tun, bevor das Coronavirus das Lager erreicht."

"Auf Lesbos und Samos leben in den Lagern mindestens 600 Menschen, die zur Hochrisikogruppe gehören", so Westphal weiter. "Dabei handelt es sich um ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen. Im Fall eines Ausbruchs von Covid-19 in den Lagern können sie sich nicht vor einer Infektion schützen und müssen darum sofort in Sicherheit gebracht werden. Danach müssen auch die übrigen Menschen aus den überfüllten und unhygienischen Hotspots gebracht werden, bis dort menschenwürdige Zustände möglich sind. Die EU-Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln haben eine Kapazität von etwa 6.000 Plätzen, derzeit sind dort aber 40.000 Menschen zusammengepfercht. Für diesen Zustand ist die Bundesregierung, die den EU-Türkei-Deal maßgeblich verhandelt hat, in starkem Maße mitverantwortlich. Wenn sie jetzt die Evakuierung von 50 Menschen als Erfolg ausgibt, hat sie ihre Maßstäbe verloren."


Ärzte ohne Grenzen betreibt auf Lesbos eine Kinderklinik gegenüber des Lagers Moria sowie eine psychosoziale Klinik für Überlebende von Folter und sexueller Gewalt. Auf Samos bietet eine Klinik am Rande des Lagers Vathy medizinische Hilfe an. Auf beiden Inseln hat Ärzte ohne Grenzen auch die Wasser- und Sanitärversorgung in den Lagern verbessert. Teams von Ärzte ohne Grenzen informieren Menschen über Covid-19 und koordinieren sich mit den Gesundheitsbehörden bei der Reaktion auf mögliche Infektionsfälle. Unter den gegebenen unhygienischen Umständen ist es aber praktisch unmöglich, eine Ausbreitung des Virus in den Lagern einzudämmen.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen e. V. / Medecins Sans Frontieres
Pressemitteilung vom 9. April 2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2020

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