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AUSLAND/2221: Simbabwe - Kondome in Schulen und Gefängnissen tabu, HIV/Aids-Aktivisten warnen vor den Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. April 2015

Simbabwe: Kondome in Schulen und Gefängnissen tabu - HIV/Aids-Aktivisten warnen vor den Folgen

von Jeffrey Moyo


Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

Häftlinge in einem Gefängnis in Simbabwe
Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

Harare, 1. April (IPS) - Der 16-jährige Tatenda Chivata aus dem ländlichen Bezirk Mutoko in Simbabwe wurde drei Monate lang vom Unterricht suspendiert. Der Grund: Ein Lehrer hatte in seiner Schultasche ein benutztes Kondom gefunden.

Die Haftstrafe des 34-jährigen Regerai Chigodora, der in einem Gefängnis in der Hauptstadt Harare einsitzt, wurde Anfang des Jahres von 36 auf 45 Jahre erhöht. Sein 'Vergehen': Auch er war mit gebrauchten Kondomen erwischt worden.

In den meisten Ländern Afrika sind Kondome in Schulen und Haftanstalten verboten. Nur Südafrika und Namibia bilden die Ausnahme. Gesundheitsexperten zufolge wird es angesichts solcher Restriktionen für Afrika schwierig werden, den Kampf gegen HIV/Aids zu gewinnen. Befürchtet wird, dass der Kontinent den in den UN-Millenniumsentwicklungszielen formulierten Vorsatz, die Ausbreitung der Immunschwäche einzudämmen, nicht einhalten kann.

"Wir haben auf dem Kontinent hart daran gearbeitet, die Verbreitung der Krankheit aufzuhalten. Doch wir waren nicht pragmatisch genug, Präventivmaßnahmen in Schulen und Haftanstalten zu ergreifen. Die Regierungen in Afrika lehnen die Verteilung von Kondomen in den jeweiligen Einrichtungen ab, weil sie fürchten, dass dies als Aufruf zu homosexuellen Kontakten und sexueller Freizügigkeit missverstanden wird", erläutert der Schwulen-Aktivist Elvis Chuma aus Harare.

"Auch wenn es den Behörden nicht gefällt: Homosexuelle Beziehungen in Gefängnissen sind gang und gäbe", bestätigt Chigodora. "Doch jeder Häftling, der mit Kondomen angetroffen wird, gerät in ernsthafte Schwierigkeiten."


Widersprüche

Der Teenager Chivata hat für die Strafaktion seiner Schule kein Verständnis. "Unsere Lehrer trichtern uns ständig ein, uns beim Sex zu schützen. Hätte ich kein Kondom verwendet, wäre niemandem etwas aufgefallen", meint er. Ärger gebe es wohl auch deshalb, weil er noch keine 18 Jahre und damit nicht volljährig sei.

Zwar hat in diesem Jahr der simbabwische Bildungsminister Lazarus Dokora im Parlament erklärt, dass es Eltern freigestellt sein müsse, ihren Kindern Präservative in die Schultaschen zu stecken. Seine Äußerungen stehen aber im Widerspruch zu den Strafmaßnahmen von Schulen.

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO waren Ende 2013 weltweit etwa 3,2 Millionen Kinder und Jugendliche HIV-positiv. Die meisten von ihnen leben demnach in Subsahara-Afrika. Allein in Simbabwe sollen schätzungsweise 145.000 Heranwachsende das Immunschwächevirus in sich tragen.

Nach Angaben des simbabwischen Statistikamts (ZimStat) sind 28 Prozent der insgesamt rund 18.000 Strafgefangenen des Landes infiziert. Die Tatsache, dass Sex zwischen Männern strafbar ist, bleibt eine hohe Hürde, um der Ausbreitung von HIV/Aids in den Gefängnissen vorzubeugen. "Afrikanische Staaten wie Simbabwe bringen sich mit ihren eigenen Gesetze in Schwierigkeiten", warnt Tonderai Zivhu, Vorsitzender der Selbsthilfegruppe 'Open Association of People Living with HIV/Aids' in der simbabwischen Stadt Masvingo.


Liberalere Politik in Südafrika und Namibia

Offenbar sind Südafrika und Namibia die einzigen der insgesamt 54 afrikanischen Staaten, die Präventionsmaßnahmen gegen HIV/Aids in Schulen und Gefängnissen zulassen. 2007 trat in Südafrika ein neues Kinderschutzgesetz in Kraft, das allen über Zwölfjährigen Zugang zu empfängnisverhütenden Mitteln gestattet.

Die südafrikanische Strafvollzugsbehörde gibt außerdem Kondome an Häftlinge aus. Schätzungsweise 41,4 Prozent der etwa 166.200 Häftlinge in dem Land sind nach Angaben des Gesundheitsministeriums HIV-positiv. Südafrika ist das einzige Land auf dem Kontinent, das Homosexualität nicht unter Strafe stellt.

Ärzten wie Nomalanga Zwane aus Johannesburg sind der Meinung, dass der Kampf gegen HIV/Aids ein energisches Vorgehen erfordert. "Wenn wir Schulkinder im Stich lassen, ist der Kampf gegen die Killerkrankheit verloren. Und Gefangene, die in der Haft keinen Zugang zu Präservativen haben, werden das Virus ebenfalls nach ihrer Entlassung weitergeben."

In Namibia haben alle Personen, die auf einen Prozess warten oder bereits zu Haftstrafen verurteilt wurden, den gleichen Zugang zu Informationen über HIV-Prävention, Tests, Kondomen und Behandlungen wie die übrige Bevölkerung.

Andere afrikanische Länder nehmen keine eindeutige Position ein. Im vergangenen Jahr hat zwar die Regierung Ruandas bestätigt, dass es in den Haftanstalten des Landes zu homosexuellen Aktivitäten komme. Ob die Gefangenen Kondome erhalten, blieb offen. (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/03/activists-protest-denial-of-condoms-to-africas-high-risk-groups/

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IPS-Tagesdienst vom 1. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2015

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