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AUSLAND/2145: Afrika - Schwachstelle Verhütung... Kondome und Co. gehören nicht zur HIV-Prävention (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2014

Gesundheit: Schwachstelle Verhütung - In Afrika gehören Kondome und Co. nicht zur HIV-Prävention

von Miriam Gathigah


Bild: © Mercedes Sayagues/IPS

Weil die Entscheidung über Sex und Schwangerschaft in Afrika häufig bei den Männern liegt, sollten diese in staatliche Familienplanungsprogramme auch mit einbezogen werden
Bild: © Mercedes Sayagues/IPS

Nairobi, Kenia, 15. August (IPS) - Beatrice Njeri weiß seit drei Jahren, dass sie HIV-positiv ist. Im August 2009 kam sie früher als gewöhnlich von ihrem Job als Hausmeisterin einer Grundschule in der kenianischen Hauptstadt Nairobi nach Hause. Sie war überrascht, dass ihr Mann bereits auf sie wartete - mit einer traurigen Nachricht: Er war HIV-positiv getestet worden. Eine Woche später erhielt sie das gleiche Ergebnis.

Beide waren gerade einmal 29 Jahre alt. "Wir waren jung und wussten nur wenig über HIV", sagt Njeri. Sie hatten gemeinsam zwei Töchter und wünschten sich nun noch einen Jungen. Aber nach dem Testergebnis entschieden sie sich gegen ein weiteres Kind.

Bis dahin hatte Njeri mit der Dreimonatsspritze verhütet und brauchte die nächste Injektion. Weil sie HIV-positiv war, rieten die Krankenschwestern ihr allerdings von der Spritze ab und empfahlen, sich sterilisieren zu lassen. Bei der Frau bedeutet das, die Eileiter zu verschließen - ein unumkehrbarer Schritt, den Beatrice Njeri und ihr Mann nicht einschlagen wollten. "Wenn ich das gemacht hätte, hätte ich mich nicht mehr wie eine richtige Frau gefühlt. Aber die Krankenschwestern sagten, ich sei egoistisch und wollten mich zu der Prozedur zwingen."


Gerüchten zufolge wurde Wasser statt Hormonen gespritzt

Die Krankenschwestern sagten Njeri, Kontrazeptiva seien prioritär für Frauen, die diese tatsächlich noch brauchten. Was Njeri nicht wusste: Verhütungsmittel waren zu dem Zeitpunkt knapp in Kenia. Gerüchten zufolge wurde Frauen statt der Dreimonatsspritze sogar Wasser gespritzt, weil nicht ausreichend Injektionsmittel vorhanden war.

Weil Frauen in Afrika häufig der schwächere Part in der Partnerschaft sind, bestimmen meist die Männer, ob und wie verhütet wird. Sie werden an Programmen zur Familienplanung allerdings häufig nicht beteiligt. Die Hormonspritze war und ist in vielen Teilen Afrikas das beliebteste Verhütungsmittel, weil Frauen sich diese ohne das Wissen ihrer Ehemänner geben lassen können. Auch eine Untersuchung des kenianischen Statistikamtes von 2009 machte die Hormonspritze als beliebtestes Verhütungsmittel aus: 14,8 Prozent der verheirateten Frauen, die verhüteten, wählten die Spritze. 4,7 Prozent der Frauen nahmen die Pille, 3,2 Prozent ließen sich sterilisieren. Ebenfalls 3,2 Prozent vertrauten auf die natürliche Verhütung - Sex nur an unfruchtbaren Tagen - und 2,6 Prozent verließen sich auf das Kondom für Männer.


Sex wurde zur Belastung

Weil sich Njeri strikt gegen die Sterilisation wehrte, empfahlen ihr die Krankenschwestern, Kondome zu benutzen. Für das Ehepaar waren Gummis als Verhütungsmittel neu und ungewohnt. "Wenn wir miteinander schlafen wollten, immer ein Kondom überzuziehen, fanden wir schrecklich. Sex wurde kompliziert und letztlich immer mehr zur Belastung. Ich habe das richtig gehasst."

Bild: © Mercedes Sayagues/IPS

Bei der Behandlung HIV-positiver Frauen kommen Fragen zur Familienplanung häufig zu kurz
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Doch auch der Preis schreckte die Ehepartner ab, die beide nur gelegentlich einer Beschäftigung nachgehen und in einer Wellblechhütte in Kisumu Ndogo wohnen, einem der vielen Slums der kenianischen Hauptstadt. "Im Slum geht es zunächst darum, überhaupt etwas auf den Tisch zu bekommen." Die beiden werden von der Kirche unterstützt, die ihnen immer wieder Essens- und Kleiderpakete zukommen lässt.

Beatrice Njeri ging schließlich zu einer traditionellen Beratungsstelle. Dort empfahl man ihr, auf natürliche Verhütung zu setzen. Aber Njeri musste wegen ihrer HIV-Infektion Antiobiotika nehmen, die ihren Menstruationszyklus verschoben, was jedoch weder sie noch ihr Mann wussten. Sich auf den bisherigen Zeitraum der unfruchtbaren Tage zu verlassen, konnte damit also nicht funktionieren. Und Njeri wurde schwanger. Als ihr Sohn im Jahr 2011 zur Welt kam, war er HIV-positiv. Und der HI-Virus hatte sowohl Mutter als auch Vater so weit im Griff, dass sie antiretrovirale Medikamente nehmen mussten.

Das Elend mit der Verhütung ging weiter. 2012 und 2013 streikte das Krankenhauspersonal immer wieder. Auch die Beschaffungsabteilungen waren unterbesetzt, und so kam es immer wieder zu Knappheiten - auch bei der Hormonspritze. Das Ehepaar Njeri griff schließlich doch auf das Kondom zurück.

"Manchmal vergessen die Krankenschwestern, dass Menschen noch sexuelle Lust verspüren, auch wenn sie positiv getestet wurden", sagt Florence Ngobeni-Allen gegenüber IPS. Die Sprecherin der 'Elizabeth Glaser Paediatric AIDS Foundation' ist selbst HIV-positiv. Statt sich Gedanken um eine sinnvolle Verhütung zu machen, damit die Menschen nicht mehr HIV-positive Nachfahren zeugen, werde der Fokus lediglich auf die Gesundheit von Mutter und Kind gelegt.

Das ist ein Problem. In Kenia übersteigt die Nachfrage nach Verhütungsmitteln das Angebot um rund 25 Prozent. Bei den HIV- positiven Frauen sind es sogar 60 Prozent. Doch bei infizierten Frauen ist das Risiko, an schwangerschaftsbedingten Komplikationen zu sterben, sechs- bis achtmal höher als bei gesunden Frauen. "Hier liegt eine große Schwäche unseres Gesundheitssystems", sagt der Arzt John Ong'ech, stellvertretender Leiter des Kenyatta National Hospital, gegenüber IPS. (Ende/IPS/jt/2014)


Links:

http://dhsprogram.com/pubs/pdf/FR229/FR229.pdf
http://www.ipsnews.net/2014/08/the-weakest-link-of-hiv-prevention-in-africa-contraception/
http://www.ipsnews.net/2014/08/one-womans-struggle-to-find-the-right-contraceptive/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2014