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AUSLAND/1942: Thailand - Gespräche über Freihandel mit EU - Sorge um fortschrittliches Gesundheitssystem (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. März 2013

Thailand: Gespräche über Freihandel mit EU - NGOs fürchten um fortschrittliches Gesundheitssystem

von A. D. McKenzie



Brüssel, 13. März (IPS) - In Brüssel sind die Gespräche über ein Freihandelsabkommen (FTA) zwischen Thailand und der EU angelaufen. Thailändische und europäische Nichtregierungsorganisationen sind beunruhigt. Sie befürchten Rückschläge für das fortschrittliche Gesundheitssystem des südostasiatischen Landes.

Bei den Verhandlungen während des Besuchs des thailändischen Ministerpräsidenten Yingluck Shinawatra am 6. März ging es um das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS). Das internationale Vertragswerk regelt den Umgang mit Patenten etwa auf Markenmedikamente.

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) treibt die Sorge um, dass die EU die Interessen ihrer Pharmaunternehmen durchboxen und den Thailändern damit den Zugang zu preiswerteren Generika versperren könnte.

"Die großen Pharmaunternehmen sind bestrebt, an ihren Medikamenten gut zu verdienen. Staaten wie Thailand geht es um den Zugang zu den preiswerten Nachahmerpräparaten. Und schon haben wir einen Interessenkonflikt", betont Leila Bodeux, eine Sprecherin der Hilfsorganisation Oxfam.

Thailand habe große Anstrengungen unternommen, um sein Gesundheitssystem zu verbessern, so Bodeux. Um die Errungenschaften des südostasiatischen Landes nicht zu gefährden, müsse der Zugang des Landes zu bezahlbaren Arzneien gewährleistet werden.

Wie Oxfam und andere Hilfsorganisationen wie 'Health Action International' (HAI) mit Sitz in den Niederlanden und das deutsche Aktionsbündnis gegen Aids warnen, würde ein exzessiver Schutz des geistigen Eigentums die Möglichkeiten der Generika-Produzenten beschränken. Die Folgen wären, dass die Monopolstellung der Markenproduzenten gestärkt und höhere Medikamentenpreise erzielt werden könnten. Dies wiederum wäre ein Rückschlag in dem Bemühen um eine bezahlbare Gesundheitsversorgung.


Antiretrovirale für 80 Prozent der HIV-Infizierten

Thailand wird für sein öffentliches Gesundheitsprogramm weltweit gerühmt. Bei der Behandlung von HIV/Aids ist es dem Land gelungen, 80 Prozent seiner Infizierten mit antiretroviralen Medikamenten zu versorgen. Die in Indien für andere Entwicklungsländer produzierten Antiretroviralen haben die Behandlungskosten erheblich gesenkt.

Doch den kritischen NGOs zufolge könnte das FTA diese Errungenschaften zunichtemachen, insbesondere bei der Aufnahme des sogenannten Mechanimus zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten in das FTA.

Die Organisationen erinnern an den Fall des US-amerikanischen Pharmariesens 'Eli Lilly & Co.', der Kanada auf der Grundlage des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens auf 100 Millionen US-Dollar Schadensersatz verklagt hatte, nachdem ein kanadisches Gericht dem Konzern das Patent für Medikamente zur Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms entzogen hatte. Thailand könnte sich in Zukunft in einer ähnlichen Lage wiederfinden, sollten Generika-Hersteller des Patentbruchs für schuldig befunden werden.

"Wir fürchten, dass die EU Patentbestimmungen vorantreiben wird, die über das TRIPS hinausgehen", meint Bodeux. Die als TRIPS-plus bekannten Auflagen würden bei den multinationalen Pharmafirmen auf Zuspruch stoßen, im Fall einer Umsetzung jedoch den thailändischen Gesundheitsetat erheblich schmälern.

Die NGOs sehen ferner die Gefahr, dass die EU versuchen könnte, die Laufzeit von Patenten zu verlängern. Die Welthandelsorganisation schreibt derzeit 20 Jahre vor.

Die Europäische Kommission hat den Start der FTA-Verhandlungen als "wichtigen Schritt in den EU-thailändischen Beziehungen" bezeichnet, "die bereits durch ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen gestärkt wurden". Ziel sei der Abschluss eines umfassenden Abkommens, dass tarifäre und nicht-tarifäre Hindernisse und andere handelsbezogene Fragen wie Dienstleistungen, Investitionen, Regulationen, Wettbewerb und nachhaltige Entwicklung beinhalte.

Das Abkommen mit Thailand soll "zudem substanzielle wirtschaftliche Gewinne erzielen und die EU mit Partnern gleichstellen, die bereits FTAs mit Thailand (das sind Australien, China, Indien, Japan, Korea und Neuseeland) geschlossen haben", so die Europäische Kommission. Die nächsten Verhandlungen sollen noch vor der Sommerpause im Mai stattfinden.

Die Einwände der NGOs werden auch von einigen Europa-Abgeordneten geteilt. So erklärte die deutsche Europaparlamentarierin Franziska Keller von der Fraktion der Grünen, dass sich die Regierung keinesfalls in TRIPS-plus-Gespräche hineinziehen lassen sollte. "Ebenso bin ich der Meinung, dass die EU die Durchsetzung von TRIPS nicht erzwingen darf. Medikamente machen einen beträchtlichen Teil des thailändischen Gesundheitsbudgets aus. Ohne die Bereitstellung und Produktion von Generika werden sich die Gesundheitskosten für Thailand gravierend erhöhen."

Wohlwissend, was auf für Thailand auf dem Spiel steht, hatten thailändische Demonstranten unlängst versucht, die öffentliche Aufmerksamkeit auf die möglichen Auswirkungen eines FTA auf Landwirtschaft und Gesundheit zu lenken. Der Regierung warfen sie vor, sich nicht adäquat mit der Zivilgesellschaft abgestimmt zu haben.


Thailand unter Druck

HAI-Beraterin Tessel Mellema fürchtet, dass sich Thailand aufgrund des bevorstehenden Ablaufs von EU-Handelspräferenzen Anfang nächsten Jahres zu Zugeständnissen genötigt sehen könnte.

Thailand ist innerhalb der Vereinigung der Südostasiatischen Staaten (ASEA) der drittgrößte EU-Handelspartner. Das Gleiche gilt umgekehrt. Der Europäischen Kommission zufolge belief sich das Handelsvolumen im letzten Jahr auf fast 32 Milliarden Euro.

Die EU exportiert vor allem Hightech-Erzeugnisse einschließlich Maschinen und Elektrogeräte, pharmazeutische Produkte, Fahrzeuge, Edelmetalle und Optikgeräte nach Thailand. Ihrerseits wird sie von dem südostasiatischen Land mit Elektrogeräten, Nahrungsmitteln, Pkws, Edelmetallen, Perlen, Plastik und Gummi beliefert. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.haiweb.org/
http://www.aids-kampagne.de/en/home/
http://www.ipsnews.net/2013/03/thailand-negotiating-worrying-deal-with-eu/

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IPS-Tagesdienst vom 13. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2013