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AUSLAND/1682: Indien - Kampagne zum Schutz von Generika vor Handelgesprächen mit der EU (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. März 2011

Indien: Kampagne zum Schutz von Generika vor Handelgesprächen mit der EU

Von Ranjit Devraj


Neu-Delhi, 28. März (IPS) - In Indien hat die Zivilgesellschaft die Regierung aufgefordert, sich jedweden Forderungen nach einer Aufnahme von Patentrechten in das bevorstehende Handels- und Investitionsabkommen mit der EU zu widersetzen. Ansonsten bestehe Gefahr, dass preiswerte Nachahmerpräparate (Generika) vom Markt verschwänden.

Indiens Handelsminister Rahul Khullar wird Anfang April nach Brüssel reisen, um das seit 2006 verhandelte Vertragswerk zu unterzeichnen. Das Abkommen sieht vor, einen Großteil der Importzölle zu senken, geltende Investitionsbestimmungen zu flexibilisieren und den Markt für Dienstleistungen zu öffnen.

Das 'All India Drug Action Network' (AIDAN) versucht seit einigen Wochen mit einer Kampagne Druck auf die Regierung auszuüben, um zu verhindern, dass sich Neu-Delhi auf eine Änderung der geltenden Rechte zum geistigen Eigentum einlässt und einer Verlängerung der dieses Jahr auslaufenden Patente zustimmt.

Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) der Welthandelsorganisation (WTO) sei schon schlecht genug, doch das bilaterale TRIPS+ könnte sich als noch verhängnisvoller für den indischen Gesundheitssektor erweisen, warnte die AIDAN-Aktivistin Mira Shiva.

Indien hat sich durch die Weigerung, Patente anzuerkennen, und durch die hohe Nachfrage nach preiswerten Nachahmerprodukten aus Entwicklungsländern in den letzten 30 bis 40 Jahren zum weltgrößten Hersteller preiswerter Nachahmerprodukte aufgeschwungen. Mehr als 80 Prozent der weltweit verwendeten Medikamente einschließlich der 91 Prozent Antiretroviralen, die in den international geförderten Programmen zur Behandlung von HIV/Aids zum Einsatz kamen, stammten aus Indien.


Lebensrettende Generika

Die Flexibilität, die TRIPS im Umgang mit Medikamenten zulässt, hat die Medikamentenpreise erheblich gesenkt. So konnten die Kosten nach Angaben des UN-Aidsprogramms UNAIDS für die erste Linie der generischen antiretroviralen Aidsmedikamente im letzten Jahrzehnt um 99 Prozent gedrückt werden.

TRIPS ist ein Ergebnis der Uruguay-Runde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), dem Vorläufer der WTO. Es sieht unter anderem einen 20-jährigen Patentschutz für Medikamente vor. Sollten TRIPS+-Bestimmungen Eingang in das EU-indische Abkommen finden, bliebe beispielsweise Aidskranken, die gegen antiretrovirale Arzneien der ersten Linie immun sind, der Zugang zu Präparaten der zweiten Linie versperrt.


'Datenexklusivität' am Pranger

AIDAN befürchtet, dass die EU auf die sogenannte 'Datenexklusivität' im Zulassungsverfahren von Medikamenten beharren wird. Setzt sie sich damit durch, wären Generika-Hersteller gezwungen, neue klinische Untersuchungen durchzuführen, bevor sie ihre Nachahmerpräparate auf den Markt bringen können.

"Neue klinische Untersuchungen werden die Kosten für die Medikamente jedoch nach oben treiben und deren Einführung hinauszögern", warnte Amin Sen Gupta, Gesundheitsexperte am Wissenschaftszentrum in Neu-Delhi.

Bisher haben Indiens Gerichte dem Druck internationaler Pharmakonzerne erfolgreich widerstanden. So wies der High Court in Madras 2007 einen Patentantrag des Schweizer Konzerns Novartis zum Schutz des Krebsmittels Imatinib Mesylate (Gleevec) ab. Inzwischen wird der Fall vom Obersten Gerichtshof Indiens verhandelt. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2011