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AUSLAND/1623: Westafrika - Massenimpfungen gegen Meningitis, Serum kommt aus Indien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Dezember 2010

Westafrika:
Massenimpfungen gegen Meningitis - Serum kommt aus Indien

Von Brahima Ouédraogo und Terna Gyuse


Ouagadougou und Kapstadt, 9. Dezember (IPS) - In Westafrika hat eine umfassende Impfkampagne gegen Meningitis begonnen. Bis Ende des Jahres sollen mehr als 20 Millionen Menschen in Burkina Faso, Mali und Niger mit einem Impfstoff immunisiert werden, der aus verschiedenen isolierten Merkmalen des Erregers künstlich hergestellt wurde. Das in Indien hergestellte Produkt 'MenAfriVac' ist laut Experten eine wirkungsvolle Waffe gegen die oft tödlich verlaufende Krankheit.

Meningitis ist eine Entzündung der äußeren Hüllen von Gehirn und Rückenmark. Besonders verbreitet ist die Krankheit im so genannten 'Meningitis-Gürtel', der sich von dem westafrikanischen Staat Senegal bis nach Äthiopien im Osten des Kontinents erstreckt.

Zwischen 1995 und 1997 infizierten sich bei einer Epidemie in dieser Region rund 250.000 Menschen mit dem Erreger. 25.000 Erkrankte überlebten die Krankheit nicht. Fünf bis zehn Prozent aller Meningitis-Patienten sterben binnen 24 bis 48 Stunden nach dem ersten Auftreten der Symptome. Zehn bis 20 Prozent der Überlebenden behalten ernste neurologische Schäden zurück, verlieren ihr Gehör und leiden unter Konzentrationsschwächen.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO führten 14 afrikanische Staaten im vergangenen Jahr strengere Gesundheitskontrollen ein. Neben mehr als 78.000 Verdachtsfällen wurden über 4.000 Meningitis-Tote registriert. Dies ist die höchste Zahl seit der Epidemie 1996.


Impfschutz für zehn Jahre

Burkina Faso, Niger und Mali liegen im Zentrum der betroffenen Region. In den drei Ländern hat nun die letzte Phase der Einführung des neuen Impfstoffs begonnen. Früher eingesetzte Mittel boten Schutz für drei Jahre. Die Wirkung von 'MenAfriVac', das Ein- bis 29-Jährigen verabreicht werden kann, hält dagegen zehn Jahre an.

"Es ist ein großer Sieg, dass wir diesen Test durchführen können", sagte Hervé Periès vom UN-Kinderhilfswerk UNICEF. "Mit Hilfe dieser Kampagne können wir Epidemien, die vielen Kinder unter fünf Jahren den Tod bringen, unter Kontrolle zu halten."

Der Initiative hat erneut gezeigt, dass indische Pharmakonzerne fortschrittliche Medikamente zu günstigen Preisen herstellen können. Laut Prasad Kulkarni, der für den 'MeAfriVac'-Produzenten Serum Institute of India Ltd. (SIIL) arbeitet, hatte das Meningitis-Impfprojekt (MVP) das Unternehmen 2002 gefragt, ob es einen Impfstoff für Hirnhautentzündung der Gruppe A in den Subsahara-Staaten entwickeln könnte. MVP ist ein Gemeinschaftsprojekt der WHO und der nichtstaatlichen Organisation 'PATH'.

Mehrere multinationale Konzerne hätten dies zuvor abgelehnt, da Meningitis A in Industrieländern kaum noch auftritt, berichtete Kulkarni. Für diese Firmen sei es lukrativer gewesen, in andere Projekte zu investieren.

"Das Serum Institute folgt dagegen dem Grundsatz, kostengünstige Immunisierungen für Kinder in aller Welt zu produzieren", erklärte der Inder. Die Entwicklung des konjugierten Impfstoffs sei also mit der Geschäftsstrategie und der philanthropische Philosophie des Unternehmens zu vereinbaren gewesen. Man habe MVP zugesichert, dass die Kosten für eine Dosis 'MenAfriVac' 50 US-Cent nicht übersteigen würden.

Der Hersteller nutzt eine Technologie aus dem 'Center for Biologics Evaluation and Research' (CBER) der US-Nahrungsmittel- und Arzneimittelkontrollbehörde, die von SIIL weiterentwickelt wurde.

Nach Ansicht der Medizinerin Marie-Pierre Preziosi, die für die WHO tätig ist, hat 'MenAfriVac' gegenüber anderen Impfstoffen große Vorteile. Die Immunisierung halte nicht nur länger an, erklärte sie. Wenn eine geimpfte Person später noch einmal mit dem Erreger in Berührung komme, werde sich der Körper daran erinnern und besser darauf reagieren. "Außerdem wirkt 'MenAfriVac' auch bei kleinen Kindern. Wir haben damit ein wichtiges Mittel zur Krankheitsprävention in der Hand."


Auch viele Fälle in Südasien

Die oberste Arzneimittelkontrollbehörde Indiens hatte den Impfstoff im Dezember 2009 genehmigt. Auch in der Region kann 'MenAfriVac' sinnvoll eingesetzt werden. In den vergangenen 30 Jahren ist wiederholt Meningitis A in Südasien ausgebrochen. Die WHO hat das Mittel im Juni dieses Jahres vorqualifiziert.

Der von SIIL produzierte Impfstoff soll in 25 Ländern Afrikas eingesetzt werden. 450 Millionen Menschen sind dort in Gefahr, an Hirnhautentzündung zu erkranken. In den kommenden zehn Jahren will das indische Unternehmen 25 Millionen Dosen 'MenAfriVac' liefern. Laut MVP wird der Preis bei jeweils 40 Cent liegen. In anderen Teilen der Welt muss für den Impfstoff dagegen jeweils zehn bis 20 Dollar bezahlt werden.

Nach Berechnungen der WHO werden 500 Millionen Dollar nötig sein, um alle Risikopersonen unter 29 Jahren in afrikanischen Ländern südlich der Sahara impfen zu lassen. Die Organisation bemüht sich darum, dieses Geld von Geberländern und -institutionen zu erhalten.
(Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.who.int/en/
http://www.meningvax.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53809


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2010