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UMWELT/619: Asse - Nicht nur mehr Krebserkrankungen, sondern auch zu wenig Mädchengeburten (IPPNW)


IPPNW - Montag, 6. Dezember 2010
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Asse: Nicht nur mehr Krebserkrankungen, sondern auch zu wenig Mädchengeburten

Kein Zufall: IPPNW widerspricht der Bundesregierung


Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW widerspricht der jüngsten Einschätzung der Bundesregierung, die vermehrten Krebsfälle in der Asse-Region seien rein zufällig. Während des Betriebs des Atommülllagers Asse sind dort in der Region neben den schon bekannten gehäuften Krebsfällen bei Erwachsenen nun auch deutlich zu wenig Mädchengeburten festgestellt worden. Dieses Ergebnis ist signifikant. Den Zufall als Ursache anzunehmen, erscheint extrem unwahrscheinlich.

Eine statistische Auswertung von Kusmierz, Voigt und Scherb hat die Geschlechtsverteilung der lebend geborenen Kinder auch in Remlingen von 1971-2009 (Beginn des Asse-Betriebs: 1965) untersucht. Statt der statistisch zu erwartenden Relation 105 Jungen : 100 Mädchen fand sich das signifikant veränderte Verhältnis 125 : 100. In der Asse-Betriebsphase plus ein Jahr Nachlauf (1971-1979) ist das Zahlenverhältnis mit 142 : 105 noch deutlicher. Der Statistiker Dr. Hagen Scherb, Helmholtz-Institut München, sagt dazu: "Das Geschlechtschancenverhältnis beträgt 1.35, d.h. in dieser Phase wäre theoretisch jedes 4. Mädchen verloren gegangen, falls nur Mädchen betroffen waren."

Die IPPNW wertet die fehlenden Mädchengeburten als weiteren deutlichen Hinweis auf mögliche biologische Auswirkungen ionisierender Niedrigstrahlung in der Asse-Region.

Eine erst im Oktober 2010 veröffentlichte Studie hatte einen Verlust von Mädchengeburten im Umfeld deutscher und Schweizer Atomanlagen ergeben. Ähnliche Befunde wurden auch nach der Tschernobyl-Katastrophe und als Folge der Fall-Outs der Atombombenversuche festgestellt. Offenbar sind weibliche Keimanlagen strahlenempfindlicher als männliche. Möglicherweise kann die Verschiebung der Geschlechtsrelation bei Geburt als ein biologischer Indikator für ionisierende Niedrigstrahlung angesehen werden.

Bezüglich der erhöhten Zahl der Krebserkrankungen regt die IPPNW an, der Bundesumweltminister möge das Deutsche Kinderkrebsregister (DKKR) in Mainz veranlassen, auch die bisher unter Verschluss gehaltenen Kinderkrebszahlen für die Asse-Umgebung zu veröffentlichen. Die Krebsregister für Erwachsene sind bei den Bundesländern angesiedelt, Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen werden bundesweit zentral nach Mainz gemeldet.

Ein aktuelles Factsheet "Geburten nach Geschlecht in Remlingen (Asse)/Niedersachsen/Deutschland 1971-2009, Zusammenstellung der Daten: Hagen Scherb/IPP/HMGU vom 5.12.10" kann angefordert werden.


Quelle:
Kusmierz R, Voigt K, Scherb H (2010):
Is the human sex odds at birth distorted in the vicinity of nuclear facilities (NF)? A preliminary geo-spatial-temporal approach.
In: Greve K, Cremers A B (Eds.): EnviroInfo 2010. Integration of Environmental Information in Europe. Proceedings of the 24th International Conference on Informatics for Environmental Protection. Cologne/Bonn, Germany: 616-626


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - vom 6. Dezember 2010
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges /
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
IPPNW-Geschäftsstelle, Körtestr. 10, 10967 Berlin
Sven Hessmann, Pressereferent
Tel. 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2010