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TRANSPLANTATION/448: Ablehnung von Angehörigen verschärft Organmangel (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Dienstag, 9. November 2010

Ablehnung von Angehörigen verschärft Organmangel


fzm - Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung steht der Organspende positiv gegenüber. Doch im Ernstfall scheitert jede zweite mögliche Organtransplantation an der fehlenden Zustimmung der Angehörigen. Dies zeigen die Ergebnisse einer Studie von Transplantationsmedizinern in der Fachzeitschrift 'DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift' (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2010).

In Deutschland gibt es zu wenige Menschen, die verfügen, dass nach ihrem Tod ihre Organe zur Transplantation entnommen werden können. Im Jahr 2009 waren es gerade einmal 1217. Durch Lebendspenden kann die Lücke nicht gefüllt werden, schreibt das Team um Privatdozent Dr. med. Gernot Kaiser vom Universitätsklinikum Essen. So sterben in Deutschland jedes Jahr etwa 1000 Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan.

Das Universitätsklinikum Essen hat einen Forschungs- und Behandlungsschwerpunkt in der Transplantationsmedizin und ist deshalb bemüht, das Organspenderpotenzial auszuschöpfen. Alle Patienten, die auf einer der zwölf Intensivstationen der Klinik an einer Hirnschädigung sterben, werden zentral erfasst und auf die Eignung zur Organspende hin untersucht.

Dabei sind die Regeln, die der Gesetzgeber und Bundesärztekammer bei Organspenden vorgeben, eindeutig: Zwei Ärzte müssen unabhängig voneinander feststellen, dass die Gesamtfunktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm unumkehrbar erloschen sind. Atmung und Kreislauf der Patienten werden bei potenziellen Organspendern nur noch durch eine kontrollierte Beatmung und eine intensivmedizinische Behandlung aufrechterhalten, erläutern die Autoren.

Aber nicht nur die strengen gesetzlichen Vorgaben begrenzen die Zahl der potenziellen Organspender: Von 424 Menschen, die in den Jahren 2006 bis 2008 an der Uniklinik Essen an einer Hirnschädigung starben, lagen bei lediglich 267 keine medizinischen Gründe vor, die gegen eine Organspende sprachen. Diese 267 Patienten litten nicht an Krebs, Tuberkulose oder an anderen potenziell übertragbaren Erkrankungen und ihre Organe waren nicht durch eine Erkrankung geschädigt. Bei 41 von ihnen lehnten Angehörige eine Organspende schon vor Feststellung des Hirntodes ab. Bei weiteren zwölf Verstorbenen waren die Angehörigen nicht erreichbar oder die Verstorbenen hatten sich in einer Patientenverfügung gegen die Organspende ausgesprochen.

68 Patienten, bei denen die Ärzte den Hirntod festgestellt hatten, kamen schließlich als Spender infrage. Doch auch nach Abschluss der Hirntoddiagnostik sprachen sich in 28 Fällen die Angehörigen im letzten Moment noch gegen die Organspende aus. Von 267 potenziellen Organspendern konnten schlussendlich nur bei 36 Verstorbenen Organe entnommen werden.

Insgesamt scheitere jede zweite potenzielle Organspende an der Ablehnung der Angehörigen, beklagen Dr. Kaiser und Co-Autoren. Dabei würden Umfragen zeigen, dass über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung dem Thema positiv gegenüber stehen. Laut einer Forsa-Umfrage sind zwei Drittel der Deutschen durchaus bereit, ihre Organe nach dem Tod zu spenden.

Für Dr. Kaiser kann die Zustimmungsrate im konkreten Fall nur durch mehr Information und Aufklärung gesteigert werden. Nur so ließen sich falsche Vorstellungen und Ängste im Zusammenhang mit Organspenden ausräumen.


G. M. Kaiser et al.:
Organspendeprozess an einem Krankenhaus mit Maximalversorgung.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2010; 135(42): S. 2065-2070

Im Internet:
Deutsche Stiftung Organtransplantation
http://www.dso.de/


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Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 9. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2010