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RAUCHEN/435: Zusammenhang zwischen Tabakrauch und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern (idw)


Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 03.12.2009

Studie belegt Zusammenhang zwischen Tabakrauch und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern


Neuherberg, 3.12.2009. Kinder, die während ihrer frühen Entwicklung Tabakrauch ausgesetzt sind, können bis zum Alter von etwa zehn Jahren Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Dies haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München zusammen mit Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität München im Rahmen der GINI-Plus-Studie herausgefunden. Besonders negativ macht sich der Einfluss des Tabakrauches während der Schwangerschaft bemerkbar. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Environmental Health Perspectives veröffentlicht.

"Wir konnten zeigen, dass Kinder, die während der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren Tabakrauch ausgesetzt sind, im Schulalter gehäuft Verhaltensauffälligkeiten entwickeln", sagt Dr. Joachim Heinrich vom Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München. Dabei macht es für die kindliche Entwicklung einen Unterschied, ob das Kind erst nach der Geburt oder schon während der vorgeburtlichen Entwicklung mit Tabakrauch konfrontiert wurde.

Kinder, die ausschließlich vor der Geburt durch Tabakrauch belastet wurden, haben der Studie zufolge ein 1,9-fach erhöhtes Risiko, Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln. Das Risiko bei Kindern, die erst nach der Geburt Tabakrauch exponiert waren, war immer noch um den Faktor 1,3 erhöht. Kinder, die sowohl vor als auch nach der Geburt in einer Raucherumgebung aufwuchsen, hatten ein 2-fach erhöhtes Risiko, Verhaltensauffälligkeiten zu entwickeln. Dazu zählen unter anderem Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizite, oder Störungen in der Beziehung mit Gleichaltrigen. Die Ergebnisse der Studie wurden sorgfältig mit der sozialen Lage der Familien abgeglichen. Ein Zusammenhang mit prekären Familienverhältnissen konnte ausgeschlossen werden.

In der GINI-plus-Studie begleiten Heinrich und seine Kollegen eine große Geburtenkohorte. Die Studie schließt 5991 Kinder ein, die zwischen 1995 und 1998 geboren wurden. Umfangreiche Folgestudien werden sich anschließen. Ein auf das Verhalten drei- bis 16jähriger Kinder ausgelegter standardisierter SDQ-Fragebogen (Strength and Difficulties Questionnaire) bewertet.

"Der Wert unserer Studie liegt nicht zuletzt in dem prospektiven Untersuchungsansatz und der umfassenden Befragung zu möglichen Belastungen der Ungeborenen, Säuglinge und Kinder zu verschiedenen Zeiten", berichtet Heinrich. Dies ermögliche es, die Auswirkungen vor- und nachgeburtlicher Rauchbelastung differenziert zu entschlüsseln.

Zur Absicherung ihrer Ergebnisse aus den Befragungen kontrollierten die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Erhebung auch den Gehalt an Nikotin in der Raumluft sowie Cotinin, einem Abbauprodukt von Nikotin, im Urin der teilnehmenden Kinder. "Die Übereinstimmung mit den Daten aus den Fragebögen lag bei über 93 Prozent", fasst Simon Rückinger, Erstautor der Studie, zusammen.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass Tabakrauch auch auf die Verhaltensentwicklung von Kindern wesentlichen Einfluss nimmt. Dabei spielt der Einfluss während der Schwangerschaft eine größere Rolle als die Belastung der Kinder nach dieser sensiblen Entwicklungsphase. Aber auch allein der Aufenthalt von Kindern in verrauchten Räumen ist mit einem erhöhten Risiko für Verhaltensauffälligkeiten verbunden.


Weitere Informationen

Originalpublikation:
Rückinger S, Rzehak P, Chen C-M, Sausenthaler S, Koletzko S, Bauer C-P, Hoffmann U, Kramer U, Berdel D, von Berg A, Bayer O, Wichmann H.-E., von Kries R, Heinrich J:
Prenatal and Postnatal Tobacco Exposure and Behavioural Problems in 10 Year Old Children: Results from the GINI-plus Prospective Birth Cohort Study
Environmental Health Perspectives
doi:10.1289/ehp.0901209

GINI: Die 1995 gestartete Studie GINI und ihre Follow up-Studie GINI plus (German Infant Study on the influence of Nutrition Intervention PLUS environmental and genetic influences on allergy development) untersuchen die Gesundheit von Kindern in Deutschland. Ziel der prospektiven Geburtskohortenstudie ist es, den Einfluss von Ernährung, Umwelteinflüssen und genetischer Prädisposition auf die Gesundheit von Kindern zu untersuchen. Etwa 6000 Kinder im Alter von ein bis zehn Jahren sind in die Studie einbezogen. Neben dem Helmholtz Zentrum München beteiligen sich die Ludwig-Maximilians-Universität München, die Technische Universität München sowie das Institut für Umweltmedizinische Forschung der Universität Düsseldorf an der groß angelegten Studie.

Das Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München beschäftigt sich mit methodischen Fragen der Quantifizierung kleiner Risiken, mit der Auswirkung von Partikeln und Luftschadstoffen auf die Lunge und das Herzkreislaufsystem sowie der regionalen Verteilung und Entwicklung von Atemwegserkrankungen und Allergien. Ein neuer Schwerpunkt des Instituts ist die molekulare Analyse von komplexen Erkrankungen (z.B. Asthma, Typ 2 Diabetes, Herzinfarkt). Zentrales Ziel ist es, die Rolle von Umwelteinflüssen und genetischen Veranlagungen auf die menschliche Gesundheit mit epidemiologischen Methoden zu untersuchen.

Das Helmholtz Zentrum München ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit insgesamt 26500 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.


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pressemitteilungen-2009/pressemitteilung-2009-detail/article/12552/9/index.html
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit
und Umwelt, Michael van den Heuvel, 03.12.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2009