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FORSCHUNG/1973: Nur Licht und Wasser reichen zur Hautverjüngung (uni ulm intern)


uni ulm intern, Nr. 296, Februar 2009 - Das Ulmer Universitätsmagazin

Goldgrube auf Diamant gefunden
Nur Licht und Wasser reichen zur Hautverjüngung

Von Dr. Andrei Sommer


Es kommt selten vor, dass Wissenschaftler eigene innovative Ideen und Modelle in Produkte oder Anwendungen umsetzen. Was Andrei Sommer und Dan Zhu in der unvorstellbar kurzen Zeit von einem Jahr am Institut für Mikro- und Nanomaterialien der Universität Ulm realisiert haben, verdient Beachtung: Zunächst zeigten die Forscher, dass Wassermoleküle auf hydrophoben Materialien kristallartig strukturierte Schichten bilden. So auch auf Biomaterialien, einschließlich natürlichem und synthetischem (nanokristallinen) Diamant. Untersuchungen zur Wirkung von Licht auf diese Schichten inspirierten ein neues, auf Diamant basierendes Ursprung des Lebens Paradigma.


Die grundlegende Bedeutung der Ergebnisse regte bereits früh zur systematischen Suche nach praktischen Anwendungen an: In der ersten zeigten die Forscher, dass sich die Gesichtshaut bei wiederholter Lichtbestrahlung verjüngen lässt.

In der zweiten gelangten sie zu einer potenten Heuschnupfentherapie. Die dritte betrifft die Entdeckung einer biomimetischen Struktur auf Diamantsubstraten, auf denen Lichtbestrahlung eine akzelerierte Vermehrung von Stammzellzellen bewirkt.


Diamant - Ursprung des Lebens Plattform

Höchste Ordnung und Stabilität zeigten Wasserschichten auf Diamantoberflächen, welche mit Wasserstoff terminiert wurden. Die Terminierung erfolgt in einem Hochtemperatur-Prozess. Bekanntlich produzieren Vulkane zahlreiche heiße Gase, so auch Wasserstoff. In Anbetracht des Alters von Diamant (Diamanten sind älter als früheste Lebensformen auf der Erde) und hoher Vulkanaktivität erschien die Präsenz von wasserstoffterminierten Diamanten auf einer frühen Erde wahrscheinlich. Die damit verbundene Präexistenz einer stabilen molekularen Ordnung und deren mögliche Übertragung auf präbiotische Moleküle führte zu einem Quantensprung in den von Unsicherheiten vernebelten Ursprung des Lebens Modellen: Demnach könnte die Polymerisation erster biologischer Moleküle auf der Erde auf Diamant stattgefunden haben.

Die renommierten Zeitschrift Crystal Growth & Design berichtete von der Arbeit im August 2008 (uni ulm intern Nr. 293, 38. Jg.) und widmete ihr im September ein repräsentatives Titelbild als synoptische Darstellung: Präbiotische Monomere, zum Beispiel Aminosäuren, synthetisiert auf der Erde oder aus dem Weltraum stammend landen auf Diamanten, die durch Wasserstoff vulkanischen Ursprungs, hydrogenisiert wurden.

Das Wechselspiel von Feuchte, die den Grad der Kristallinität der Wasserschicht auf wasserstoffterminierten Diamant ändert (Cryst. Growth Des. 2007, 7, 2298) und periodische Variationen in Temperatur und Sonnenintensität, modulieren die Organisation der Wasserschicht.

Nebst Ordnungsübertragung erscheinen erste Licht- und Energiekonversionsprozesse (Cryst. Growth Des. 2008, 8, 2628). Das neue Ursprung des Lebens Modell wurde zunächst für die Polymerisation von Aminosäuren formuliert. Gemäß Wissenschaftlern der Universität Marburg könnte es auch der Erklärung der Bildung erster DNS-Formen dienen (Astrobiology Magazine, September 2008).


Hautverjüngung: Nur Licht und Wasser

Im November 2008 berichtete Crystal Growth & Design von einem Selbstversuch, bei dem die Gesichtshaut über einen Zeitraum von zehn Monaten einmal täglich mit Licht bestrahlt wurde. Auch diesmal widmete die Zeitschrift der Arbeit ein Titelbild. Grundlage war ein auf Laborexperimenten basierendes Modell, das die Reversibilität von Strukturänderungen, welche im Laufe von progressiven physiologischen Alterungsprozessen die Funktionalität der Elastinfasern einschränken, erwarten ließ.

Das Protein Elastin verleiht der Haut, dem Herzen, den Arterien und weiteren Organen Elastizität. Junges Elastin ist hydrophob - degeneriertes Elastin ist jedoch durch Ablagerungen hydrophil funktionalisiert und daher von einer viskösen Wasserschicht umgeben, welche die Funktionen der elastischen Fasern hemmt. Wellenlänge, Intensität und Dosis des für die Bestrahlung verwendeten Lichts entsprachen Werten, welche die molekulare Ordnung des Wassers auf Oberflächen ändern.

Gleichzeitig befanden sich Wellenlänge, Intensität und Dosis innerhalb biologisch wirksamer Fenster. Die Bestrahlung erfolgte mit einem Leuchtdiodensystem, das ursprünglich von der NASA entwickelt wurde. Da die Grundlagen der Methode prinzipiell gewebeunabhängig sind, sollten die in der Haut erzielten Verjungungsprozesse auch für tiefere Gewebsschichten gelten (insbesondere in Arterien und Organen) und sich relativ einfach realisieren lassen, etwa durch Anwendung von Laserlicht.


Heuschnupfentherapie: Therapie mit Licht

Während der Langzeitstudie, die im November 2007 startete, bemerkten die Forscher, dass die intensiven Heuschnupfensymptome, die bei der Testperson alle Jahre regelmäßig auftraten, im Frühjahr 2008 völlig fehlten.

Ganz unerwartet war dieser photomedizinische Effekt nicht: 1991 berichteten spanische Forscher von der progressiven Abnahme der Zahl der Mastzellen in der Nasenschleimhaut von Kaninchen nach wiederholter Stimulation mit rotem Laserlicht. Heuschnupfen wird durch die Freisetzung von Histamin ausgelöst - und Histamin wird im wesentlichen von Mastzellen produziert. Weniger Mastzellen bedeutet aber weniger Histamin. Das Ergebnis der Studie (Journal of Bionic Engineering, Dezember 2008) dürfte vor allem bei Krankenkassen auf ein hohes Maß an Interesse stoßen: Alleine in Deutschland leiden mehr als 20 Prozent der Bevölkerung unter Heuschnupfen und die Tendenz ist steigend. Die Zahl der Pollenallergien nimmt zu - weltweit wegen der Klima Erwärmung und in einigen Gebieten noch zusätzlich verstärkt durch Fein- und Ultrafeinpartikel in der Luft.


Diamant - Bioinerte Wachstumsplattform für Stammzellen

Untersuchungen, bei denen die Ulmer Forscher P19 Zellen (eine pluripotente Maus-Zelllinie) auf biomimetisch strukturierten nanokristallinen Diamantsubstraten mit Laserlicht bestrahlten (Bestrahlungsparameter innerhalb der biologisch wirksamen Fenster), zeigten, dass das Licht auf diesen Substraten zu einer unerwartet hohen Vermehrungsrate dieser Stammzellen führt. Das Ergebnis könnte in der Zukunft klinische Relevanz erhalten, etwa in Situationen, in denen eine größere Menge Stammzellen schnell benötigt wird, aber zunächst nur eine kleine Menge vorhanden ist. Aus nanokristallinem Diamant hergestellte Substrate könnten in der Stammzellenforschung aber auch aus einem anderen Grund große Bedeutung gewinnen: Diamant ist ein Biomaterial von einzigartiger Biokompatibilität - und absolut bioinert.

Durch eine präzise einstellbare Mikro- und Nanostruktur sowie geeignete Terminierung lassen sich besondere biomimetische Strukturen konstruieren - potentielle Stammzellennischen, in denen die Wirkung des Substrats auf die Stammzellen gleichbleibend und sehr genau definierbar ist. Damit könnten die einzelnen Determinanten einer Stammzellennische systematisch adaptiert werden.


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Quelle:
uni ulm intern, Nr. 296 (39. Jg.), Februar 2009, S. 32-33
Herausgeber: Universität Ulm, Pressestelle
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uni ulm intern erscheint sechsmal pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2009