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ETHIK/864: Ressourcen anders verteilen (medico international)


medico international - rundschreiben 03/10

Ressourcen anders verteilen

Von Knut Lambertin, Deutscher Gewerkschaftsbund, Berlin


Gesundheit ist als öffentliches Gut zu betrachten oder muss als öffentliches Gut betrachtet werden - soweit das Prinzip. Doch was heißt das für die verschiedenen Regionen unserer Welt. Im globalen Süden sind viele unserer Mitmenschen ganz ausgeschlossen oder abgehängt von guter Gesundheitsversorgung.

Verteilungsungerechtigkeiten zwischen Arm und Reich sind das Kernproblem. Auch im globalen Norden ist die Verteilungsungerechtigkeit das größte Problem. Wenn auch auf anderem Niveau. Wir haben in Deutschland oder in der nördlichen Hemisphäre in langen sozialen Auseinandersetzungen erreicht, dass Sozialstaaten mit verfassten sozialen Rechten etabliert wurden. Die Rechte sind gesetzlich verankert. Aber was nutzen uns diese verbrieften Rechte, wenn unsere Gesundheitsversorgung zunehmend ausgehöhlt wird.

Wir haben in Deutschland, wie auch in den übrigen nördlichen Ländern, einen Trend zur Privatisierung von Leistungen und Kostenverlagerung. Was früher solidarisch aufgebracht wurde oder durch die öffentliche Hand finanziert wurde, wird zunehmend dem privaten Haushalt, dem einzelnen Menschen überantwortet. Ich nenne nur die Stichworte Kopfpauschale, Gesundheitsprämie oder, wie es die jetzige Bundesregierung in ihrer neuen Gesundheitsreform bezeichnet, einkommensunabhängige Zusatzbeiträge.

Gesundheit als öffentliches Gut, was ist das? Konkret heißt das, dass Marktgesetze in diesem Bereich nicht dominant werden dürfen. Der Wettbewerb darf nicht das wichtigste Steuerelement sein. Gegenstand unserer Diskussionen über menschenwürdige und gute Gesundheitsversorgung darf nicht sein, womit kann ich am meisten verdienen oder wie kann ich meine Kosten am besten reduzieren. Gegenstand unserer Diskussionen, auch weltweit, muss sein, was der Mensch für eine gute Gesundheitsversorgung braucht, wie kann ihm am besten dabei geholfen werden und wie können die notwendigen Ressourcen organisiert werden. Denn dass die Ressourcen da sind, das wissen wir, sie müssen nur anders verteilt werden.

Wir als Gewerkschaften stellen nicht nur Forderungen gegenüber den einzelnen Regierungen, sondern wir versuchen auch mit internationalen Organisationen, an denen wir beteiligt sind, weltweite, solidarische Sozialsysteme durchzusetzen. Unsere tägliche Auseinandersetzung ist nicht nur im Betrieb. Wir müssen die Verteilungsauseinandersetzungen auch dafür nutzen Gesundheit als öffentliches Gut weiter lebendig zu halten, das Niveau zu verbessern und weltweit durchzusetzen.


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Quelle:
medico international - rundschreiben 03/10, Seite 37
Herausgeber: medico international, Burgstraße 106
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2010