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RAUCHEN/534: Forschung - Auch geringer Tabakkonsum erhöht Krebsrisiko (idw)


Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 03.03.2017

Auch geringer Tabakkonsum erhöht Krebsrisiko

Zellen passen sich auf Kosten eines erhöhten Mutationsrisikos an das Umweltkarzinogen Benzpyren an


Schon eine niedrige Dosis des im Tabakrauch enthaltenen Umweltgiftes Benzpyren schädigt die DNA. Wie Wissenschaftler des Instituts für Toxikologie an der Universitätsmedizin Mainz nun erstmalig nachgewiesen haben, können sich die geschädigten Zellen jedoch an diesen Schaden anpassen. Allerdings geht diese Anpassung mit einem erhöhten Mutationsrisiko der Zellen einher. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Krebserkrankung entwickelt. Für Raucher bedeutet diese Erkenntnis, dass sie selbst bei geringem Zigarettenkonsum ihr Risiko erhöhen, an Krebs zu erkranken. Die Forschungsergebnisse der Mainzer Wissenschaftler wurden jüngst in der namhaften Fachzeitschrift "Nucleic Acids Research" veröffentlicht.

Damit körpereigene Prozesse ungestört funktionieren können und ein Individuum überleben kann, ist es wichtig, dass dessen Erbgut und somit die Erbinformationen unversehrt erhalten bleiben. Das Erbgut, die DNA, kann jedoch durch krebserregende Umweltgifte, sogenannte Karzinogene, schwerwiegende Schäden erleiden. Um diesen entgegenzuwirken, hat die Zelle spezielle DNA-Reparaturmechanismen entwickelt.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Umweltgift Benzpyren, ein krebserregender Stoff, der auch im Tabakrauch enthalten ist, die DNA schädigt. Wie reagieren Zellen auf diese DNA-Schäden? Können sie die Schäden reparieren und die Reparatur bei Bedarf verstärken? Und welche Auswirkungen hat dies auf das Überleben der Zelle? Das waren Fragen, die Wissenschaftler des Instituts für Toxikologie der Universitätsmedizin Mainz in der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof. Dr. Markus Christmann untersucht haben. Im Rahmen ihrer Studie "Adaptive upregulation of DNA repair genes following benzo(a)pyrene diol epoxide protects against cell death at the expense of mutations" richteten die Forscher ihr Augenmerk vor allem auf die adaptive Aktivierung bestimmter DNA-Reparaturprozesse.

Wenn eine Zelle viele DNA-Schäden erleidet, beispielsweise weil sie einer hohen Konzentration eines Karzinogens ausgesetzt ist, dann ist es ihr möglich, quasi Selbstmord zu begehen, indem sie den programmierten Zelltod einleitet. Dadurch kann sich die stark geschädigte Zelle nicht mehr vermehren und vor allem keinen weiteren Schaden anrichten, wie beispielsweise einen Tumor auszubilden.

Was passiert in der Zelle, wenn sie hingegen nur mit geringen Mengen an toxischen Substanzen wie Benzpyren in Kontakt kommt? Dann wird die DNA-Reparatur aktiviert. Wie von Christmann und seiner Arbeitsgruppe richtig vermutet, konnten sie als Reaktion auf eine niedrige Menge der toxischen Substanz Benzpyren eine Aktivierung der sogenannten Nukleotid-Exzisionsreparatur beobachten. Bei dieser werden DNA-Bausteine um den Schaden herum sowie der Schaden selbst entfernt. Durch Ablesen der Erbinformation auf dem intakten DNA-Strang wird der geschädigte DNA-Bereich neu synthetisiert. Die Zelle kann so weiterleben, ihre DNA duplizieren und sich wieder teilen. Im Rahmen der Studie zeigte sich, dass die Zellen aufgrund der verstärkten, durch den Schadstoff Benzpyren induzierten DNA-Reparatur besser vor der toxischen Wirkung dieses Karzinogens geschützt sind.

Nicht Teil der Forschungshypothese war jedoch ein weiterer, in der Zelle beobachteter Prozess: Auch die Transläsionssynthese setzte verstärkt ein. Bei diesem fälschlicherweise mitunter auch als DNA-Reparatur bezeichneten Vorgang versucht die Zelle, mit nicht entfernten DNA-Schäden, zurechtzukommen, indem Enzyme während der DNA-Replikation über diese DNA-Schäden hinweg lesen. Auf diese Weise werden in der DNA verbliebene Schäden toleriert. Dies ist eine besondere Situation für die Zelle, die für sie allerdings vorteilhaft ist: Der Mechanismus fördert das Überleben der Zelle, denn es gibt keine Brüche in der DNA und die Zelle kann sich weiter vermehren. Dieser Vorgang der Schadentoleranz ist jedoch häufig mit Fehlern behaftet. Und tatsächlich konnte das Team um Professor Christmann nachweisen, dass Zellen, die die Behandlung mit Benzpyren überleben, vermehrt Mutationen aufweisen. Da Krebs auf Mutationen des Erbguts beruht, steigt damit zwangsläufig das Tumorrisiko.

Interessant ist, dass bei der Verstärkung der DNA-Reparatur ein als Tumorsuppressor bekanntes Protein, nämlich p53, involviert ist. Dieses Protein entscheidet bei der DNA-Schädigung häufig zwischen Leben und Tod der Zelle. Benzpyren regt p53 an, die DNA-Reparatur zu stimulieren und ebenso die Transläsionssynthese der geschädigten DNA zu verstärken. Mit diesen Erkenntnissen ist es den Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mainz gelungen, die Regulation der adaptiven DNA-Reparatur in Zellen, die mit einem Umweltgift wie Benzpyren in Kontakt kamen, erstmalig aufzuklären.

Die Aktivierung dieser DNA-Reparaturprozesse beobachteten die Wissenschaftler nicht nur in menschlichen Zellkulturen, sondern auch in Zellen der Mundschleimhaut von Rauchern. Das bedeutet, dass die Zellen ihrer Mundschleimhaut und wahrscheinlich auch die ihres Lungengewebes der toxischen Schädigung durch Karzinogene adaptiv entgegenwirken und sich folglich anpassen können. Doch der Preis hierfür ist hoch: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich in ihrem Körper ein Tumor entwickelt.

Weitere Informationen:
Christmann et al., Adaptive upregulation of DNA repair genes following benzo(a)pyrene diol epoxide protects against cell death at the expense of mutations, Nucleic Acids Research, 44 (22), 10727-10743; DOI:
https://doi.org/10.1093/nar/gkw873

Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Markus Christmann
Institut für Toxikologie der Universitätsmedizin
E-Mail: mchristm@uni-mainz.de

Univ.-Prof. Dr. Bernd Kaina
Leiter des Instituts für Toxikologie der Universitätsmedizin
E-Mail: kaina@uni-mainz.de

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter
www.unimedizin-mainz.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1431

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Barbara Reinke M.A., 03.03.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2017

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