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MELDUNG/794: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 04.12.14 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung:
      Start des neuen Patientenregisters zur Kardiomyopathie
→  Der European Research Council bewilligt 1,5 Mio. Euro
      für Leukämieforschung am Georg-Speyer-Haus, Frankfurt am Main
→  Uniklinikum Würzburg: Zentrum für Seltene Erkrankungen gegründet



Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. - 02.12.2014

DZHK schließt ersten Patienten in Register für Herzmuskelerkrankungen ein

Am Universitätsklinikum Heidelberg ist ein vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) finanziertes Patientenregister zur Kardiomyopathie gestartet. Das Register wird in den nächsten zwei Jahren Daten und Biomaterialproben von 2.300 Patienten aus ganz Deutschland sammeln.

In das Register werden Patienten eingeschlossen, deren Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie) nicht auf einen Herzinfarkt zurückgeht, sondern andere Ursachen hat. Das kann beispielsweise eine angeborene Herzmuskelerkrankung oder auch eine Entzündung des Herzmuskels sein. Über die molekularen Ursachen dieser Erkrankungen ist noch zu wenig bekannt, die Ärzte behandeln derzeit nur die Symptome. Die Daten des Registers sollen helfen, krankheitsbezogene molekulare Veränderungen in den Proben der Patienten zu identifizieren. Mit diesem Wissen können Forscher dann neue Therapien und Diagnoseverfahren entwickeln.

Initiiert hat das deutschlandweite Register "Translational Registry for Cardiomyopathies - TORCH" Prof. Hugo Katus, DZHK-Wissenschaftler und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie am Universitätsklinik Heidelberg. Hier wurde am 1. Dezember 2014 auch der erste Patient eingeschlossen. Die Studienzentrale des Registers setzt sich aus dem klinisch-wissenschaftlichen Projektzentrum in Heidelberg und dem Daten- und Qualitätszentrum am Institut für Community Medicine, Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health, in Greifswald zusammen.

Neben den 14 Universitätskliniken der sieben DZHK-Standorte werden weitere Kliniken Patienten in das Register einschließen. "Um wirklich gesicherte Aussagen über molekulare Mechanismen der Erkrankungen treffen zu können, brauchen wir eine große Zahl an Patienten und müssen deshalb viele Kliniken beteiligen ", sagt DZHK-Vorstandssprecher Thomas Eschenhagen. Damit solche multizentrischen Studien in der akademischen kardiovaskulären Forschung überhaupt möglich sind, hat sich das DZHK in einem aufwändigen Verfahren eine DZHK-eigene Infrastruktur und einheitliche Regeln und Vorschriften geschaffen. Nach diesen werden in Zukunft alle DZHK-Studien und Register Patienten einschließen. Auf diese Weise können die Daten über die konkreten Studien hinaus auch für andere wissenschaftliche Fragestellungen genutzt werden, auch für solche, die sich erst in der Zukunft ergeben.

Die Daten aus dieser und weiteren DZHK-Studien stehen prinzipiell allen Forscherinnen und Forschern offen. Die Nutzung wird durch die DZHK-Nutzungsordnung geregelt. Die Bioproben werden unter vom DZHK vorgeschriebenen Bedingungen dezentral an den sich beteiligenden DZHK-Zentren gelagert, sämtliche Daten der Proben und Patienten werden zentral an den DZHK-Standorten Göttingen (Zentrales Datenmanagement) und Greifswald (Treuhandstelle) gespeichert und verwaltet. In Kürze werden zwei weitere DZHK-Studien die ersten Patienten einschließen.

Die Studienzentrale koordiniert die Initiierung weiterer DZHK-interner und -externer einschließender Studienzentren. Operativer Kontakt: Privatdozent Dr. Andreas Dösch, Universitätsklinkum Heidelberg, Abteilung für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, E-Mail: Torch.Register@med.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1758

Quelle: Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V., Christine Vollgraf, 02.12.2014

Raute

Georg-Speyer-Haus - 02.12.2014

ERC bewilligt 1,5 Mio. Euro für Leukämieforschung am Georg-Speyer-Haus, Frankfurt am Main

Der European Research Council (ERC) hat Dr. Hind Medyouf für ihr zukunftsweisendes Projekt zur Entstehung von Leukämien mit dem renommierten Starting Grant ausgezeichnet. Die junge Forscherin, die seit Oktober diesen Jahres ihre Arbeitsgruppe am Georg-Speyer-Haus aufbaut, beschäftigt sich mit der so genannten Stammzellnische im Knochenmark. Diese unmittelbare Umgebung der blutbildenden Zellen, die auch Mikroumgebung oder Mikroenvironment genannt wird, hat nach Vorarbeiten von Dr. Medyouf einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung und das Überleben von krankhaft veränderten Blutstammzellen und damit auf die Entstehung von Blutkrebs und dafür präsdisponierenden Syndromen.

Der Schwerpunkt des ERC-geförderten Projekts liegt auf der Erforschung der Rolle der Stammzellnische bei sogenannten Myelodysplastischen Syndromen (MDS), einer uneinheitlichen Gruppe von Erkrankungen des blutbildenden Systems, die von krankhaft veränderten Blutstammzellen ausgehen und bei denen nicht genügend reife Blutzellen gebildet werden. Die Patienten, bei denen es sich vor allem um ältere Menschen handelt, benötigen häufige Bluttransfusionen, was zu Komplikationen, wie z. B. einer Eisenanreicherung im Körper, führen kann. MDS können bis zum völligen Versagen des Knochenmarks fortschreiten oder sich zu einer Leukämie entwickeln. Eine Heilungschance bietet derzeit nur eine Stammzelltransplantation. Diese Option besteht aber nur für jüngere Patienten, für die ein geeigneter Spender gefunden werden kann - und damit für weniger als 10% der MDS-Patienten.

Dr. Hind Medyouf hat kürzlich herausgefunden, dass zwischen den MDS-Blutstammzellen und den sie umgebenden Stroma-Zellen des Knochenmarks, welche die Mikroumgebung, die so genannte "Nische", bilden, ein komplexes Zusammenspiel besteht. Dieses Zusammenspiel soll in dem ERC-geförderten Projekt in den nächsten fünf Jahren auf molekularer und auf funktioneller Ebene weiter entschlüsselt werden. Da die Nischenzellen offenbar eine entscheidende Bedeutung für die Stammzellfunktion haben, könnten krankhaft veränderte Stammzellen auch durch Entzug der Unterstützung durch ihre Nische therapeutisch beeinflusst werden. Solche künftigen, auf die Nischenfunktion abzielenden Therapien könnten auch helfen, die Regeneration der Blutbildung nach einer Stammzelltransplantation zu verbessern. Das übergeordnete Ziel des Vorhabens ist es, bösartige Erkrankungen des Blutsystems auf zellulärer und molekularer Ebene besser zu verstehen und aufgrund dieser Erkenntnisse neue Therapien zu entwickeln um die Lebensqualität und Überlebensdauer von Patienten mit Blutkrebs zu verbessern.

"Wir freuen uns natürlich sehr über diese Entscheidung des ERC und fühlen uns durch die Auszeichnung sehr geehrt", sagt Dr. Medyouf. "Mit dem bewilligten Geld können wir neue Stellen für junge Forscher einrichten und diesen ein exzellentes Forschungsumfeld bieten, in dem sie ihre Forschungsziele erreichen können."

Dr. Hind Medyouf promovierte im Fach "Biologie und Biotechnologie" an der Paris VII Universität (Frankreich). In ihrer Doktorarbeit konnte sie eine entscheidende Rolle des Calcineurin/N-FAT Signalwegs in der akuten lymphoblastischen T-Zell-Leukämie (T-ALL) bei Kindern nachweisen (Nature Medicine, 2007). 2008 wechselte sie als Postdoktorandin an das Terry Fox Labor in Vancouver, Kanada, wo sie eine wichtige Rolle des IGF/PI3K/AKT Signalachse in der Aufrechterhaltung der T-Zell-Leukämie zeigen konnte (JEM, 2011; Blood, 2010). 2010 kehrte sie mit einem EMBO Fellowship Grant nach Deutschland zurück, um am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg die Rolle der Mikroumgebung im Knochenmark bei Myelodysplastischen Syndromen zu untersuchen. Dr. Medyouf ist derzeit Arbeitsgruppenleiterin am Georg-Speyer-Haus und Inhaberin eines José Carreras Career Award.

Das Georg-Speyer-Haus wurde im Jahr 1906 von der Frankfurter Bürgerin und Mäzenin Franziska Speyer zum Andenken an ihren verstorbenen Mann als gemeinnützige Stiftung gegründet. Sein erster Direktor, der Nobelpreisträger Paul Ehrlich, erarbeitete hier die Grundlagen der modernen Wirkstoff-Forschung. Die Grundfinanzierung des Georg-Speyer-Hauses wird zu gleichen Teilen durch das Land Hessen (HMWK) und den Bund (BMG) getragen.

Kontakt:

Christine Kost
Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie
Paul-Ehrlich-Straße 42 - 44
60596 Frankfurt
kost@gsh.uni-frankfurt.de

Dr. Hind Medyouf
Georg-Speyer-Haus
Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie
Paul-Ehrlich-Straß 42-44
60596 Frankfurt
E-mail: Medyouf@gsh.uni-frankfurt.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.georg-speyer-haus.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution792

Quelle: Georg-Speyer-Haus, Christine Kost, 02.12.2014

Raute

Universitätsklinikum Würzburg - 03.12.2014

Zentrum für Seltene Erkrankungen gegründet

Am 1. Dezember 2014 wurde am Uniklinikum Würzburg das Zentrum für Seltene Erkrankungen - Referenzzentrum Nordbayern gegründet. Die neue Organisationsstruktur soll Betroffenen dabei helfen, noch schneller und effizienter zu einer qualifizierten Diagnostik, Therapie und Betreuung zu kommen.

Laut Definition gilt in Europa eine Krankheit dann als selten, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. In Deutschland leben über vier Millionen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung. Die meist komplexen Krankheitsbilder verlaufen überwiegend chronisch. Etwa 80 Prozent der bis zu 8.000 bekannten Seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt und meist nicht heilbar. Es gibt jedoch oft Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen. Um den Betroffenen in Zukunft noch besser helfen zu können, bündelt und fördert das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) seine in allen klinischen Bereichen vorhandenen Expertisen jetzt in einem Zentrum für Seltene Erkrankungen - Referenzzentrum Nordbayern (ZESE).

Im Ärzteteam schneller zur richtige Diagnose

Bei der Gründungsveranstaltung am 1. Dezember dieses Jahres unter Leitung des Gründungsprechers des ZESE Prof. Dr. Helge Hebestreit (Kinderarzt) wurden als weitere Vorstandsmitglieder Prof. Dr. Thomas Haaf (Humangenetiker) und Dr. Tilmann Schweitzer (Kinderneurochirurg) in den Vorstand gewählt. Weitere Vorstandsmitglieder sind Prof. Dr. Christoph Reiners, der Ärztliche Direktor, Anja Simon, die Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums sowie der Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Dr. Matthias Frosch.

"Unser Ziel ist es, mit strukturierten Abläufen auch in Zusammenarbeit mit den anderen Zentren für Seltene Erkrankungen in Deutschland den Betroffenen noch schneller zur richtigen Diagnose und zur bestmöglichen Behandlung zu verhelfen. Dazu werden zum Beispiel in Fallkonferenzen multidisziplinäre Spezialistenteams eng zusammenarbeiten", schildert Prof. Hebestreit, selbst ein bundesweit bekannter Experte für die seltene Erkrankung Mukoviszidose. Interdisziplinarität ist bei Seltenen Erkrankungen besonders essentiell, da viele von ihnen mehrere Organsysteme betreffen.

Weitere hilfreiche Berufsgruppen im Boot

"Leider gibt es nicht für jede dieser Krankheiten im Moment eine effektive Therapie. Umso mehr sind weitere Unterstützungsangebote gefragt, angefangen bei der Antragstellung an die Krankenkassen, über die psychologische Betreuung der Betroffenen und ihrer Angehörigen bis hin zur genetischen Beratung", weiß Prof. Hebestreit. Deshalb gehören zum ZESE auch viele nicht-ärztliche Berufsgruppen wie Psychologen, Sozialarbeiter, Physiotherapeuten und Ernährungsberater.

Forschung vereinfachen, Lehre erweitern

Weiterhin soll das Zentrum die aufgrund der geringen Fallzahlen vielfach schwierige Forschung vereinfachen. Prof. Hebestreit: "Dabei können wir unter anderem die im vergangenen Jahr am UKW eröffnete Interdisziplinäre Biomaterial- und Datenbank nutzen ein weiteres Beispiel dafür, wie über die Zentrumsstruktur schon vorhandene Einrichtungen noch besser zum Vorteil der Patienten eingesetzt werden können." Neben der Grundlagenforschung und der Entwicklung neuer Therapien müsse sich die Forschung zu Seltenen Erkrankungen laut dem Zentrumssprecher auch immer mit der Frage beschäftigen, wie die Versorgung der Betroffenen über oft große Distanzen und bei limitierten Ressourcen garantiert werden kann. Nicht zuletzt wird das Zentrum auf das Lehrangebot ausstrahlen, das schon jetzt verstärkt Seltene Erkrankungen ins Visier nimmt. "Beispielsweise gibt es in Würzburg seit diesem Semester ein neues Wahlpflichtfach zu Seltene Erkrankungen", berichtet Prof. Hebestreit.

Teil des NAMSE-Prozesses

Mit der Einrichtung des ZESE reiht sich das Uniklinikum Würzburg in einen bundesweiten Prozess ein, denn Zentrenbildung zählt zu den zentralen Forderungen eines im vergangenen Jahr veröffentlichten Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen.

Dahinter steht das im Jahr 2010 von Bundesgesundheitsministerium, Bundesforschungsministerium und der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen gegründete Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE). Ziel des NAMSE ist es, durch gemeinsames Handeln dazu beizutragen, die Lebenssituation jedes einzelnen Menschen mit einer Seltenen Erkrankung zu verbessern.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1764

Quelle: Universitätsklinikum Würzburg, Susanne Just, 03.12.2014

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2014


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