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MELDUNG/522: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 13.03.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Zelluläre Signalprozesse besser verstehen.
      Charité - Wissenschaftler entwickeln neues Verfahren
→  Krankenhaushygiene: Neue Akademie in Münster bildet dringend benötigte Fachärzte aus


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Charité-Universitätsmedizin Berlin - 12.03.2012

Zelluläre Signalprozesse besser verstehen

Charité - Wissenschaftler entwickeln neues Verfahren

Wissenschaftler der Charité - Universitätsmedizin Berlin und der amerikanischen Gesundheitsforschungsbehörde National Institutes of Health (NIH) haben ein realitätsnahes Modell zur Erklärung zellulärer Signalprozesse entwickelt. Dieses neue Verfahren soll nun zur systembiologischen Analyse der Funktion von Herzmuskelzellen und zur Modellierung bestimmter Daten aus Tumorgewebe von Lungenkrebspatienten eingesetzt werden. Die Ergebnisse der Arbeit sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Methods* veröffentlicht.

Die Stoffwechsel- und Regulationswege der Zelle sind durch eine große Anzahl interagierender Komponenten gekennzeichnet. Um diese komplexen Systeme besser zu verstehen und Vorhersagen über das ganzheitliche Verhalten biologischer Systeme machen zu können, bedarf es der detaillierten mathematischen Beschreibung der zellulären Vorgänge. In ihrer Arbeit stellen die Wissenschaftler nun ein neuartiges Verfahren zur Modellierung und Simulation von zellulären Signalprozessen vor. Mit der beschriebenen Methode ist es erstmals möglich, dynamische biochemische und morphologische Veränderungen realistisch miteinander zu koppeln. Dies erlaubt es, aus Experimenten gewonnene biologische Erkenntnisse, beispielsweise über das Zusammenspiel einzelner Moleküle, realitätsnah in Computermodelle zu übersetzen. "Ein weiterer Vorteil unserer Methode ist die Anwenderfreundlichkeit der Software. Sie erlaubt es auch Medizinern und Biologen ohne mathematisch-physikalische Kenntnisse, komplexe biologische Modelle zu entwerfen oder zu modifizieren", erläutert Dr. Frederick Klauschen vom Institut für Pathologie der Charite.

Mit diesen Modellen können dann am Computer Experimente durchgeführt werden, die es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglichen, Gedankenmodelle und Hypothesen über die Funktionsweise von physiologischen und pathologischen Prozessen zu testen. Beispielsweise kann man auf diese Weise nachvollziehen, was mit dem modellierten Signalnetzwerk in einer Zelle passiert, wenn man ein einzelnes Molekül verändert (mutiert).

So kann das Verfahren in Zukunft einen wertvollen Beitrag zur "personalisierten Medizin" leisten, indem es die Ergebnisse der molekularpathologischen Diagnostik in einen systembiologischen Ansatz integriert und so ein besseres Verständnis der pathologischen Veränderungen erlaubt.

* Angermann BR, Klauschen F, Garcia AD, Prustel T, Zhang F, Germain RN, Meier-Schellersheim M.
Computational modeling of cellular signaling processes embedded into dynamic spatial contexts.
Nat Methods. 2012 Jan 29;9(3):283-9.
doi:10.1038/nmeth.1861.
PubMed PMID: 22286385.

Kontakt:
Dr. Frederick Klauschen
Institut für Pathologie/CCM
Charité - Universitätsmedizin Berlin
frederick.klauschen[at]charite.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.nature.com/nmeth/journal/v9/n3/full/nmeth.1861.html
(Link zur Publikation)
http://www.nature.com/nmeth/journal/v9/n3/covers/index.html
(Coverbild Nature Methods)

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image165217
Eine simulierte Zelle baut einen Kontakt mit einer benachbarten Zelle (nicht im Bild) auf. Die Simulation zeigt die dynamische Verteilung des den Zellkontakt vermittelnden Proteins E-cadherin auf der Zellmembran über 1h (blau: niedrige, rot: hohe Konzentration).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution318

Quelle: Charité-Universitätsmedizin Berlin, Dr. Julia Biederlack, 12.03.2012


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Universitätsklinikum Münster - 12.03.2012

Krankenhaushygiene - Neue Akademie in Münster bildet dringend benötigte Fachärzte aus

Prof. Karch: "Wir brauchen dringend Nachwuchs" / Forschung soll weiter intensiviert werden / Erstes Weiterbildungszentrum dieser Art in Deutschland

Münster (ukm/dre). Das Universitätsklinikum Münster (UKM) und die Medizinische Fakultät Münster verstärken die Ausbildung von dringend benötigten Fachärzten für Hygiene und Umweltmedizin für die Krankenhaushygiene in Deutschland.
Am Institut für Hygiene in Münster wurde jetzt mit der "Westfälischen Akademie für Krankenhaushygiene" das erste strukturierte Weiterbildungszentrum dieser Art für angehende Fachärzte auf diesem Gebiet in Deutschland gegründet. "Damit wollen wir gezielt den Nachwuchs in den Bereichen der Hygiene und Umweltmedizin ausbilden und fördern sowie grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse aus der Forschung in die Präventionsmaßnahmen integrieren. Denn nur wenn die Infektions- und Übertragungswege von Krankheitserregern weiter erforscht und die Gefahrenquellen exakt aufgedeckt werden, können wir noch effektivere Gegenmaßnahmen ergreifen. Und dazu brauchen wir Experten", beschreibt Institutsdirektor Prof. Dr. Dr. h.c. Helge Karch die Ziele des neuen Angebots.

Aktuell absolvieren mit Annelene Kossow, Sylvia Schaber und Dr. Robin Köck in Münster drei junge Mediziner die fünfjährige Weiterbildung zum Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin. Zukünftig soll die Westfälische Akademie für Krankenhaushygiene auch Ärzten anderer Kliniken offenstehen, um in Kooperation die Facharztausbildung in Münster zu absolvieren. "Im Anschluss an die Ausbildung können die Kolleginnen und Kollegen dann als Facharzt für Hygiene an Krankenhäusern eigenständig arbeiten", erklärt Privat-Dozent Dr. Dr. Frank Kipp, Leitender Krankenhaushygieniker am Universitätsklinikum Münster (UKM).
Dr. Kipp übernimmt gemeinsam mit Privat-Dozent Dr. Alexander Mellmann die ärztliche Leitung der Akademie. Er weist auf den aktuellen Fachkräftemangel in Deutschland hin: "Durch die neue Gesetzgebung benötigt jede Klinik mit mehr als 400 Betten einen eigenen hauptamtlichen Krankenhaushygieniker. Dem Bedarf von mindestens 400 fachärztlichen Krankenhaushygienikern stehen aktuell allerdings nur knapp 70 Fachärzte für Hygiene entgegen, die tatsächlich in der Krankenhausversorgung tätig sind, davon alleine drei am Universitätsklinikum Münster. Wir sehen es auch als unsere Pflicht, diesem Mangel durch gezielte Weiterbildung entgegenzuwirken."

Am klinischen Alltag orientierte Forschung

Ebenso wichtig sei allerdings die am klinischen Alltag orientierte Forschung, die die zweite Säule der Hygiene-Akademie in Münster darstellt. Schon während der Weiterbildungsphase werden die Teilnehmer frühzeitig in praxisorientierte Forschungsprojekte des Institutes für Hygiene eingebunden. "Die exakte Typisierung von Krankheitserregern ist ein Beispiel für ein derartiges Forschungsprojekt, dessen Ergebnisse der Umsetzung rationaler Hygienemaßnahmen direkt am Patienten dienen. Aber auch die Besiedlungsmechanismen, z.B. von MRSA, stehen hierbei im Mittelpunkt", erklärt Dr. Alexander Mellmann. Ziel ist es, neues Grundlagenwissen in die Prävention von Krankenhausinfektionen zu überführen.

Prof. Dr. Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM: "Bereits seit mehr als fünf Jahren wird am UKM jeder stationär aufgenommene Patient auf eine MRSA-Besiedelung gestestet. Durch dieses Screening und die bestehenden Hygienestandards konnten wir die Krankenhausinfektionen enorm reduzieren. Davon profitieren natürlich in erster Linie die Patienten, aber auch wir als Klinik: Denn die hohe Folgekosten bei einer Infektion, etwa durch Isolierung der Patienten oder durch den erhöhten Arbeitsaufwand, können deutlich reduziert werden."

An der Medizinischen Fakultät Münster nimmt das Thema Krankenhaushygiene schon im Studium breiten Raum ein: "In unserem Studienhospital lernen die Studierenden in authentischer Stationsumgebung praktisch, wie wichtig z.B. die Händedesinfektion ist. Dort wird in speziellen Hygiene-Kursen gezeigt, welche Übertragungswege es gibt und wie diese Wege durch geeignete Hygienemaßnahmen unterbrochen werden können und müssen. Denn Hygiene muss alltäglicher Bestandteil der ärztlichen Tätigkeit sein und darf keineswegs als zusätzliche Arbeit empfunden werden", erklärt Prof. Dr. Wilhelm Schmitz, Dekan der Medizinischen Fakultät. So sollen angehende Mediziner bereits frühzeitig sensibilisiert und für die Fachrichtung Hygiene interessiert werden.

Prof. Karch: "Krankenhaushygiene ist direkte Infektionsprävention und dient unmittelbar der Patientensicherheit. Diese Sichtweise muss sich noch viel stärker durchsetzen. Auch daran müssen wir arbeiten. Denn wenn z.B. ein Chirurg eine schwierige Operation erfolgreich meistert, wird dies natürlich völlig zurecht von den Patienten und seinen Angehörigen registriert. Wenn ein Krankenhaushygieniker erfolgreich Infektionen verhindert und so Leben rettet, bekommt dies niemand mit. Umso mehr freue ich mich, dass wir unsere Akademie jetzt mit drei jungen, wissenschaftlich engagierten Ärzten starten konnten, die sich für unsere Fachdisziplin entschieden haben und neben dem Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin auch die Hochschullehrerlaufbahn anstreben."

Kontakt:
Westfälische Akademie für Krankenhaushygiene
Institut für Hygiene
Robert-Koch-Str. 41
48149 Münster
Durchwahl: (0)2 51 / 83 - 5 53 61

Informationen zum Thema MRSA und zum EUREGIO-Netzwerk:
www.mrsa-net.org

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/de/image165237
Annelene Kossow (l.) und Sylvia Schaber haben an der Hygiene-Akademie in Münster mit ihrer fünfjährigen Facharztweiterbildung begonnen. Sie können nach Abschluss als hauptamtliche Krankenhaushygienikerinnen tätig werden.

http://idw-online.de/de/image165238
Seit über fünf Jahren wird jeder stationär aufgenommene Patient am UKM auf MRSA untersucht, hierzu reicht oft ein Nasenabstrich.

Hintergrund: "Institut für Hygiene" Münster

Das Institut für Hygiene am Universitätsklinikum Münster ist eines der wenigen eigenständigen Institute für Hygiene und Umweltmedizin in Deutschland. Es bietet die gesamte Bandbreite der in der Weiterbildungsordnung geforderten Inhalte im Gebiet der Hygiene und Umweltmedizin.

Das Institut bildet in Kooperation mit der Ärztekammer Westfalen Lippe bereits seit Jahren Hygienebeauftragte Ärzte aus. Weiterhin werden am Institut in enger Zusammenarbeit mit der Johanniterakademie Münster Hygienefachpflegekräfte ausgebildet, so dass neben der Facharztweiterbildung alle zurzeit in Deutschland vorhandenen curriculären Weiterbildungsmöglichkeiten in der Hygiene und Umweltmedizin angeboten werden. Das Institut ist eines von derzeit fünf von der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) anerkannten Fortbildungsstätten für Krankenhaushygiene.

Hintergrund: Qualifikation zum Krankenhaushygieniker

Aufgrund der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG-ÄndG 04.08.2011) und nachfolgendem Inkrafttreten von neu erlassenen bzw. novellierten Hygieneverordnungen in den Bundesländern (bis spätestens zum 31.03.2012) müssen Krankenhäuser mit mehr als 400 Betten einen hauptamtlichen Krankenhaushygieniker beschäftigen.

Dafür qualifiziert sind neben dem Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie mit entsprechender krankenhaushygienischer Erfahrung. Des Weiteren kann nach abgeschlossener Facharztausbildung eines klinischen Faches durch eine 200-stündige strukturierte Fortbildung gemäß des Curriculums der Bundesärztekammer die Bezeichnung Krankenhaushygieniker/in erworben werden.

Kurse dafür werden am Institut für Hygiene in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) und der Ärztekammer Westfalen Lippe (ÄKWL) angeboten.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1133

Quelle: Universitätsklinikum Münster, Stefan Dreising, 12.03.2012


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2012