Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

MELDUNG/335: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 02.05.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Neurowissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
      erforschen Nerven-Erkrankungen
→  Nanostrukturen für die Schmierung im Gelenkersatz


*


Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 29.04.2011

FAU-Neurowissenschaftler erforschen Nerven-Erkrankungen

Sie sind selten und schwer zu diagnostizieren, führen zu Lähmungen der Muskeln und im Extremfall zum Tod: Motoneuron-Erkrankungen, eine in manchen Fällen erblich bedingte, fortschreitende und irreversible Schädigung von Nervenzellen in Gehirn und Rückenmark. Für die Betroffenen sind diese Erkrankungen besonders schlimm, da es noch keine wirksame Therapie gibt. Um ihnen zu helfen, wollen Neurowissenschaftler um Dr. Beate Winner vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) die Krankheitsmechanismen von unterschiedlichen erblichen Motoneuronerkrankungen in einem menschlichen Zellkulturmodell verstehen lernen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert ihr Projekt mit dem Titel "Induzierte pluripotente Stammzellen als Modellsystem für Motoneuronerkrankungen" in den kommenden fünf Jahren mit 1,8 Millionen Euro.

Motoneurone sind spezialisierte Zellen, die Signale vom Gehirn innerhalb des Körpers zur Muskulatur weiterleiten. Sind die Neurone geschädigt, können sie Befehle des Gehirns nicht mehr an die Muskeln geben. Spastische Lähmungen sind die Folge, die die Betroffenen im Alltag erheblich beeinträchtigen. Dr. Winner und ihr Team untersuchen insbesondere Formen der hereditären spastischen Spinalparalyse (HSP) und der erblichen amyotrophen Lateralsklerose (ALS).

Das Forschungsprojekt

Um die Motoneuron-Erkrankungen zu erforschen, wird Patienten mit einer genetischen Form von Motoneuronerkrankungen eine kleine Hautbiopsie entnommen. In einem komplizierten Verfahren wandeln die Forscher der Arbeitsgruppe um Dr. Beate Winner diese Patienten-Hautzellen dann in pluripotente Stammzellen um. Das sind Stammzellen, die sich zu jedem beliebigen anderen Zelltyp eines erwachsenen Organismus entwickeln können, etwa zu Nerven- oder Gehirnzellen. Diese Wandlungsfähigkeit der pluripotenten Stammzellen nutzen die Wissenschaftler: "Bisher war die Forschung an Motoneuronen dadurch limitiert, dass nur eingeschränkt Gewebe von Patienten zur Verfügung stand. Jetzt können wir aus Hautzellen des Patienten spezifische Nervenzellen machen. Wir untersuchen damit exakt die Zellen, die bei Motoneuronerkrankungen geschädigt werden." Dieses komplizierte Verfahren wird in enger Zusammenarbeit mit dem Salk Institute for Biological Studies in La Jolla, Kalifornien, sowie dem Institut für Humangenetik an der FAU und der Abteilung für Molekulare Neurologie der FAU durchgeführt.

Ziel ist, zu verstehen, wie die Krankheitsmechanismen bei Motoneuron-Erkrankungen funktionieren. Darüber hinaus wollen Dr. Winner und ihr Team mit Hilfe der individuellen Nervenzellen der Patienten Substanzen identifizieren, die sich schützend auswirken können. "Das würde uns ermöglichen, neue Therapieansätze zu entwickeln".

Das Förderprogramm des BMBF

Das Projekt wird im Rahmen des Programms "Selbstständige BMBF-Forschungsgruppe in den Neurowissenschaften" finanziert. Dieses Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung soll gezielt die Qualifizierung von Frauen in den Neurowissenschaften fördern. Darüber hinaus will es Forscherinnen ermöglichen, ihre wissenschaftliche Expertise auszubauen und sich an einer deutschen Forschungseinrichtung international zu etablieren.

Das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF)

Das IZKF ist ein zentrales Instrument der Forschungsförderung an der Medizinischen Fakultät der FAU, insbesondere der klinisch orientierten Forschung. Einer der Schwerpunkte des IZKF liegt in der Nachwuchsförderung. Die Nachwuchsgruppen sollen jungen Wissenschaftlern aus dem klinischen und klinisch-theoretischen Bereich die Möglichkeit geben, sich durch die erfolgreiche Leitung eines längerfristig konzipierten Forschungsvorhabens national wie auch international zu profilieren.

Weitere Informationen
PD Dr. Beate Winner
beate.winner@med.uni-erlangen.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image140803
Neurone, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen von humanen Hautzellen generiert wurden sind mittels Fluoreszenzmarkierung grün dargestellt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution18

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Pascale Anja Dannenberg, 29.04.2011


*


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 29.04.2011

Nanostrukturen für die Schmierung im Gelenkersatz

Materialwissenschaftler der Universität Jena erforschen Proteinschichten in künstlichen Gelenken

Für ein Biomaterial im Körper ist entscheidend, dass es nicht abgestoßen wird und optimal funktioniert. Wichtig für die Akzeptanz ist dabei, wie sich körpereigene Proteine an Implantat-Oberflächen anlagern. Diese menschlichen Eiweiße schmieren darüber hinaus beispielsweise die natürlichen Knie- oder Hüftgelenke, indem sie auf dem Knorpel eine Proteinschicht bilden. Proteine werden aber auch in künstlichen Gelenken eingesetzt, um dort die Reibung und die dadurch entstehende Schädigung des Materials zu reduzieren.

Bisher war jedoch weitgehend unbekannt, wie man am besten solche Proteine auf künstliche Materialien aufbringt und wie deren Oberfläche dafür am besten beschaffen sein muss. Dr. Thomas F. Keller von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat diesen Prozess intensiv untersucht und gerade neue Erkenntnisse zur Anwendung des UHMWPE gewonnen. Das ultra-hochmolekulare Polyethylen (UHMWPE) dient als Verschleißpartner in den künstlichen Gelenken, die meist aus metallischen oder keramischen Komponenten bestehen. Der Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Materialwissenschaft des Instituts für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie (IMT) hat jetzt zeigen können, dass sich Proteine, die selbst einige zehn Nanometer groß sind, bevorzugt an nanokristalline Lamellen des UHMWPE anlagern. Die Eigenschaft der Proteine, Netzwerke auszubilden, wird dadurch eingeschränkt, wie in der gerade erschienenen April-Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift "ACS Nano" zu lesen ist.

"Die Fähigkeit des UHMWPE, durch eine Nanostrukturierung Proteine gerichtet anzuordnen, kann für die Reibeigenschaften in neuen Gelenken wichtig sein", sagt Dr. Keller. Denn Gelenke, wie das Knie oder die Hüfte, werden durch das eigene Körpergewicht oft einseitig belastet. "Und die Gelenke erzeugen während des Ganges eine zwar komplexe, aber im Wesentlichen unidirektionale Verschleißspur", erläutert der Wissenschaftler.

Die neuen Erkenntnisse sollen am Lehrstuhl für Materialwissenschaft in Jena nun auch auf andere Implantatoberflächen mit Kontakt zur biologischen Umgebung, sogenannte "Biointerfaces", übertragen werden, sagt der Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Klaus D. Jandt. "Durch molekulares Design auf der Nanoskala wollen wir weitere biologische Funktionen optimieren." Nicht nur den Verschleiß künstlicher Gelenke will er minimieren, Jandt denkt auch an ein optimiertes Einwachsverhalten von Implantaten. "In jedem Fall sollen die Entwicklungen letztendlich den Patienten zugute kommen", betont der Jenaer Materialwissenschaftler.

Kontakt:
Dr. Thomas F. Keller / Prof. Dr. Klaus D. Jandt
Institut für Materialwissenschaft und Werkstofftechnologie
Universität Jena
Löbdergraben 32, 07743 Jena
E-Mail: t.keller[at]uni-jena.de / k.jandt[at]uni-jena.de

Originalpublikation:
T. F. Keller, J. Schönfelder, J. Reichert, N. Tuccitto, A. Licciardello, G. M. L. Messina, G. Marletta, K. D. Jandt:
How the Surface Nanostructure of Polyethylene Affects Protein Assembly and Orientation
ACS Nano 2011, 5 (4), 3120-3131.
http://dx.doi.org/10.1021/nn200267c.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://dx.doi.org/10.1021/nn200267c
http://www.uni-jena.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image140792
Rasterkraftmikroskopisches Bild einer nanokristallinen Lamelle einer orientierten UHMWPE-Oberfläche.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution23

Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 29.04.2011


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2011