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MELDUNG/315: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 28.03.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Berliner Neurowissenschaftler entschlüsseln Baustein bei der Signalübertragung im Gehirn
→  Forschungspreis für Grundlagenarbeit an einem Heilmittel gegen Rheuma und Multiple Sklerose


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Charité-Universitätsmedizin Berlin - 25.03.2011

Berliner Neurowissenschaftler entschlüsseln Baustein bei der Signalübertragung im Gehirn

Einem Team von Neurowissenschaftlern des Exzellenzclusters NeuroCure an der Charité - Universitätsmedizin Berlin und dem Baylor College of Medicine Houston, Texas ist es gelungen, einen wichtigen Beitrag zum Verständnis zu leisten, wie Signale im menschlichen Gehirn verarbeitet werden. Diese Arbeit, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Neuron veröffentlicht ist, zeigt, dass ein spezielles Eiweiß, der sogenannte "vesikuläre Glutamattransporter" (VGLUT), eine entscheidende Rolle bei der Leistungsregulierung synaptischer Verbindungen spielt. Diese Regulierung erlaubt es Synapsen, in ihrer Leistung zu variieren.

Synapsen vermitteln die Kommunikation zwischen den einzelnen Nervenzellen im Nervensystem. Dabei arbeiten sie - abhängig von ihrer Funktion im Gehirn - unterschiedlich. Beispielsweise kommen in der Gehirnrinde sehr viele Informationen zusammen. Damit die Nervenzelle diese Menge an Information verarbeiten kann, muss sie diese dosieren bzw. regulieren. Der Neurowissenschaftler Christian Rosenmund, der 2009 einem Ruf an die Berliner Charité folgte und seine Forschung vom Baylor College in Texas nach Deutschland verlegte, beschäftigt sich seit Jahren mit der Funktion der Synapsen. "Man kann sich die Nervenzelle wie einen Musikliebhaber vorstellen. Er hört nicht einzelne Töne, sondern das ganze Konzert" , veranschaulicht er. Die Synapsen sind wie einzelne Töne. Manche spielen lauter, manche leiser. Bisher war aber nicht bekannt, wie und wodurch diese reguliert werden können. Aber: Eine Fehlregulation der Synapsen kann fatale Auswirkungen auf die Verarbeitung von Signalen im Gehirn haben und letztendlich zu verschiedensten neurologischen Erkrankungen führen. Erstmalig entdeckten die Wissenschaftler um Rosenmund nun den Regler für die Lautstärke der Nervenzellen - das Protein Endophilin. Seine Verbindung mit bestimmten Varianten des Glutamattransporters (VGLUT) ist hierfür verantwortlich. Die bisher bekannte Funktion dieses Eiweißes ist es, synaptische Bläschen mit dem Neurotransmitter Glutamat zu befüllen. Dass der Transporter auch eine regulierende Funktion hat, war eine große Überraschung.

"Damit haben wir endlich einen Mechanismus identifiziert, wie Synapsen unterschiedlich gesteuert werden. Das Gehirn kann die Synapsen optimal an verschiedene Hirnfunktionen anpassen. Diese Erkenntnis kann uns nun helfen, verschiedenste neurologische Erkrankungen wie zum Beispiel Epilepsie zu verstehen oder sogar zu behandeln", erklärt Rosenmund. Daher wollen sich die Wissenschaftler künftig unter anderem mit der krankheitsrelevanten Bedeutung der Glutamattransporter beschäftigen.

NeuroCure ist ein im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördertes Exzellenzcluster an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Im Fokus des interdisziplinären Forschungsverbundes steht die Übertragung (Translation) neurowissenschaftlicher Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung. Ein besseres Verständnis von Krankheitsmechanismen trägt dazu bei, wirksame Therapien für neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Epilepsie zu entwickeln. Neben der Charité sind die Humboldt-Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin, das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (MDC), das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und das Deutsches Rheumaforschungszentrum (DRFZ) Partner von NeuroCure.

Kontakt:
Kerstin Vincze
Exzellenzcluster NeuroCure
Charité - Universitätsmedizin Berlin
kerstin.vincze[at]charite.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.rosenmundlab.de
(Ausführliche Informationen zum Forschungsthema)
http://www.neurocure.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution318

Quelle: Charité-Universitätsmedizin Berlin, Stefanie Winde, 29.03.2011


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Universität Konstanz - 25.03.2011

Forschungspreis für Konstanzer Immunologen

Prof. Dr. Marcus Groettrup, Vorsitzender der Institutsleitung des Biotechnologie-Instituts Thurgau, wurde für seine Grundlagenarbeit an einem Heilmittel gegen Rheuma und Multiple Sklerose ausgezeichnet

Der Konstanzer Immunologe Prof. Dr. Marcus Groettrup wurde mit dem Janssen-Preis für Grundlagenforschung ausgezeichnet. Die Janssen-Cilag GmbH prämiert damit Groettrups Forschungsarbeit im Bereich der Autoimmunerkrankungen, die einen Schlüssel für ein Heilmittel gegen Rheuma und Multiple Sklerose darstellen könnte. Marcus Groettrup ist Professor für Immunologie an der Universität Konstanz und gleichzeitig Vorsitzender der Institutsleitung des Biotechnologie-Institutes Thurgau (BITg) in Kreuzlingen.

Marcus Groettrup gelang es in Zusammenarbeit mit Dr. Michael Basler vom BITg, die entzündungsfördernden Botenstoffe im Immunsystem von Mäusen gezielt zu unterdrücken und dadurch eine Ausprägung der autoimmunen Krankheit in den Tieren zu verhindern. Klinische Studien eruieren nun, ob Groettrups Verfahren auf den Menschen angewendet werden kann, um daraus ein Heilmittel gegen Rheuma und Multiple Sklerose zu gewinnen.

Der "Janssen-Preis für Dermatologie / Immunologie" honoriert herausragende Forschungsarbeiten im Bereich der klinischen Forschung und der Grundlagenforschung. Eine unabhängige Jury vergibt den Forschungspreis, der von dem Pharmaunternehmen Janssen-Cilag gestiftet wird, jährlich in beiden Kategorien an jeweils drei Wissenschaftler. Marcus Groettrup erhielt für seine Forschungsarbeit den mit 8000 Euro dotierten ersten Preis für Grundlagenforschung. "Ich freue mich sehr, dass auch klinische Disziplinen die Bedeutung dieser Grundlagenentdeckung so hoch schätzen, dass sie sie für den Janssen-Preis auserwählt haben", freut sich Groettrup. Der Preis wird am 31. März 2011 auf der Jahresversammlung der Gesellschaft für Dermatologie in Dresden übergeben.

Kontakt:
Universität Konstanz
Kommunikation und Marketing
E-Mail: kum@uni-konstanz.de

Prof. Dr. Marcus Groettrup
Universität Konstanz
Professor für Immunologie
Universitätsstraße 10
78464 Konstanz
E-Mail: Marcus.Groettrup@uni-konstanz.de


Hintergrund:

Bei einer Autoimmunerkrankung wie Rheuma oder Multipler Sklerose richtet sich das Immunsystem eines Körpers gegen den eigenen Organismus. Die Schwierigkeit bei der Bekämpfung autoimmuner Erkrankungen liegt darin, die Entstehung der Krankheit zu verhindern, ohne zugleich die nützlichen Funktionen des Immunsystems - die Abwehr von Viren und Bakterien - zu schmälern. "Es müssen speziell diejenigen Arme der Immunabwehr unterdrückt werden, die für die Autoimmunität besonders wichtig sind", erklärt Marcus Groettrup. Jene "Arme" der Autoimmunerkrankung fand er in einem Enzymkomplex, dem sogenannten "Immunproteasom". Dieser Eiweißkomplex kontrolliert die Entstehung jener Botenstoffe, die wiederum das Krankheitsbild von Rheuma oder Multipler Sklerose verursachen. Wird nun das Immunproteasom ganz selektiv gehemmt, kann die autoimmune Erkrankung verhindert werden, ohne zugleich die gesamte Immunabwehr auszuhebeln.

Marcus Groettrup fand im Wirkstoff PR-957 des amerikanischen Biotechnologie-Unternehmens Proteolix den geeigneten Hemmstoff, um die Entstehung der schädigenden Botenstoffe zu verhindern. Dieser Stoff wurde ursprünglich als Leukämie-Medikament konzipiert, erbrachte aber nicht die gewünschte Wirkung. Das amerikanische Unternehmen wandte sich an die Universität Konstanz, um weitere Wirkungen und Einsatzmöglichkeiten des Medikaments zu erforschen. Bei seinen Forschungen in Zusammenarbeit mit dem Biotechnologie-Institut Thurgau erkannte Groettrup die Wechselwirkung zwischen dem Wirkstoff, dem Immunproteasom und der Verhinderung autoimmuner Erkrankungen.

An amerikanischen Kliniken werden nun Studien durchgeführt, um auf Grundlage von Groettrups Ergebnissen ein Medikament gegen Rheuma zu schaffen. Für die Universität Konstanz und das BITg endet damit aber die Forschung am Immunproteasom keineswegs. "Uns geht es jetzt ganz stark um die Erforschung des Mechanismus'", weist Marcus Groettrup auf die noch offenen Fragen: "Warum benötigt es das Immunproteasom, um die Differenzierung der Botenstoffe zu kontrollieren? Welche Prozesse laufen genau ab, welche Eiweiße werden dort selektiv gespalten, um den Vorgang zu steuern? Es sind sehr interessante Grundlagenforschungsfragen, an denen wir momentan arbeiten."

Legende:
Prof. Dr. Marcus Groettrup hat seine Forschungsarbeit, für die er jetzt mit dem Forschungspreis der Janssen-Cilag GmbH ausgezeichnet worden ist, im Rahmen der Kooperationsveranstaltung des Kantons Thurgau und der Universität Konstanz im November 2010 in Frauenfeld öffentlich vorgestellt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1282

Quelle: Universität Konstanz, Julia Wandt, 25.03.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2011