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MELDUNG/225: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 01.11.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Ein Protein mit zwei Gesichtern
      Wachstum oder Zelltod - Stress entscheidet über die Signale
→  Pharmazeuten fahnden nach Naturstoffen gegen Krebs
      Neue DFG-Forschergruppe an der LMU
→  Universitätsmedizin Ulm präsentiert Forschungs- und Lehrbericht

Raute

Ruhr-Universität Bochum - 29.10.2010

Ein Protein mit zwei Gesichtern - Wachstum oder Zelltod

- Stress entscheidet über die Signale
- RUB-Forscher berichten im Journal of Biological Chemistry

Das Signalprotein Rheb kommt in vielen Körperzellen, besonders im Gehirn vor. Es ist wichtig für Wachstumsprozesse - bei Zellstress zeigt es aber sein zweites Gesicht. In diesem Fall beschleunigt es den Tod der Zelle. Diese Erkenntnis haben Forscher um Prof. Dr. Rolf Heumann und Prof. Dr. Raphael Stoll von der Ruhr-Universität Bochum gewonnen. Sie hat Auswirkungen auf die Behandlung von Erkrankungen: Das verbreitet eingesetzte Antibiotikum Rapamycin, das die Signalweiterleitung von Rheb verhindert, sollte mit Bedacht eingesetzt werden, raten die Forscher. Unter Zellstressbedingungen könnte sich seine Wirkung umkehren. Die Forscher berichten im Journal of Biological Chemistry.

Ein Protein, viele Funktionen

Um seine Wirkung entfalten zu können, muss der Rheb(Ras homologue enriched in brain)-Signalweg aktiviert werden. Das geschieht u.a. durch die Bindung von aktiviertem Rheb an die Protein-Kinase mTOR (target of rapamycin). Der gebundene Komplex verursacht über weitere Signalkaskaden Zellwachstum, Steuerung des zellschützenden kontrollierten Abbaus von Zellbestandteilen (Autophagie), der Reaktionen der Zelle auf Energieverknappung und der Proteinherstellung.
Das Antibiotikum Rapamycin hemmt die mTOR-Kinase und somit auch die Aktivierung durch Rheb. Es wird bereits vielfach in der medizinischen Praxis angewendet, z. B. als Mittel zur Unterdrückung der Immunantwort oder bei der Krebstherapie zur Verhinderung von Zellwucherung.

Ähnlichkeit mit Ras

Rheb hat große Ähnlichkeit mit dem Produkt des Krebsgens Ras. Ras ist Mitglied einer Proteinfamilie, die weitreichende Signalsysteme für nahezu sämtliche zellulären Prozesse steuert. "Wir wollten wissen, ob die Funktion und Struktur des Rheb denen von Ras ähnlich sind", erläutert Prof. Heumann. "Da wir schon früher zeigen konnten, dass Ras Nervenzellen nach Verletzungen vor dem Zelltod schützt, die Zahl der Verschaltungen zwischen Nervenzellen im Gehirn erhöht und das Volumen der Nervenzellen vergrößert, haben wir nachgeforscht, ob Rheb ebenfalls diese Wirkungen hat."

Schalter sind flexibel

Zu ihrer großen Überraschung fanden die Forscher jedoch heraus, dass Rheb nach bestimmten Stress-Behandlungen wie UV-Bestrahlung die Zelle nicht vor dem Zelltod schützt, sondern ganz im Gegenteil ihren Untergang (Apoptose) noch verstärkt. Um den Ursachen dieses gravierenden Unterschieds zu Ras auf den Grund zu gehen, bestimmten sie die Proteinstruktur des Rheb in seinem inaktiven Zustand. Diese strukturellen Daten setzten sie in Beziehung mit der Dynamik des Proteins, indem sie die Beweglichkeit des Rheb im Bereich der Pico- bis Nanosekundenzeitskala mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR) untersuchten. "Dabei stellte sich wiederum überraschend heraus, dass im Gegensatz zum bisherigen Stand der Forschung die Flexibilität der für die Funktion des Rheb wichtigen so genannten Schalter I- und Schalter II-Regionen vom Aktivitätszustand dieses Proteins abhängt", berichtet Prof. Stoll. Demnach verhält sich Rheb ebenso dynamisch wie das bereits gut charakterisierte Ras-Protein.

Keine Ähnlichkeit der Signalwege

Die Forscher stellten darüber hinaus eine Wechselwirkung von Rheb mit dem typischen Ras-Partner Raf-Kinase fest. "Diese Ergebnisse ließen uns zunächst eine Ähnlichkeit der Rheb- und Ras-Signalwege vermuten", so Prof. Heumann. Sorgfältige NMR-Messungen zeigten jedoch klar, dass die Affinität zwischen Rheb und Raf-Kinase ca. 1.000-mal niedriger ist als zwischen Ras und Raf-kinase. "Eine physiologisch bedeutsame Wechselwirkung zwischen ihnen gibt es daher nicht", folgern die Forscher. "Die Signalwege von Rheb und Ras sind offenbar weit voneinander entfernt." Durch die gezielte Unterdrückung der Bildung eines weiteren Signalproteins, der apoptosis signalling kinase-1 (ASK-1), konnten die Forscher beweisen, dass dieses maßgeblich und ursächlich an der von Rheb verstärkten Apoptose beteiligt ist.

Rapamycin mit Bedacht einsetzen

Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Grundlagenforschung bedeutsam. Mutationen in dem Rheb vorgeschalteten Signalkomplex verursachen tuberöse Sklerose, häufig auch als Bourneville-Pringle-Syndrom oder Bourneville-Brissaud-Pringle-Syndrom bezeichnet. Diese autosomal-dominante genetische Erkrankung geht mit Fehlbildungen und Tumoren des Gehirns, Hautveränderungen und meist gutartigen Tumoren in anderen Organsystemen einher und führt häufig zu epileptischen Anfällen und kognitiven Behinderungen. Sie betrifft etwa eines von 8.000 Kindern. In laufenden Studien, z. B. in den USA, erhofft man sich eine Verbesserung der Symptome durch Rapamycin. "Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass Rapamycin auch gegenteilige Wirkung entfalten kann, wenn es auf gestresste Zellen einwirkt", erklärt Prof. Heumann. "Der Zustand der Zelle ist entscheidend."

Förderung im SFB

Für die Studie kombinierten die Forscher neurobiochemische und zellbiologische Kompetenzen (Arbeitsgruppe Heumann) mit strukturellen und dynamischen Daten der Proteine (Arbeitsgruppe Stoll). Sie ist im Rahmen eines durch den Sonderforschungsbereich 624 "GTP- und ATP-abhängige Membranprozesse" geförderten Teilprojekts entstanden.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Rolf Heumann
Prof. Dr. Raphael Stoll
Molekulare Neurobiochemie und Biomolekulare NMR
rolf.heumann@rub.de
raphael.stoll@rub.de

Redaktion: Meike Drießen

Titelaufnahme
Sascha Karassek, Carsten Berghaus, Melanie Schwarten, Christoph G. Goemans, Nadine Ohse, Gerd Kock, Katharina Jockers, Sebastian Neumann, Sebastian Gottfried, Christian Herrmann, Rolf Heumann and Raphael Stoll:
Ras homolog enriched in brain (Rheb) enhances apoptotic signaling.
In: THE JOURNAL OF BIOLOGICAL CHEMISTRY VOL. 285, NO. 44, pp. 33979-33991, 29. Oktober 2010
(DOI 10.1074/jbc.M109.095968 / http://www.jbc.org/content/285/44/33979.abstract?etoc)

Eine Abbildung zu dieser Presseinformation finden Sie im Internet unter:
http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2010/pm00351.html.de

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 29.10.2010

Raute

Ludwig-Maximilians-Universität München - 29.10.2010

Pharmazeuten fahnden nach Naturstoffen gegen Krebs

Neue DFG-Forschergruppe an der LMU

Krebs mit Substanzen aus der Natur bekämpfen - diesem Ziel hat sich eine neue Forschergruppe an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München verschrieben. In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Verbundprojekt sollen Myxobakterien als Quelle für Substanzen dienen, die sich zum einen als Leitstrukturen für neue Arzneimittel gegen Tumore eignen, zum anderen hilfreiche chemische Werkzeuge darstellen, um neue Zielstrukturen für die Tumortherapie und ein besseres Verständnis der Signalsysteme im Tumorgeschehen zu erhalten. "Das pharmakologische Potenzial von Naturstoffen ist noch lange nicht ausgeschöpft", betont Professor Angelika Vollmar (LMU), die Sprecherin der neuen DFG-Gruppe, in der Biotechnologen, Chemiker und Pharmazeuten/Pharmakologen zusammenarbeiten. Die Pharmazeutin sieht diesen interdisziplinären Ansatz als Schlüssel zum Erfolg des Projekts, an dem neben der LMU auch die TU München, die Universität des Saarlands, die Universität Jena sowie die ETH Zürich beteiligt sind. "Ich bin sicher, dass diese stark interdisziplinär ausgerichtete Gruppe durch ihre innovative und attraktive Strategie, Myxobakterien als Substanzquelle heranzuziehen, die Arzneimittelentwicklung aus Naturstoffen entscheidend voranbringen wird", sagt Vollmar.

Die Natur als Quelle für Arzneimittel spielt in der der pharmazeutischen Wirkstoffentwicklung und biotechnologischen Forschung eine essentielle Rolle: Fast die Hälfte aller Arzneistoffe, die zwischen 1940 und 2006 neu zugelassen wurden, waren natürlichen Ursprungs oder zumindest von Naturstoffen abgeleitet. Auch in der Krebstherapie zeigen Naturstoffe großes Potenzial und vermutlich sind viele geeignete Substanzen noch nicht entdeckt. Wir erleben daher im Moment eine wahre Renaissance der Naturstoffforschung, die auch darauf gründet, dass die Forschungsbereiche Chemische und System-Biologie Naturstoffe als Werkzeuge schätzen, um komplexe zelluläre Netzwerke zu verstehen. Allerdings sind Naturstoffe oft nur schwer zu isolieren und in ausreichender Menge chemisch herzustellen.

Myxobakterien sind für das Team als Quelle für innovative Stoffe so attraktiv, weil sie viele verschiedene Stoffwechselprodukte mit hoher biologischer Aktivität produzieren. Es wird durch innovative biosynthetische, genetische, chemische und in silico Ansätze möglich sein, diese gezielt zu manipulieren und damit strukturell neue, anspruchsvolle Substanzen in ausreichender Menge zu produzieren. "Das Besondere der Forschergruppe ist weiterhin, dass wir interessante Substanzen aus den Myxobakterien nicht nur hinsichtlich ihres Potenzials testen werden, Tumorzellen direkt abzutöten", sagt Vollmar. "Wir wollen auch prüfen, ob sie bei anderen wichtigen Prozessen der Krebsentstehung Wirkung zeigen, etwa der Tumorgefäßbildung oder bei Entzündungsreaktionen". Bereits jetzt, zu Beginn der Förderperiode, kennen die Wissenschaftler drei interessante Substanzen aus Myxobakterien, die intensiv hinsichtlich ihres therapeutischen Potentials untersucht werden sollen: Archazolid, Pretubulysin und Chondramid. Ebenso vielversprechend ist ihr systembiologischer Ansatz, mit Hilfe dieser Stoffe neue Zielstrukturen zu identifizieren, die ein besseres Verständnis der Tumorbiologie erlauben.

Weitere Informationen:
http://www.cup.uni-muenchen.de/pb/aks/vollmar/
http://gepris.dfg.de

Ansprechpartner:
Professor Dr. Angelika M. Vollmar
Department Pharmazie - Zentrum für Pharmaforschung
E-Mail: angelika.vollmar@cup.uni-muenchen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution114

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 29.10.2010

Raute

Universitätsklinikum Ulm - 29.10.2010

Universitätsmedizin Ulm präsentiert Forschungs- und Lehrbericht

Die Ulmer Universitätsmedizin belegt im Förderranking der DFG 2009 einen erfolgreichen 7. Platz, bezogen auf die eingeworbenen Drittmittel pro Professor. Insgesamt hat die Universitätsmedizin im Jahr 2009 40,5 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben und damit mehr als 680 Wissenschaftler und technische Assistenten zusätzlich beschäftigt. Diese und weitere Entwicklungen der Ulmer Universitätsmedizin fasst der jetzt erschienene Forschungs- und Lehrbericht zusammen.

"Die gute Platzierung im DFG-Förderranking ist für eine kleine Universität wie Ulm besonders bemerkenswert, wir freuen uns über diesen Erfolg nehmen ihn als Ansporn für die Zukunft", erklärt Prof. Dr. Thomas Wirth, seit dem 1.10.2010 Dekan der Medizinischen Fakultät in der Nachfolge von Prof. Dr. Klaus-Michael Debatin. "Die Platzierung zeigt die hohe Innovationskraft der Ulmer Universitätsmedizin, die hochrangige Wissenschaftler und qualifizierte Studierende anzieht."

"Erfolgreiche Forschung schafft für unsere Patienten die Grundlagen neuer wirksamer Therapien, für die eine Universitätsmedizin steht", betont Prof. Dr. Reinhard Marre, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums. "Dass über die eingeworbenen Drittmittel mehr als 680 Wissenschaftler und technische Assistenten zusätzlich beschäftigt werden konnten, zeigt die Bedeutung der Ulmer Universitätsmedizin als Motor für Innovation, Wirtschaft und Beschäftigung in der Region."

Schwerpunkte der Forschung in Ulm sind neben der Hämatologie/Onkologie und der Stammzellforschung, für die zwei neue Anträge zur Einrichtung von Sonderforschungsbereichen bei der DFG vorliegen, auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Neurowissenschaften und die Forschung zu Muskeln und Skelett. "Wir befinden uns in der Planungsphase für ein Translationales Forschungszentrum in Ulm, das gleichermaßen Konsequenz und Grundlage unserer Forschungsaktivitäten ist", erläutert Professor Wirth.

Ein Aushängeschild der Nachwuchsförderung der Ulmer Universitätsmedizin ist die Internationale Graduiertenschule "Molekulare Medizin", die durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wird. Im Bereich der Lehre wurde die Verzahnung von praktischen und theoretischen Inhalten weiter verbessert, die Möglichkeit zum E-Learning ausgeweitet. Für Studierende im Praktischen Jahr wurden spezielle Seminare, Logbücher und Trainings entwickelt und eine PJ-Aufwandsentschädigung eingeführt.

Der Forschungs- und Lehrbericht hat neben regionalen Entscheidungsträgern vor allem Drittmittelgeber, Wissenschaftler und Studierende im internationalen Umfeld der Universität als Zielgruppe und erscheint daher in der Wissenschaftssprache Englisch.

Petra Schultze
Universitätsklinikum Ulm
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Albert-Einstein-Allee 29
D - 89081 Ulm
Mail: petra.schultze@uniklinik-ulm.de
Internet: www.uniklinik-ulm.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/Zentrale_Seiten/Pressestelle/Presse_2010/Forschungsbericht_2010_Universitaetsmedizin_Ulm.pdf
(Forschungs- und Lehrbericht Universitätsmedizin Ulm)
http://www.uniklinik-ulm.de
(Universitätsklinikum Ulm)
http://www.uni-ulm.de/med/fakultaet.html
(Medizinische Fakultät der Universität Ulm)

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image127975
Forschungs- und Lehrbericht der Ulmer Universitätsmedizin

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1093

Quelle: Universitätsklinikum Ulm, Petra Schultze, 29.10.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2010