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MELDUNG/198: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 17.09.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Gewebsregeneration als Chance bei bisher nicht heilbaren Krankheiten
→  Spenden ermöglichen Forschung an tödlicher Kinderkrankheit NCL

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Paul-Martini-Stiftung (PMS) - 16.09.2010

Gewebsregeneration als Chance bei bisher nicht heilbaren Krankheiten

Berlin, 16.09.2010 (PMS). "Meine Hoffnung ist es, dass wir mit Hilfe der Regenerativen Medizin in den nächsten Jahren bisher nicht heilbare Krankheiten lindern oder sogar heilen können. Für dieses Ziel arbeiten zahlreiche - akademische wie industrielle - Forschergruppen in Deutschland, so etwa am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD)." Das erklärte Professor Stefan Bornstein, Direktor des Zentrums für Innere Medizin der Universität Dresden, beim Workshop 'Therapeutische Strategien in der Regenerativen Medizin' am 16. September in Berlin.

Die Paul-Martini-Stiftung hatte Wissenschaftler aus Deutschland, Italien und USA eingeladen, die aktuellen und künftigen Therapiemöglichkeiten der Regenerativen Medizin interdisziplinär zu diskutieren und Verbesserungsmöglichkeiten auszuloten. Professor Bornstein leitete den Workshop zusammen mit Professor Peter Scriba von der Universität München.

Regeneration geschädigter Gewebe oder Organe kann durch Anregung körpereigener Reparaturprozesse (etwa bei Osteoporose) oder mittels gezüchtetem, neuem Gewebe geschehen. Bei letzterem Ansatz, der auch Tissue Engineering genannt wird, könnten künftig vielleicht auch Stammzellen zum Einsatz kommen. Autologe - aus Zellen des Patienten selbst erzeugte - Gewebe sind dabei meist Fremdgeweben vorzuziehen, da sie keine Abstoßungsreaktionen provozieren. Das verspricht Fortschritte u. a. für die Behandlung von Herz-, Augen- und neurodegenerative Krankheiten.

Der Unterschied von regenerativer und medikamentöser Therapie werde gut bei Diabetes Typ 1 deutlich, so Bornstein. "Daran Erkrankte leiden bekanntlich daran, dass ihre Insulin-produzierenden Betazellen durch Autoimmunprozesse zerstört werden. Medikamentös lässt sich die fehlende Insulinsekretion durch Injektionen ausgleichen; doch gelingt das nicht perfekt. Die regenerative Medizin sucht hingegen nach Wegen, den Körper wieder mit funktionstüchtigen Betazellen auszustatten oder andere Körperzellen so umzuprogrammieren, dass sie als Betazellersatz dienen können."Bornstein betonte aber auch: "In der Regenerativen Medizin muss die Translation der Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung behutsam erfolgen, um den Erfolg dieses jungen Fachs nicht zu gefährden."

Bei der Entwicklung von Tissue Engineering-Produkten habe Deutschland international eine gute Position erreicht, erläuterte Scriba. Das habe auch der 3. Bericht der Task Force 'Pharma' vom März 2009 festgestellt. Überwiegend seien es bisher kleine und mittlere Unternehmen, die auf diesem Gebiet tätig sind.

Der Task Force-Bericht nennt aber auch Faktoren, die hierzulande einer raschen Fortentwicklung des Gebietes entgegen stehen: So würden Tissue Engineering-Produkte zumeist für einzelne Patienten hergestellt und im Rahmen komplizierter Behandlungsverfahren eingesetzt. Das mache es schwer, damit aussagekräftige klinische Studien durchzuführen. Diese werden für die inzwischen meist erforderliche Arzneimittelzulassung benötigt. Zudem fehlten gesundheitsökonomische Daten; diese erleichtern die Akzeptanz im Markt. Knappe Finanzen, wenig Personal und wenig Expertise für Genehmigungsverfahren seien für die Unternehmen weitere Hemmschuhe.

Was der Bericht über die industriellen Anstrengungen sage, gelte in entsprechender Weise auch für die akademischen Arbeitsgruppen in Deutschland, so Scriba. Der Workshop solle ein Beitrag dazu sein, einige der genannten Schwierigkeiten zu überwinden.

Die Paul-Martini-Stiftung

Die gemeinnützige Paul-Martini-Stiftung, Berlin, fördert die Arzneimittelforschung sowie die Forschung über Arzneimitteltherapie und intensiviert den wissenschaftlichen Dialog zwischen medizinischen Wissenschaftlern in Universitäten, Krankenhäusern, der forschenden Pharma-industrie, anderen Forschungseinrichtungen und Vertretern der Gesundheitspolitik und der Behörden. Träger der Stiftung ist der vfa, Berlin, der als Verband derzeit 45 forschende Pharma-Unternehmen vertritt.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.paul-martini-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1057

Quelle: Paul-Martini-Stiftung (PMS), Dr. Rolf Hömke, 16.09.2010

Raute

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden - 16.09.2010

Spenden ermöglichen Forschung an tödlicher Kinderkrankheit NCL

NCL ist die Abkürzung für "Neuronale Ceroid Lipofuszinose", eine seltene Stoffwechselkrankheit, die ein zunehmendes Absterben von Nervenzellen zur Folge hat. NATIONAL CONTEST FOR LIFE NCL - die gemeinützige Stiftung gegen die tödliche Stoffwechselkrankheit NCL finanziert ab sofort an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden ein Doktorandenstipendium im Bereich der Neurologie, um die NCL-Forschung voranzutreiben. Möglich machte dies der Einsatz zahlreicher Privatpersonen. Den größten Anteil hatten 23 Ultramarathon-Läufer, die sich im Mai innerhalb einer Woche 2.024,5 Kilometer von Berlin nach Rom kämpften und bei diesem Charity-Run eine hohe Geldsumme "erliefen".

NCL führt in vielen, qualvollen Jahren zum Tod. Aufgrund eines Gendefekts ist der Stoffwechsel in den Nervenzellen gestört; die Zellen können sich nicht reinigen und sterben allmählich ab. Die Kinder entwickeln sich erst normal. Im Vorschulalter bemerken die Eltern Sehschwierigkeiten. Bald können die Kinder nicht mehr so gut laufen und toben wie ihre Altersgenossen. Nach einer oft jahrelangen Ärzte-Odyssee steht dann die Diagnose fest: Erblindung, Verlust der Sprachfähigkeit, Rollstuhl, epileptische Anfälle, ein früher Tod - oft zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr - aufgrund von NCL.

"Für die Forschung an NCL ist das Stipendium an der TU Dresden ein wichtiger Meilenstein, weil dadurch die dringend notwendige Grundlage für die zukünftige wissenschaftliche Arbeit an dieser seltenen und tödlichen Erkrankung gelegt werden kann" unterstreicht Professor Alexander Storch, Leitender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und Leiter der mit den NCL-Forschungen befassten Dresdner Arbeitsgruppe.

Empfängerin des NCL-Forschungsstipendiums ist die Diplomchemikerin Xenia Lojewski. Sie untersucht, wie aus Patientenzellen induzierte pluripotente Stammzellen - also keine embryonalen Stammzellen - hergestellt werden. Erst seit 2006 ist die Technik bekannt, menschliche Hautzellen zu induzierten, pluripotenten Stammzellen (iPS) zu reprogrammieren. Diese iPS gleichen embryonalen Stammzellen, allerdings stammen sie nicht aus befruchteten Eizellen, sondern aus Zellen des jugendlichen oder erwachsenen Menschen. Damit ist es möglich, Zellen von Patienten mit erblichen Erkrankungen zu gewinnen, die dann in alle Zellen des menschlichen Körpers differenziert werden können.

"So können erstmals Nervenzellen im Reagenzglas hergestellt werden, die denen des Patienten sehr ähnlich sind", erklärt Xenia Lojewski. Damit erhoffen sich die Wissenschaftler der TU Dresden, NCL zu Grunde liegende Störungen in den Nervenzellen selbst untersuchen und gegebenenfalls behandeln zu können. Bis heute war dies nicht möglich, da dem Menschen keine Nervenzellen entnommen werden konnten, ohne ihm zu schaden. "Die iPS-Zellen können uns helfen, die Ursachen von NCL und den Krankheitsverlauf besser zu verstehen", sagt Dr. Frank Stehr, Leiter Forschung der NCL-Stiftung. "Mit dem Wissen, was in den Zellen schief läuft, kann man erst zielorientiert darauf Einfluss nehmen." Die Zellen eines einzelnen Patienten reichen bei den Forschungen natürlich nicht aus, daher müssen von mehreren Patienten Hautproben genommen werden, damit man aussagekräftige Ergebnisse erzielen kann.

Neben der Erforschung möglicher Ursachen kann diese innovative Technologie auch als neuartiges Modellsystem verwendet werden. Sobald iPS von Patienten mit NCL hergestellt und daraus Nervenzellen gewonnen sind, können diese verwendet werden, um neuartige Medikamente an patientenspezifischen Nervenzellen zu evaluieren. "Damit erhoffen wir uns Therapieansätze, die viel besser an die echte Krankheit angepasst und so hoffentlich deutlich wirksamer und nebenwirkungsärmer sind", fügt Prof. Storch hinzu. Diese bereits im Vorfeld von klinischen Studien so "nah" am Patienten ansetzende Forschung verspricht auch einen reduzierten Bedarf an immer noch notwendigen Tierversuchen. Aber eine Zellkultur ist kein vollständiger Organismus, daher wird man auch immer nur begrenzt Aussagen treffen können. Mausversuche sind deshalb ergänzend immer noch notwendig. Am Ende stehen dann klinische Studien mit Patienten, die die Wirksamkeit von Therapieansätzen beim Menschen ermitteln.

Die Wissenschaftler aus der Neurologie der TU Dresden sind bei diesem Forschungsprojekt länderübergreifend mit drei weiteren Arbeitsgruppen vernetzt. Neben der Arbeitsgruppe um Prof. Alexander Storch in Dresden sind Prof. Hans Schöler vom Max-Plank-Institut für molekulare Biomedizin in Münster sowie Prof. Susan Cotman und Prof. Kwang-Soo Kim - beide von der Harvard Medical School, Boston, USA - daran beteiligt. Für Prof. Schöler, einem der führenden Stammzellenexperten weltweit, ist das Projekt so bedeutsam, dass er aus eigenen finanziellen Mitteln eine zweite Doktorandenstelle am Max-Planck-Institut in Münster finanziert. "Mit dieser engen Vernetzung können die in den verschiedenen Labors vorhandenen Techniken zusammengeführt und damit ein maximal möglicher Zeitgewinn erreicht werden", prognostiziert Prof. Storch. Der NCL-Stiftung ist es damit gelungen, zwei neue Arbeitsgruppen für die Erforschung von NCL zu gewinnen - eine in Dresden und eine in Münster.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.neuro.med.tu-dresden.de
http://www.ncl-stiftung.de

Kontakte
NCL-Stiftung
Dr. Frank Stehr
E-Mail: frank.stehr@ncl-stiftung.de

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Klinik und Poliklinik für Neurologie
Prof. Dr. Alexander Storch
E-Mail: Alexander.Storch@neuro.med.tu-dresden.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/pages/de/attachment4831
Was ist NCL - Neuronale Ceroid Lipofuszinose?


Die NCL-Stiftung
Die gemeinnützige NCL-Stiftung wurde am 7. August 2002 von Dr. Frank Husemann gegründet, nachdem bei seinem Sohn Tim 2001 im Alter von sechs Jahren NCL diagnostiziert wurde. Zweck der Stiftung ist es, die tödliche Kinderkrankheit NCL mit gezielter Forschungsarbeit zu bekämpfen. Neben der Forschungsförderung und Forschungsinitiierung liegt ein weiterer Schwerpunkt der Stiftungstätigkeit in der Aufklärung von relevanten Ärztegruppen, betroffenen Eltern und der Öffentlichkeit.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1564

Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Holger Ostermeyer, 16.09.2010

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2010