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MELDUNG/193: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 10.09.10 (idw)


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Raute

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden - 09.09.2010

Ursache für viele embryonale Chromosomendefekte ermittelt

Wissenschaftler des Instituts für Physiologische Chemie der Medizinischen Fakultät an der TU Dresden machen altersbedingten Abbau von Bindeproteinen für die Chromosomenfehlverteilung in Eizellen verantwortlich / Folge ist bei zunehmendem Alter der Mütter ein dramatisch steigendes Risiko embryonaler Chromosomendefekte / Forschungsergebnisse in der aktuellen Ausgabe der angesehenen Fachzeitschrift "Current Biology" publiziert

Forscher des Instituts für Physiologische Chemie der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus an der TU Dresden haben einen wesentlichen Grund für viele embryonale Chromosomendefekte ermittelt. Schon bevor Mädchen geboren werden, sind in den Eierstöcken alle Zellen vorhanden, die sich später zu Eizellen weiterentwickeln. Die darin enthaltenen Chromosomenpaare werden durch Bindeproteine, sogenannte Cohesine, in Position gehalten. Alle notwendigen Cohesine werden während der Embryogenese gebildet. Im Laufe der Jahrzehnte, in denen später aus diesen Zellen befruchtungsfähige Eizellen reifen, können diese Proteine an Bindekraft verlieren und eventuell abgebaut werden. Dies erklärt das mit zunehmendem Alter der Mütter dramatisch steigende Risiko embryonaler Chromosomendefekte. Die Ergebnisse der Dresdner Wissenschaftler werden in der aktuellen Ausgabe der angesehenen Fachzeitschrift ?Current Biology? (Oocyte Cohesin Expression Restricted to Predictyate Stages Provides Full Fertility and Prevents Aneuploidy; Ekaterina Revenkova, Kathleen Herrmann, Caroline Adelfalk, and Rolf Jessberger; 10.1016/j.cub.2010.08.024) publiziert.

Mit zunehmendem mütterlichen Alter steigt die Häufigkeit von Erbkrankheiten wie dem Down-Syndrom (Trisomie 21) sprunghaft an: im Alter von 40 Jahren liegen bei mehr als einem Drittel aller Schwangerschaften embryonale Chromosomendefekte vor. Insbesondere Aneuploidien - also die fehlerhafte Verteilung von Chromosomen bei der Eizellbildung und daher falsche Anzahl von Chromosomen in den Oocyten - sind sehr häufig. Hierzu zählt beispielsweise die Trisomie 21. Mit in vergangenen Jahren zunehmendem Gebäralter stellt sich hier ein Problem besonderer Dringlichkeit.

Chromosomenpaare müssen im Ruhestadium der Oocyte über bis zu fünf Jahrzehnte zusammengehalten werden, um dann die korrekte Verteilung zu ermöglichen. Das zuständige "Klebeprotein? ist als Cohesin bekannt." Vor wenigen Jahren konnte die Arbeitsgruppe von Prof. Rolf Jessberger nachweisen, dass bei einem Mangel an Cohesin in Mäusen ein dem Menschen sehr ähnlicher Anstieg an Chromosomenfehlverteilungen (Aneuploidien) auftritt. Die Ergebnisse der Arbeit wurden 2005 im renommierten Fachblatt Nature Genetics veröffentlicht.

Eine der zentralen Fragen blieb, ob die kontinuierliche Neuproduktion von Cohesin während der langen Ruhephase der unreifen Eizellen notwendig ist, um Chromosomen zusammenzuhalten. In soeben publizierten Studien (Current Biology, 2010) konnte die Arbeitsgruppe im Mausmodell zeigen, dass nur das Cohesin notwendig ist, das sehr früh während der embryonalen Oocytenentwicklung gebildet wird. Dieses frühe Cohesin reicht in der Maus für deren etwa zweijährige Lebenszeit aus. Zusammen mit weiteren in der gleichen Ausgabe der Zeitschrift und zum Teil unter Beteiligung der Arbeitsgruppe um Prof. Jessberger publizierten Ergebnissen wird deutlich, dass jedoch bereits in der Maus mit zunehmendem Alter die Wirkung des Cohesins schwächer wird. Beispielsweise verschwinden Cohesinschutzproteine, wie in Kooperation mit einer Arbeitsgruppe der University of Newcastle, England, gezeigt wurde. Zusammengefasst ergibt sich damit als seit langem gesuchter Grund für das altersabhängige Auftreten von Aneuploidien des Menschen die langsame Zerstörung des Cohesins und das damit verbundene Auseinanderfallen der Chromosomen.

Weitere Informationen finden Sie unter
Website des Instituts für Physiologische Chemie:
http://tu-dresden.de/med/phc/
Fundstelle des Beitrag im online-Portal von Current Biology:
http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6VRT-50XJRC3-5&_user=1592544&_coverDate=09%2F02%2F2010&
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Kontakt:
Technische Universität Dresden
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
Institut für Physiologische Chemie
Prof. Dr. Rolf Jessberger
E-Mail: rolf.jessberger@tu-dresden.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1564

Quelle: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Holger Ostermeyer, 09.09.2010

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 09.09.2010

Rezeptorblockade verbessert Lungenfunktion bei Mukoviszidose

September-Titelstory in Nature Medicine / doi:10.1038/nm.2209

Mukoviszidose ist die häufigste erbliche Stoffwechselerkrankung. Weltweit leben etwa 70.000 Menschen, in Europa etwa 30.000 Menschen mit der Erkrankung, die als Cystische Fibrose (CF) oder Mukoviszidose bekannt ist. Die Ursache der angeborenen Erkrankung - ein genetischer Defekt - ist bislang nicht heilbar, so dass nur die Symptome gelindert werden können. Die betroffenen Patienten leiden an schweren Störungen der Atmung und der Verdauung, da bestimmte Drüsenzellen in Lunge, Bauchspeicheldrüse oder Dünndarm anstelle des normalerweise flüssigen Sekrets einen zähen Schleim absondern. In dem vermehrten Schleim der Atemwege können sich Bakterien leicht ansiedeln, was wiederum zu häufigen Lungenentzündungen führt. Letztendlich sterben die Patienten an diesen Lungenerkrankungen, die durch chronische Entzündungen und Infektionen charakterisiert sind. Bei den entzündlichen Vorgängen sammeln sich vor allem neutrophile Granulozyten im erkrankten Lungengewebe an. Diese erzeugen in den Atemwegen sog. DNA-Netze, die die Atmungsfunktion beeinträchtigen. In der - aktuell als Titelgeschichte in Nature Medicine publizierten - Arbeit konnten Wissenschaftler durch eine spezifische Rezeptorblockade die Netzbildung verringern und damit die Lungenfunktion bei Mukoviszidose im Tiermodell verbessern.

Diese zellulären Vorgänge stehen im Mittelpunkt der aktuellen Forschung des neu an die Universitätskinderklinik Tübingen berufenen Professors Dominik Hartl, dessen Ergebnisse im September auf der Titelseite von Nature Medicine präsentiert werden. Die Granulozyten, normalerweise hilfreiche anti-bakterielle Abwehrzellen des angeborenen Immunsystems, scheinen im Krankheitsgeschehen der Mukoviszidose-Patienten einen schädlichen Einfluss auf den Erkrankungsverlauf zu haben. Die zu Grunde liegenden Mechanismen waren bislang nur unzureichend verstanden. Die DFG Emmy Noether Forschungsgruppe um Prof. Hartl konnte nun erstmals zeigen, dass neutrophile Granulozyten in den Atemwegen von Mukoviszidose-Patienten DNA-Netze auswerfen, (sogenannte "Neutrophil extracellular traps", NETs), welche die Atemwege der Betroffenen in Mitleidenschaft ziehen und damit deren Atemfunktion verschlechtern.

Die NETs werden über einen bislang unbekannten zellulären Mechanismus geformt, der über den G-Protein gekoppelten Rezeptor CXCR2 vermittelt wird. Da G-Protein gekoppelte Rezeptoren ideale pharmakologische Zielstrukturen darstellen, führte die Forschungsgruppe um Prof. Hartl therapeutische Versuche in einem Mausmodell der Mukoviszidose-Lungenerkrankung durch. Diese Studien zeigten, dass die Verabreichung eines CXCR2-Antagonisten die NETs-Formation und die Lungenfunktion bei Mukoviszidose in vivo günstig beeinflusst. Von den Forschungsergebnissen versprechen sich Hartl und Mitarbeiter neue pharmakotherapeutische Strategien, um die mittlere Überlebenszeit der Patienten, die aktuell bei rund 37 bis 40 Jahre liegt, zu verlängern.

Die Forschungsarbeit ist aus der engen interdisziplinären Zusammenarbeit von Pädiatern, Pulmonologen, Mikrobiologen und Immunologen entstanden. Maßgeblich neben der Arbeitsgruppe um Prof. Hartl daran waren beteiligt Prof. Marcus Mall von der Uniklinik Heidelberg, Prof. Gerd Döring von der Mikrobiologie des Uniklinikums Tübingen sowie Forscher aus dem Helmholtz Zentrum München, der Universität Amsterdam und der Universität Salzburg.

Ansprechpartner für nähere Informationen
Universitätsklinikum Tübingen
Prof. Dr. med. Dominik Hartl
DFG Emmy Noether Gruppe
Professur für Pädiatrische Infektiologie und Immunologie
Kinderklinik, Abteilung I (Allgemeine Pädiatrie, Hämatologie und
Onkologie, Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Rupert Handgretinger) und
Interdisziplinäres Zentrum für Infektionsmedizin Tübingen (IZIT)
Hoppe-Seyler-Str. 1, 72076 Tübingen
dominik.hartl@med.uni-tuebingen.de

Titel der Originalpublikation
CXCR2 mediates NADPH oxidase-independent neutrophil extracellular trap formation in cystic fibrosis airway inflammation
Marcos V, Zhou Z, Yildirim A, Bohla A, Hector A,Vitkov L, Wiedenbauer EM, Krautgartner W, Stoiber W, Belohradsky BH, Rieber N, Kormann M, Koller B, Roscher A, Roos D, Griese M, Eickelberg O, Döring G, Mall MA and Hartl D.
Nature Medicine, published online 5 September 2010
(doi:10.1038/nm.2209)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 09.09.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2010