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MELDUNG/112: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 30.04.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


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→  "Sehen mit den grauen Zellen
      Neue Mikroskopie-Methode macht Nervenschaltungen im Gehirn sichtbar
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Raute

Wilhelm Sander-Stiftung - 29.04.2010

Ein "Tumor-Gen" enthüllt sein wahres Gesicht

Was in gesunden Zellen als "Notfall-Programm" angelegt ist, nutzen Nierentumorzellen als permanenten Mechanismus um ihr rasantes Wachstum zu ermöglichen. Die Arbeitsgruppe von Christina Warnecke am Uniklinikum Erlangen hat ein in diesem Prozess vermutlich zentrales Gen unter die Lupe genommen. Das Hypoxie-induzierbare Gen 2 (HIG2) ist Bestandteil eines komplexen Programms, mit dem sich gesunde Zellen normalerweise vor Schäden durch Sauerstoffmangel (Hypoxie) schützen. Die Mediziner fanden heraus, dass HIG2 die vermehrte Speicherung von Fetttröpfchen in der Zelle anregt. Die Wissenschaftler wollen nun im Detail klären, welche Bedeutung HIG2 und die Fettdepots für das Tumorwachstum haben.

Mit der ständigen Aktivierung des Notfall-Programms schaffen die Nierentumorzellen erst die Voraussetzungen für ihr übermäßiges Wachstum: Sie regen die sauerstoffunabhängige Energieproduktion in den Zellen an und stimulieren die Bildung von Blutkapillaren und damit die Versorgung des Tumors mit Sauerstoff. Um Tumore künftig wirksamer behandeln zu können, müssen Mediziner und Wissenschaftler alle Facetten des genetischen Programms, das durch Sauerstoffmangel angeschaltet wird, möglichst genau verstehen. Da HIG2 die Speicherung von Neutralfetten in Zellen fördert, könnten die Erkenntnisse auch helfen, die Mechanismen bei Arterienverkalkung (Atherosklerose) und bestimmten Formen der Leberverfettung besser zu verstehen.

Die Gruppe um Christina Warnecke hat wesentlich dazu beigetragen, die Funktion von HIG2 zu enthüllen und mit althergebrachten Vermutungen aufzuräumen. Christina Warnecke: "Unser Verständnis der Funktion von HIG2 hat sich infolge unserer Forschungsergebnisse grundlegend gewandelt. HIG2 fördert nicht die Transformation von Zellen zu Tumorzellen und hat auch keinen direkten Einfluss auf die Zellteilung."

Die Wissenschaftler konnten zum Beispiel die Ergebnisse einer japanischen Studie korrigieren, die postulierte, dass HIG2 ein von den Nierenkarzinomzellen gebildeter und ausgeschleuster Botenstoff sein könnte, der bei anderen Zellen die Zellteilung anregt und damit das Tumorwachstum fördert. Die Erlanger Mediziner wiesen nach, dass HIG2 nicht spezifisch für Nierenkarzinomzellen ist, obwohl es von diesen Zellen aufgrund ihres Gen-Defekts tatsächlich in großen Mengen produziert wird. HIG2 ist überdies in allen Zellen des Körpers nachweisbar, wird aber bei Sauerstoffmangel vermehrt gebildet.

Mit Hilfe eines spezifischen Antikörpers gelang es der Gruppe um Warnecke, das HIG2 Protein in Zellkulturen und in Nierenzelltumoren von Patienten anzufärben. HIG2 ist in Zellen an bläschenförmigen Strukturen nachweisbar, die anfangs fälschlicherweise für Zellorganellen gehalten wurden. Es stellte sich jedoch heraus, dass die bläschenförmigen Strukturen Fetttropfen (engl. lipid droplets) sind. Die Fetttröpfchen werden von einer einschichtigen Membran umgeben, in der das HIG2 Protein verankert ist (Abbildung 1). Intrazelluläre Fetttropfen wurden lange Zeit von der Wissenschaft ungenügend beachtet, weil sie als einfache, passive Speicherpartikel angesehen wurden. Die Identifizierung von mittlerweile fast zweihundert verschiedenen Proteinen in und auf Fetttropfen zeigte jedoch, dass intrazelluläre Fetttropfen den Zellorganellen ähnlich sind, weil sie vielfältige Funktionen in der Zelle ausüben können und in einem aktiven und sehr dynamischen Wechselspiel mit anderen Zellorganellen stehen. Da Tumorzellen einen höheren Energiebedarf haben als normale Zellen, könnte der durch HIG2 unterstützte Aufbau von Fettspeichern die Tumorzellen vor Energiedefiziten in Phasen eines niedrigen Blutzuckerspiegels schützen.

Die Wissenschaftler konnten HIG2 nicht nur in Nierentumoren nachweisen, sondern auch in den Wänden von atherosklerotischen Herzkranzgefäßen und in bestimmten Fällen von Leberverfettung (Abbildung 2). Dies legt nahe, dass neben einer ernährungsbedingten Verfettung auch Sauerstoffmangel bei der Entstehung dieser Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Die ernährungsbedingte Verfettung ist die häufigste Form der Fettspeicherung beim Menschen und betrifft zunächst überwiegend das Fettgewebe, aber auch die Leber und die Skelettmuskulatur. Sauerstoffmangel führt über einen ganz anderen Mechanismus zu einer zunächst zeitweisen Fettablagerung in Zellen - nämlich indem der Fettabbau unterbrochen wird. Die dabei in den Zellen angehäuften freien Fettsäuren können entzündungsauslösende und sogar zelltoxische Wirkungen haben und müssen daher unschädlich gemacht werden. Dies geschieht durch die Umwandlung in Neutralfette und Speicherung in Fetttropfen. Beide Mechanismen der intrazellulären Fettablagerung, die ernährungsbedingte und die hypoxische, können zusammenwirken und dazu führen, dass aus einer zunächst harmlos erscheinenden Fettansammlung ein entzündungsähnlicher Zustand resultiert, bei der von den Zellen Botenstoffe abgegeben werden, die auch andere Organe und die Blutgefässe schädigen.

Für die umfangreichen Untersuchungen haben Christina Warnecke und Tina Gimm ein spezielles Zellkultursystem entwickelt, in dem sie HIG2 künstlich in Zellen in einem Ausmaß produzieren, wie es unter Sauerstoffmangel oder in Nierenzellkarzinomen beobachtet wird. Dabei stellten sie fest, dass die Überproduktion von HIG2 allein ausreicht, um auch bei genügend Sauerstoffzufuhr in den Zellen eine verstärkte Ablagerung von Fetten auszulösen. "Da Tumorzellen einen höheren Energiebedarf haben als normale Zellen, könnte der durch HIG2 unterstützte Aufbau von Fettspeichern die Tumorzellen vor Energiedefiziten in Phasen eines niedrigeren Blutzuckerspiegels schützen", erläutert Warnecke. In den HIG2-produzierenden Zellen stieg außerdem die Produktion von Botenstoffen, die Entzündungsprozesse fördern. Einer dieser Botenstoffe regt auch die Bildung von neuen Blutgefäßen an. Dies könnte einer der Mechanismen sein, wie HIG2 in Nierenzellkarzinomen das Tumorwachstum indirekt unterstützt. Eine direkte Stimulation der Zellteilung durch HIG2 konnten Warnecke und Gimm nicht nachweisen. Auch in subkutanen Tumoren in Mäusen hatte die Menge von HIG2 in den Tumorzellen nur einen sehr geringen und vorübergehenden Einfluss auf das Tumorwachstum.

"Die Erkenntnis, dass HIG2 ein Fetttropfenprotein ist, bestätigt, dass der molekulare Schalter, der bei Sauerstoffmangel das genetische Notfall-Programm aktiviert, in erster Linie eine Schutzfunktion für Zellen hat und nicht direkt das Tumorwachstum fördert", resümiert die Medizinerin. Mit welchen Mechanismen HIG2 das Tumorwachstum aber indirekt unterstützt, wollen Warnecke und ihr Team im nächsten Schritt klären.


Die Wilhelm Sander-Stiftung
fördert die Fortsetzung dieses Forschungsprojekt mit weiteren Mitteln von über 20.000 €, nachdem bislang über 80.000 € Fördermittel geflossen sind. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Weitere Informationen zur Stiftung:
http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

http://idw-online.de/pages/de/image114591
Abb. 1: Das HIG2 Protein befindet sich in Zellen in der Hülle von Fetttropfen.
A) HIG2 (mit Hilfe eines spezifischen Antikörpers rot angefärbt) umgibt einen Kern von grün angefärbten Neutralfetten (hier gezeigt in Leberkarzinomzellen). Das bedeutet, dass HIG2 in der einschichtigen Membran von Fetttropfen steckt. Gestrichelte Linien umgeben Zellkerne.
B) Vergrößerung des in A markierten Bereichs.
C) Die Zelllinie U937 ähnelt bestimmten im Blut bzw. im Gewebe vorkommenden weißen Blutkörperchen, den Monozyten bzw. Makrophagen ("große Fresszellen"), die sich bei der Atherosklerose durch exzessive Aufnahme von Neutralfetten und Cholesterin zu sog. Schaumzellen umwandeln.

http://idw-online.de/pages/de/image114592
Abb. 2: HIG2 im Nierenzellkarzinom, in einer atherosklerotischen Arterie und in einer Fettleber.
A) Im Nierenzelltumor umgibt HIG2 (rot angefärbt) charakteristische Aussparungen (weiß), die wahrscheinlich durch die Gewebeaufarbeitung ausgewaschene Fet ttropfen sind, und diesem Tumor den Namen "klarzelliges" Nierenzellkarzinom gegeben haben; die Zellkerne wurden dunkelblau angefärbt.
B) Eine ähnliche Form haben die roten HIG2 Signale (Pfeile) in der Wand eines atherosklerotischen Herzkranzgefäßes. Hier könnten es Makrophagen-Schaumzellen sein, die das HIG2-Protein in großer Menge produzieren und die charakteristisch für Atherosklerose sind; Zellkerne dunkelblau.
C) In bestimmten Fällen von Leberverfettung lässt sich HIG2 (rot) auch in der Hülle von Fetttropfen in Leberzellen nachweisen (Pfeile).



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Bernhard Knappe, 29.04.2010

Raute

Technische Universität München - 29.04.2010

Sehen mit den grauen Zellen
Neue Mikroskopie-Methode macht Nervenschaltungen im Gehirn sichtbar

Wenn sich ein Gegenstand vor unserem Auge bewegt, feuern bestimmte Nervenzellen in unserem Hinterkopf elektrische Signale - je nach Bewegungsrichtung sind andere Zellen aktiv. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) können jetzt im Gehirn beobachten, wie einzelne dieser Nervenzellen solche Bewegungssignale empfangen und verarbeiten: Erstmals kann eine neue Mikroskopie-Methode einzelne, ein Tausendstel Millimeter kleine Nervenverschaltungen (Synapsen) darstellen. In Zukunft könnte die Methode verstehen helfen, wie Lernen auf der Ebene einer Nervenzelle funktioniert. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

Licht, das auf die Netzhaut des menschlichen Auges fällt, trifft dort auf 126 Millionen Sinneszellen, die es in elektrische Signale umwandeln. Bereits die kleinste Einheit des Lichts, ein Photon, kann eine der Sinneszellen stimulieren. Die Folge: Ungeheure Datenmengen müssen verarbeitet werden, damit wir sehen können. Die Datenverarbeitung beginnt bereits in der Netzhaut, aber das fertige Bild entsteht erst im Gehirn, genauer: in der Sehrinde im hinteren Teil des Großhirns.

Die Wissenschaftler um den TUM-Neurophysiologen Prof. Arthur Konnerth interessieren sich für eine bestimmte Sorte von Nervenzellen in der Sehrinde, die auf Bewegungen reagiert. Ob vor dem Auge ein Balken von unten nach oben wandert oder von rechts nach links: Stets reagieren andere Nervenzellen der Sehrinde. Wie die gesendeten Impulse dieser "Richtungs"-Neuronen aussehen, ist gut bekannt - doch wie sieht das Eingangssignal aus? Das ist nicht leicht zu beantworten, denn jede der Nervenzellen besitzt einen ganzen Baum winziger, verästelter Antennen, an die hunderte anderer Nervenzellen mit ihren Synapsen andocken.

Um mehr über das Eingangssignal herauszufinden, schauten Konnerth und seine Mitarbeiter einer Maus beim Sehen zu. Dazu verfeinerten sie eine Mikroskopie-Methode, mit der sich bis zu einem halben Millimeter in das Hirngewebe hineinblicken und eine einzelne Zelle beobachten lässt, die sogenannte 2-Photonen-Fluoreszenz-Mikroskopie. Gleichzeitig leiteten sie mit haarfeinen Pipetten elektrische Signale an einzelnen Baum-Fortsätzen derselben Nervenzelle ab (Patch-Clamp-Technik). Konnerth: "Ähnliche Versuche wurden bisher nur in Kulturschalen mit gezüchteten Nervenzellen gemacht, lebendes Gewebe ist viel komplexer. Da es sich immer ein bisschen bewegt, war es sehr schwierig, alle Verästelungen eines Neurons im Bild so hoch aufzulösen, dass wir einzelne Synapsen darstellen konnten."

Der Lohn der Anstrengungen: Konnerth und seine Kollegen entdeckten, dass ein "Richtungs"-Neuron bei mehreren, unterschiedlichen Bewegungen des Balkens vor dem Auge Signale von den mit ihm vernetzten Nervenzellen empfängt. "Hier wird es richtig spannend", meint Konnerth. Denn die "Richtungs"-Nervenzelle versendet nur ein Ausgangssignal wie zum Beispiel "bewegt sich von unten nach oben". Offenbar verrechnet sie also die unterschiedlichen Eingangssignale miteinander und reduziert damit die Fülle eintreffender Einzeldaten auf wesentliche Informationen, die für das klare Sehen einer Bewegung wichtig sind.

In Zukunft will Konnerth mit seinem Forschungsansatz auch den Prozess des Lernens an einer einzelnen Nervenzelle beobachten. Viele Nervenenden senden praktisch nie Signale an den Antennen-Baum eines "Richtungs"-Neurons. Wenn das Auge etwa andere Arten von Bewegungen wahrnimmt, könnten solche stummen Nervenenden aktiv werden. Das würde den Verrechnungsmechanismus der "Richtungs"-Nervenzelle so verändern, dass sie ihre bevorzugte Richtung ändert: Die Maus würde lernen, bestimmte Bewegungen vielleicht besser oder schneller zu sehen. "Da wir mit unserer Methode gleichzeitig die Verschaltung und das Verhalten ein und derselben Nervenzelle im Gehirn beobachten können, werden wir einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Lernen leisten können", ist Konnerth überzeugt. "Hier an der TU München arbeiten wir eng mit Physikern und Ingenieuren zusammen. So haben wir beste Chancen, die räumliche und zeitliche Auflösung der Bilder weiter zu verbessern."

Nature-Artikel:
Dendritic organization of sensory input to cortical neurons in vivo
Hongbo Jia, Nathalie L. Rochefort, Xiaowei Chen, Arthur Konnerth
DOI: 10.1038/nature08947

Die Arbeit wurde unterstützt durch Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Friedrich-Schiedel-Stiftung.

Kontakt:
Prof. Arthur Konnerth
Fellow des Institute for Advanced Study (IAS) der TUM (1)
Direktor des Instituts für Neurowissenschaften
Technische Universität München
office.konnerth@lrz.tum.de
www.ifn.me.tum.de

(1) Das TUM Institute for Avanced Study (TUM-IAS) wurde mit Mitteln der Exzellenzinitiative gegründet und bietet international ausgewiesenen Spitzenforschern (IAS-Fellows) ein Arbeitsumfeld, in dem sie frei von den bürokratischen Belastungen des klassischen Universitätsalltags neue, risikoreiche und interdisziplinäre Forschungsprojekte verfolgen können. TUM-IAS steht wissenschaftlichen Pionieren aus der TUM, der forschenden Industrie und forschenden Einrichtungen aus dem In- und Ausland offen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution73

Quelle: Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 29.04.2010

Raute

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 29.04.2010

Ein Protein bei der Arbeit
Biophysiker der Universität Freiburg bauen Sonde in Protein ein


Veröffentlichung in "Nature"

Proteine sind die molekularen Maschinen in unseren Zellen. Um ihre Funktionsweise verstehen zu können, muss man die bei ihrer Arbeit ablaufenden Veränderungen auf einem molekularen Niveau verfolgen können. Dies ist möglich mithilfe von Infrarotspektroskopie, speziell der so genannten Fourier-Transform Infrarot (FTIR) Spektroskopie, die die Schwingungen der einzelnen chemischen Bindungen in einem Protein und deren Veränderungen während der Arbeit des Proteins messen kann. Ein FTIR-Spektrum eines typischen Proteins setzt sich jedoch aus mehreren tausend Schwingungen zusammen, die sich gegenseitig überlagern, so dass es mühsam und oft unmöglich ist, die interessierenden Schwingungsbanden zu isolieren.

Den Biophysikern PD Dr. Reiner Vogel und Dr. Ekaterina Zaitseva vom Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung der Universität Freiburg ist es in einer engen Zusammenarbeit mit Shixin Ye und Thomas P. Sakmar in New York sowie Xavier Deupi in Barcelona gelungen, eine molekulare Sonde in ein Protein einzubauen und deren Veränderungen während der Arbeit des Proteins im Detail spektroskopisch zu verfolgen. Während die Proteine unserer Zellen normalerweise aus einem eng begrenzten Repertoire von Bausteinen, den Aminosäuren, zusammengesetzt werden, wurden die Zellen hier veranlasst, einen eingeschleusten künstlichen Baustein gezielt einzubauen. Dieser künstliche Baustein, p-azido-Phenylalanin, wurde für die spektroskopischen Methoden maßgeschneidert und trägt eine so genannte Azido-Gruppe aus drei Stickstoffatomen, die in einem isolierten spektralen Bereich absorbiert und nicht von anderen Schwingungen überlagert ist. Diese Technik wurde auf den Lichtrezeptor Rhodopsin angewandt, ein Membran-Protein in den für das Sehen zuständigen Sinneszellen der Netzhaut.

Absorbiert das Rhodopsin ein Photon, so durchläuft es eine Reihe von Zwischenstufen, so genannte Intermediaten, in denen sich die durch die Lichtreaktion induzierten Veränderung innerhalb des Rezeptors sukzessive ausbreiten, bis er schließlich voll aktiviert ist und wiederum nachgeschaltete Elemente der Signalübertragungskette aktivieren kann. Mithilfe der neu entwickelten Technik konnten die Freiburger Wissenschaftler und ihre Kollegen nun diese strukturellen Veränderungen innerhalb der einzelnen Intermediate genauer untersuchen. In ihrem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" (Nature 464: 1386 - 1389) zeigen sie unter anderem, dass Bewegungen von kompletten Strukturelementen schon erheblich früher nach der Lichtabsorption auftreten als bisher angenommen wurde. Die beteiligten Biophysiker sind zuversichtlich, dass die an Rhodopsin gewonnenen Erkenntnisse auch unser Verständnis der Aktivierung anderer Rezeptoren prägen werden. Durch ihre Sensitivität für elektrostatische Veränderung wird durch diese neue Technik das Methoden-Repertoire der Biophysik um eine wichtige Komponente erweitert.

Kontakt:
PD Dr. Reiner Vogel
Institut für Molekulare Medizin und Zellforschung
Universität Freiburg
E-Mail: reiner.vogel@biophysik.uni-freiburg.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image114681
Durch die Spektren der Azido-Sonde (blaue Gruppe) können die Veränderungen innerhalb des Rezeptors bei den einzelnen Aktivierungsschritten im Detail erforscht werden.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung
http://idw-online.de/pages/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 29.04.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2010