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MELDUNG/055: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 09.02.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Großangriff auf den Lebenszyklus von Malariaparasiten
      Durchbruch bei Erforschung von Malariaparasiten
→  Neues Instrument zur Erforschung von Ionenkanälen
→  Diabetesfolgen-Forschung - Wie schädigt erhöhter Blutzucker die Nieren?

Raute

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin - 08.02.2010

Großangriff auf den Lebenszyklus von Malariaparasiten

Durchbruch bei Erforschung von Malariaparasiten in "Nature Biotechnology"

Hamburg, 8. Februar 2010 - Forschern des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) und der Nanyang Technological University (NTU), Singapur, ist es erstmals gelungen, umfassend die Funktion von Proteinen (Eiweißmolekülen) des Malariaparasiten Plasmodium falciparum vorherzusagen.(1) Dafür haben sie Methoden der Informatik und der Zellbiologie miteinander kombiniert. Von ihrer Datenbank, die im Januar dieses Jahres veröffentlicht wurde, profitieren Wissenschaftler in aller Welt im Kampf gegen Malaria.

Noch immer sterben weltweit über eine Millionen Menschen jährlich an Malaria - alle 30 Sekunden stirbt ein afrikanisches Kind an den Folgen der Erkrankung. "Zunehmende Medikamentenresistenz des Malariaparasiten macht die Entwicklung neuer Strategien zur Vorbeugung und Behandlung der Infektion dringend notwendig", betont Dr. Tim Gilberger vom BNI. Da der Malariaerreger einen einzigartigen Lebenszyklus durchläuft, können Forscher auf molekularer Ebene nach Besonderheiten in der Entwicklung des Parasiten suchen. Diese Erkenntnisse nutzen sie dann aus, um Substanzen zu suchen, die dem Parasiten, nicht aber dem Menschen schaden.

Ein nützliches Hilfsmittel hierzu hat das Forscherteam um Dr. Gilberger (BNI) und Prof. Dr. Zbynek Bozdech (NTU) entwickelt: In einem Gemeinschaftsprojekt erstellten sie die weltweit erste Datenbank, die die Funktion von mehr als 2.500 hypothetischen Proteinen des Malariaerregers vorhersagt. Ausgangspunkt des Projekts war die große Herausforderung, dass die Funktion von über 50 Prozent der 5.300 Gene des Parasiten noch unbekannt war.

Die Datenbank wurde in der Januar-Ausgabe 2010 der hochrangigen Fachzeitschrift "Nature Biotechnology" veröffentlicht - nach rund fünf Jahren Forschungsarbeit.(1) Ein Aufwand, der sich gelohnt habe, so Gilberger. Denn "nur das vollständige Verstehen und Charakterisieren aller Gene bedeutet einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung neuer Strategien zu Prävention und Therapie der Malaria", erklärt der Parasitologe.

Was zuvor keiner wagte
Bioinformatik kombiniert mit modernsten Hochdurchsatz-Methoden

Bisher hatte sich kaum ein Wissenschaftler an einer Analyse aller Gene des Malaria-Erregers versucht. Die biologische Besonderheit des Parasiten erschwert die Anwendung von Forschungstechniken, die Wissenschaftler bei anderen Organismen mit Erfolg einsetzten. Dennoch wagten Gilberger und Bozdech den Schritt und sammelten Daten mittels moderner "Microarray-Technik". Dabei verglichen sie den Einfluss einer Vielzahl von Medikamenten und Substanzen auf die Genregulation des Erregers. Der Erfolg: Die Forschergemeinschaft konnte ihre eigenen Ergebnisse mit entwicklungsbiologischen Informationen von verschiedenen Malariaerregern, Analysen wiederkehrender Motive in DNA-Sequenzen und Hochdurchsatz-Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen einzelnen Proteinen kombinieren. "Nur durch die Kombination vier verschiedener Forschungsmethoden gelang es, das erste verlässliche Proteinnetzwerk von P. falciparum zu erstellen", so Gilberger. Die Datenbank stünde nun Wissenschaftlern aus aller Welt zur Verfügung.

BNI startet neuen Forschungsansatz gegen Parasiten-Invasion

Gilberger selbst ist am meisten am Proteinnetzwerk "Invasion" interessiert: die Gesamtheit aller Proteine, die - der Vorhersage zufolge - am Eindringen der Malariaerreger in Blutzellen beteiligt sind. Die Hamburger Wissenschaftler haben damit begonnen, 70 potentielle Invasions-Proteine herauszusuchen, um ihre Rolle beim Eindringen in Blutzellen zu bestätigen und genauer zu untersuchen.

Erste Ergebnisse seien viel versprechend, bemerkt Gilberger. Seine Gruppe konnte bereits 42 Proteine mit einem fluoreszierenden Farbstoff markieren und dadurch die Lokalisierung der Eiweißmoleküle im Parasiten bestimmen. "Möglicherweise können wir in Zukunft mit einem geeigneten Medikament die Ausbreitung des Erregers in die Blutzellen verhindern", hofft der Parasitologe des BNI. Bis dahin werde jedoch noch 'viel Wasser die Elbe hinunter fließen'. Denn "nur die funktionelle Untersuchung der mehr als 300 Invasions-Proteine wird es uns ermöglichen, die Schwachstellen in diesem Vorgang zu erkennen", erklärt Gilberger. Dann könne das gewonnene Wissen zur Entwicklung neuer Präventions- und Therapieansätze gegen Malaria genutzt werden.

Publikation: (1) Hu, et al.:
Transciptional profiling of growth perturbations of the human malaria parasite Plasmodium falciparum.
Nat Biotechnol. 2010 Jan; 28(1):91-8.

Über das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer Erkrankungen und neu auftretender Infektionskrankheiten. Gegenstand der Forschung sind Klinik, Epidemiologie und Krankheitsbekämpfung sowie die Biologie der Krankheitserreger, ihrer Reservoirtiere und Überträger. Den aktuellen Schwerpunkt bilden Malaria, hämorrhagische Fieberviren, Tuberkulose und Gewebewürmer. Für den Umgang mit hochpathogenen Erregern wie Lassa- und Ebola-Viren verfügt das Institut über Laboratorien der höchsten biologischen Sicherheitsstufe (BSL4). Als herausragende wissenschaftliche Leistungen des Instituts in jüngster Vergangenheit gelten die Identifizierung des SARS-Coronavirus und die Entdeckung eines bisher unbekannten Entwicklungsstadiums der Malaria-Erreger im Menschen.

Versorgungsleistungen des Instituts umfassen die spezielle Labordiagnostik tropentypischer und anderer seltener Erkrankungen, eine enge Zusammenarbeit mit der Bundeswehr sowie Beratung für Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit, die wesentlich zur gesamtstaatlichen Bedeutung des Instituts beitragen. Das Institut dient darüber hinaus als nationales Referenzzentrum für den Nachweis aller tropischen Infektionserreger, Referenzlabor für SARS und Kooperationszentrum der Weltgesundheitsorganisation für hämorrhagische Fieberviren.

Die Lehrtätigkeit umfasst einen dreimonatigen, ganztägigen Kursus über alle Aspekte der Tropenmedizin für Ärzte sowie ein Fortbildungsprogramm für Doktoranden des Instituts und eine Reihe von Weiterbildungsangeboten zu Themen der Reisemedizin und der internationalen Gesundheit. In Zusammenarbeit mit dem ghanaischen Gesundheitsministerium und der Universität von Kumasi betreibt das Institut seit über zehn Jahren ein modernes Forschungs- und Ausbildungszentrum in Ghana, das auch externen Arbeitsgruppen zur Verfügung steht. Als Mitglied der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) wird das Institut als Forschungsinstitut mit überregionaler Bedeutung gemeinsam durch den Bund, die Freie und Hansestadt Hamburg und die übrigen Bundesländer finanziert.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution1059

Quelle: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Dr. Eleonara Setiadi, 08.02.2010

Raute

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 08.02.2010

Neues Instrument zur Erforschung von Ionenkanälen

Gifte von Kegelschnecke und Trichterspinne helfen dabei

Mit Giften (Toxinen) von Kegelschnecken und Trichterspinnen erforschen Sebastian Auer, Annika S. Stürzebecher und Dr. Inés Ibañez-Tallon (Max-Delbrück-Centrum, MDC, Berlin) die Funktion von Ionenkanälen in Nervenzellen. Ionenkanäle in der Zellmembran ermöglichen die Kommunikation von Zellen mit ihrer Umgebung und sind daher lebenswichtig. Die Forscher entwickelten ein System, mit dem es erstmals möglich ist, gezielt und langandauernd die Funktion einzelner Ionenkanäle von Säugetieren zu untersuchen und mit Toxinen zu blockieren. In transgenen Mäusen konnten sie, durch ein in den Organismus eingebrachtes Toxin-Gen chronische Schmerzen zu blockieren (Nature Method, doi:10.1038/NMETH.1425).

Es gibt schätzungsweise 500 verschiedene Arten von Kegelschnecken, die jede 50 bis 200 verschiedene Toxine produzieren. Aber auch Schlangen, Spinnen, Seeanemonen oder Skorpione produzieren Giftstoffe. Sie lähmen damit bei der Jagd ihre Beute. Forscher schätzen, dass es über 100 000 solcher Giftstoffe gibt. Sie sind für die Wissenschaft interessant, da Forscher mit ihrer Hilfe hoffen, gezielt die Funktion der verschiedensten Ionenkanäle untersuchen zu können. Dabei geht es auch darum, Krankheitsprozesse zu erkennen und möglicherweise Ansätze für neue Therapien zu entwickeln, etwa um zu aktive Ionenkanäle zu blockieren. So gibt es bereits einen Wirkstoff für die Behandlung von Patienten mit schwersten chronischen Schmerzen, der auf einem Toxin einer Meeresschnecke basiert (Ziconotid).

Die Forschungsgruppe von Dr. Ibañez-Tallon konzentriert sich auf zwei von derzeit zehn bekannten Ionenkanälen in der Membran von Nervenzellen, die auf elektrische Erregung (Aktionspotential) reagieren und daraufhin den Einstrom von Kalziumionen in die Zelle ermöglichen. Als Folge schüttet die Zelle Botenstoffe des Nervenssystems (Neurotransmitter) aus, welche das Signal dann auf eine nachgeschaltete Nervenzelle übertragen.

Bisher setzten Forscher für ihre Untersuchungen Toxine von Kegelschnecken und der Trichterspinne ein, da sie speziell an die beiden Kalziumionenkanäle binden, die die Forscher interessieren. Die löslichen Gifte haben aber den Nachteil, dass sie, wenn sie in Gewebe injiziert werden, auch entfernter gelegende Ionenkanäle ansteuern und ihre Wirkung außerdem nicht lange anhält.

Sebastian Auer, Annika S. Stürzebecher und Dr. Ibañez-Tallon ist es gelungen, dieses Problem mit Hilfe der Gentechnik zu umgehen. Sie entwickelten mit Lentiviren ein Shuttle, mit dem sie die Gene der Toxine in Nervenzellen schleusen, um sie in das Genom der Zelle einzubauen. Die Zelle kann, wenn das Gen angeschaltet ist, Toxine produzieren, die gezielt an die von den Forschern zur Untersuchung ausgewählten Kalziumionenkanäle binden und zwar langandauernd. Damit haben sie den ersten Schritt erreicht - die gezielte und langanhaltende Ankopplung eines Toxins an einen ganz bestimmten Ionenkanal.

In einem zweiten Schritt konnten sie zeigen, dass sie auch in lebenden Tieren die Gene von Toxinen gezielt und langandauernd anschalten können, um Ionenkanäle zu untersuchen. In transgenen Mäusen gelang es ihnen, mit den Toxinen bestimmte Kalziumionenkanäle zu blockieren und damit chronische Schmerzen der Tiere zu unterbinden.

* Silencing neurotransmission with membrane-tethered toxins
Sebastian Auer 1,4, Annika S Stürzebecher 1,4, René Jüttner 2, Julio Santos-Torres 1, Christina Hanack 1, Silke Frahm 1, Beate Liehl 1 & Inés Ibañez-Tallon 1

1 Molecular Neurobiology group and
2 Developmental Neurobiology group, Department of Neuroscience
   Max Delbrück Center for Molecular Medicine, Berlin, Germany.
3 Present address: Novartis Pharma AG, Basel, Switzerland.
4 These authors contributed equally to this work.

Barbara Bachtler, Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image109037
Gifte der Kegelschnecke und der Trichterspinne unterbrechen die Weiterleitung von Signalen in Nervenzellen und blockieren damit chronischen Schmerz

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 08.02.2010

Raute

Friedrich-Schiller-Universität Jena - 08.02.2010

Wie schädigt erhöhter Blutzucker die Nieren?

Jenaer Nephrologe und Diabetologe für Diabetesfolgen-Forschung ausgezeichnet

(Jena) Prof. Dr. Gunter Wolf, Direktor der Klinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum Jena (UKJ), ist am vergangenen Wochenende in Mainz mit dem Bürger-Büsing-Preis ausgezeichnet worden. Der wissenschaftliche Beirat der Heinz Bürger-Büsing-Stiftung würdigt damit die langjährigen Forschungsarbeiten des Jenaer Nephrologen und Diabetologen, in denen er die Entstehung der diabetischen Nephropathie untersucht hat, einer wichtigen Langzeitkomplikation des Diabetes mellitus.

Diese Diabetes-Folgeerkrankung ist durch eine erhöhte Eiweißausscheidung im Urin, hohen Bluthochdruck und zunehmende Einschränkung der Nierenfunktion gekennzeichnet. Sie ist die häufigste Ursache eines dialysepflichtigen Nierenversagens und trägt entscheidend zur erhöhten Morbidität und Mortalität des Diabetes bei. "Wir konnten in Arbeiten, die vor mehr als 20 Jahren begonnen wurden, wichtige Pathomechanismen der diabetischen Nephropathie identifizieren. So konnten wir zeigen, dass hoher Blutzucker, aber auch durch hohen Blutzucker veränderte Eiweiße verschiedene proentzündliche und profibrotische Botenstoffe in der Niere stimulieren, die letztendlich zur Zerstörung des Nierengewebes beitragen", beschreibt Professor Wolf ein wesentliches Ergebnis seiner Forschungsarbeit. In aktuellen klinischen Studien zu Epidemiologie, Komplikationen und Auswirkungen der diabetischen Nephropathie konnten die im Labor gewonnen Ergebnisse auf die klinische Situation übertragen werden.

Mit der Auszeichnung würdigte der Stiftungsvorstand den Beitrag, den Professor Wolf durch seine Forschungsarbeiten dafür geleistet hat, dass Diabetespatienten ihre Nieren bis ins hohe Alter funktionsfähig erhalten können. Die Heinz Bürger-Büsing-Stiftung vergibt ihren international ausgeschriebenen und mit 10.000 Euro dotierten Forschungspreis jährlich für mehrjährige, richtungsweisende Arbeiten auf dem Gebiet der experimentellen oder klinischen Diabetesforschung.

Kontakt:
Prof. Dr. Gunter Wolf
Klinik für Innere Medizin III
Universitätsklinikum Jena
Erlanger Allee 101, 07747 Jena
E-Mail: gunter.wolf@med.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution23

Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena, Uta von der Gönna, 08.02.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2010