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KRIEGSMEDIZIN/043: Terrorgefahr - Ausstattung von Rettungswagen mit Tourniquets gefordert (DGOU)


Gemeinsame Pressemitteilung - 18. Januar 2017
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU)
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)

Blutungen stoppen, Leben retten / Terrorgefahr: Mediziner fordern Ausstattung von Rettungswagen mit Tourniquets


Berlin, 18.01.2017: Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) fordern, dass Rettungswagen bundesweit mit sogenannten Tourniquets ausgestattet werden. Das Tourniquet ist ein Abbindesystem, mit dem eine lebensbedrohliche Blutung an Armen oder Beinen unterbrochen und gestoppt werden soll - beispielsweise nach Explosions- oder Schussverletzungen bei einem Terroranschlag. Auf diese Forderung verständigten sich die Unfallchirurgen und Rettungsmediziner auf der DGU-Veranstaltung "Terroranschläge - eine neue traumatologische Herausforderung" am 14. Januar 2017 in München. DGU-Präsident Professor Ingo Marzi sagt: "Wir müssen uns weiterhin gut für den Fall terroristischer Anschläge vorbereiten - daher ist es sinnvoll, die Ausstattung mit Tourniquets für die Schwerverletztenversorgung nachzuholen."

Der Sprecher der DGAI-Arbeitsgemeinschaft (AG) Taktische Medizin und Oberstarzt Professor Matthias Helm wies in seinem Vortrag darauf hin, dass etwa 90 Prozent der Opfer von Terroranschlägen sterben würden, weil sie verbluteten. "Die Stillung der Blutung steht nach einer Explosion an erster Stelle", betont DGU-Generalsekretär Professor Reinhard Hoffmann. Die Erfahrung von Medizinern, die die Opfer der Anschläge von Paris vor Ort versorgten, zeige, dass die Tourniquets, die auf den Rettungswagen waren, nicht ausreichten - die Rettungskräfte und Ärzte griffen auf ihre Hosengürtel zurück und banden damit die verletzten Extremitäten ab. "Das Tourniquet ist eine einfache Maßnahme, um eine Blutung zu stoppen und somit Leben zu retten. Wir müssen es nur parat haben", sind sich Hoffmann und Helm einig.

Das Tourniquet stammt ursprünglich aus der militärischen Einsatzmedizin. Angesichts der aktuellen Terrorgefahr erfährt es nun auch in der Zivilmedizin große Bedeutung. Während in Frankreich alle Rettungsfahrzeuge damit ausgestattet sind, ist das in Deutschland noch nicht flächendeckend der Fall: Die Rettungswagen in Bayern haben bereits militärische Sanitätsausrüstung an Bord. "Schuss- und Explosionsverletzungen sind hierzulande seit 60 Jahren ein seltenes Verletzungsmuster. Daher müssen wir uns neu darauf einstellen, um optimal vorbereitet zu sein - sowohl in den Krankenhäusern, als auch am Unfallort", sagt Oberstarzt Professor Benedikt Friemert, Leiter der DGU-AG Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie.

Zudem überlegen die Unfallchirurgen, auch die Bevölkerung in die Versorgung stark blutender Schuss- und Explosionsverletzungen einzubeziehen: In einem nächsten Schritt wäre es denkbar, öffentliche Plätze mit Tourniquets auszustatten - analog zu Defibrillatoren. Da die Tourniquets, die einer Blutdruckmanschette ähneln, leicht zu handhaben sind, könnte jeder Bürger im Ernstfall dazu beitragen, dass bei einer lebensbedrohlichen Blutung schnell gehandelt werden kann. Die Schulung darin könnte ein Punkt bei Erste-Hilfe-Kursen sein.

In den USA gibt es die Kampagne "Stop the bleeding": Gemeinnützige Organisationen werben in gemeinsamer Verantwortung mit der Regierung dafür, dass jeder Bürger in die Lage versetzt werden kann, eine lebensgefährliche Blutung zu stoppen. "Diese politische Unterstützung wünschen wir uns auch in Deutschland", sagt Hoffmann. Bisher gingen alle Aktivitäten, um die medizinische Versorgung von Opfern von Terroranschlägen zu optimieren, auf gemeinnützige Initiativen zurück. "Hier vermissen wir ein politisches Signal", betont Hoffmann.

Hintergrund:
Die Veranstaltung "Terroranschläge - eine neue traumatologische Herausforderung" vom 13. und 14. Januar 2017 in München ist Teil eines 5-Punkte-Planes, mit dem sich die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) im engen Schulterschluss mit der Bundeswehr angesichts der steigenden Terrorgefahr in Deutschland auf Anschläge vorbereitet. Mit Hilfe des 5-Punkte-Planes wollen DGU und Bundeswehr für die Zukunft Sorge tragen, dass Opfer von möglichen terroristischen Attentaten in Deutschland zu jeder Zeit und an jedem Ort schnell und situationsgerecht auf hohem Niveau versorgt werden können. Die Informationsveranstaltung richtete sich an die verantwortlichen Sprecher der TraumaNetzwerke der DGU-Initiative TraumaNetzwerk DGU® und die Leiter der Rettungsdienste. Die gleichnamige Auftaktveranstaltung auf Bundesebene fand am 28. September 2016 mit vorgeschalteter Pressekonferenz in Berlin statt.

Die weiteren regionalen Informationstage finden wie folgt statt:
27./28. Januar 2017 in Hamburg
10./11. Februar 2017in Leipzig
24./25. Februar 2017 in Koblenz

Die Informationstage werden von der AUC - Akademie der Unfallchirurgie im Auftrag der DGU organisiert.

Weitere Informationen:
www.dgu-online.de
www.dgai.de
www.traumanetzwerk-dgu.de

Kontakt für Rückfragen:

Susanne Herda
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU)
Straße des 17. Juni 106-108
10623 Berlin
E-Mail: presse@dgou.de

Anka Feyh-Oeder
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)
Roritzerstr. 27, 90419 Nürnberg
E-Mail: afeyh-oeder@dgai-ev.de
www.dgai.de

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
Pressemitteilung vom 18. Januar 2017
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 340 60 36 -06 oder -00, Telefax: +49 (0)30 340 60 36 01
E-Mail: presse@dgou.de
Internet: http://www.dgou.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2017

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