Deutsches Grünes Kreuz - 16. April 2015
Natürliche Geburt: Schützen mütterliche Keime vor Asthma? - Aktualisierte Leitlinien zur Allergieprävention
Eine große Studie stützt die Beobachtung, dass per Kaiserschnitt geborene Kinder häufiger an Asthma leiden. Experten fordern, dies bei der Wahl der Geburtsmethode - wenn medizinisch möglich - zu berücksichtigen.
(dgk) Während der Schwangerschaft kommen Föten nur in sehr geringem Maß über die Mutter mit Keimen in Kontakt. Mit der Geburt ändert sich das schlagartig: Im Geburtskanal wimmelt es nur so von Keimen, hauptsächlich Milchsäurebakterien, die den Magendarmtrakt des Babys besiedeln. Und das ist gut so. Die Bakterien helfen den Kindern nicht nur, Nährstoffe zu verwerten, sondern sie trainieren auch das Immunsystem und halten unerwünschte Erreger ab.
Doch diese natürliche Erstbesiedlung des Darms wird heute oft unterbunden. Derzeit kommt in Deutschland rund jedes dritte Kind durch Kaiserschnitt auf die Welt. Etwa die Hälfte dieser Entbindungen ist geplant, ein Teil dieser Eingriffe erfolgt auf Wunsch der Mütter. Ein Schritt, der gut überlegt sein sollte, denn neben anderen Nachteilen einer solchen Geburt haben bereits mehrere Studien gezeigt, dass Kaiserschnittbabys später auffallend häufig Asthma und Allergien bekommen.
Eine dänische Studie weist nun erneut in diese Richtung: Die Forscher analysierten auf Basis des dänischen nationalen Gesundheitsregisters die Daten von etwa 2 Millionen zwischen 1977 und 2012 geborenen Kindern bis zum Alter von 15 Jahren. Dabei wurden verschiedene Krankheiten des Immunsystems wie Asthma erfasst. Im Ergebnis zeigte sich, dass Kaiserschnitt-Kinder im Vergleich zu auf natürlichem Wege Geborenen ein um 23 Prozent erhöhtes Risiko für Asthma hatten. Auch andere immunologische Erkrankungen wie entzündliche Darmkrankheiten und verschiedene Störungen des Immunsystems kamen bei ihnen häufiger vor. Da es sich bei dieser Studie um eine große und langfristigste Untersuchung handelt, kommt den Ergebnissen ein großes Gewicht zu. Dennoch belegt sie zunächst nur, dass es einen Zusammenhang zwischen Kaiserschnitt und einem erhöhten Risiko für bestimmte immunologische Erkrankungen gibt. Ob dieser auch ursächlich ist, muss noch gezeigt werden.
Eine mögliche Ursache für das häufigere Auftreten von Asthma bei Kaiserschnitt-Kindern haben Forscher jedoch schon länger im Visier, nämlich die Darmflora. Spontan geborene Babys verfügen über weitaus mehr und vielfältigere nützliche Bakterien als solche, die auf operativem Wege zur Welt kamen. Mittlerweile weiß man, dass die Darmflora einen wesentlichen Einfluss auf das sich entwickelnde Immunsystem hat, und dieses spielt bei Allergien und Asthma die zentrale Rolle.
Auch wenn die Ursache noch nicht abschließend geklärt ist, scheint für Experten recht sicher zu sein, dass eine Sectio das Risiko für Asthma und Allergien erhöht. Jedenfalls hat das Thema bereits im Juli vergangenen Jahres Einzug gehalten in die hochrangigen S3-Leitlinien "Allergieprävention" der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und die Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ).
Die Experten fordern darin, dass das höhere Risiko für die Entwicklung von Asthma und Allergien bei Kaiserschnitt-Kindern bei der Wahl des Geburtsverfahrens berücksichtigt werden soll. Dies gilt natürlich nur, sofern keine medizinische Indikation für einen Kaiserschnitt besteht.
Quellen:
(1) Astrid Sevelsted, Jakob Stokholm, Klaus B¢nnelykke, Hans Bisgaard:
Cesarean Section and Chronic Immune Disorders; Pediatrics Vol. 135/1 Januar
2015, online publiziert 1.12.2014
doi: 10.1542/peds.2014-0596
(2) pina-News, Ausgabe 10/2012: Kaiserschnittentbindung - Ein Risikofaktor
für Asthma und Allergie?
http://www.kinderklinik-luebeck.de/pina/fileadmin/documents/pinanews_eltern/10_2012/kaiserschnittentbindung.html
(3) S3-Leitlinie Allergieprävention - Update 2014; AWMF-Register Nr.061/016;
publiziert bei AWMF online unter
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/061-016l_S3_Allergiepr%C3%A4vention_2014-07.pdf
(4) Kopp, Matthias Volkmar: Allergieprävention 2015: Was gibt es Neues? Dtsch
Arztebl 2015; 112(9): [11]; Supplement: Perspektiven der Pneumologie &
Allergologie unter
http://www.aerzteblatt.de/archiv/168378/Allergiepraevention-2015-Was-gibt-es-Neues?s=kaiserschnitt+asthma
Die Empfehlungen der zuletzt 2009 veröffentlichten S3-Leitlinie Allergieprävention wurden auf der Basis aktueller Studien überarbeitet und im Juli 2014 veröffentlicht.
Änderungen hat es u. a. bei der Haustierhaltung gegeben:
- Die Empfehlungen zur Haustierhaltung sind weiter "liberalisiert" worden. Kurz zusammengefasst gelten für Kinder ohne erhöhtes Allergierisiko keinerlei Einschränkungen. Familien mit erhöhtem Allergierisiko sollten keine Katzen anschaffen. Hundehaltung hingegen ist nicht mit einem höheren Allergierisiko verbunden.
Neu aufgenommene Empfehlung:
- Der Aspekt, dass ein Kaiserschnitt das Risiko für Asthma und andere Immunerkrankungen erhöhen kann, sollte bei der Wahl des Geburtsverfahrens berücksichtigt werden, sofern keine medizinische Indikation für einen Kaiserschnitt besteht.
Neu aufgenommene Stellungnahme:
- Neu ist die Stellungnahme, dass "ungünstige psychosoziale Faktoren" (zum Beispiel schwerwiegende Lebensereignisse) während der Schwangerschaft und Kindheit zur Entwicklung von allergischen Erkrankungen beitragen können.
*
Quelle:
Deutsches Grünes Kreuz
Sondermeldung vom 16. April 2015
Deutsches Grünes Kreuz e. V.
Biegenstr. 6, 35037 Marburg
Telefon: (06421) 293-0, Telefax: (06421) 293-187
E-Mail: dgk@dgk.de
Internet: http://www.dgk.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2015
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang