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FORSCHUNG/3275: Schlafforschung - Chronische Schlafstörungen machen krank (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2015

Gesellschaft für Schlafforschung
Chronische Schlafstörungen machen krank

Von Uwe Groenewold


Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) in Köln.


Die Auswirkungen von unzureichendem und nicht erholsamem Schlaf auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Menschen waren das Hauptthema der 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) in Köln. Wesentliche Forschungsergebnisse zu Stoffwechselvorgängen und zur Gedächtnisbildung haben Wissenschaftler des UKSH aus Kiel und Lübeck vorgestellt.

Tagsüber ist der Mensch aktiv, nachts schläft er. Diese Regelmäßigkeit ist von einer inneren biologischen Uhr kontrolliert, die von den Genen bestimmt wird. Ist die innere Uhr defekt oder wird sie zum Beispiel durch Schichtarbeit missachtet, führt dies zu Krankheiten. Der Schlaf ist für metabolische, immunologische und kognitive Prozesse von großer Bedeutung. Der Schlaf stellt biologisch betrachtet ein bestimmtes Muster von neurochemischen und elektrischen Prozessen im Hirn dar, die über das Hormonsystem und das vegetative Nervensystem vielfältige Prozesse im ganzen Körper steuern. "Insbesondere dient der Schlaf zur Verfestigung von am Tag gelernten Gedächtnisinhalten", sagt PD Dr. Robert Göder, Leiter des Schlaflabors der psychiatrischen Universitätsklinik Kiel.

Dieser Befund wird unterstützt durch zahlreiche Studien, von denen einige auch in den Schlaflaboren des UKSH in Kiel und Lübeck durchgeführt wurden. Die positive Wirkung des Schlafes auf die Gedächtnisbildung funktioniert jedoch nicht mehr so gut, wenn der Schlaf gestört ist, beispielsweise aufgrund von psychischen Erkrankungen. "Dazu haben wir in Kiel eine Reihe von Studien durchgeführt und gezeigt, dass der gedächtnisfördernde Effekt des Schlafes bei Patienten mit Schlafstörungen nicht mehr oder kaum noch vorhanden ist."

Dies gilt vor allem auch für Menschen, die nachts arbeiten. "Schichtarbeiter weisen eindeutig verminderte Gedächtnisleistungen auf. Diese Einschränkungen, das hat jetzt eine französische Arbeitsgruppe untersucht, halten auch fünf Jahre nach Ende der Schichtarbeit noch an", so Göder. Ziel der Kieler Arbeitsgruppe ist es nun, über Maßnahmen zur Verbesserung des Schlafes auch Steigerungen der Gedächtnisbildung zu erreichen.

"Schlafstörungen haben direkte und indirekte Auswirkungen auf den Stoffwechsel", erklärt Prof. Henrik Oster, Leiter der AG Chronophysiologie im UKSH Campus Lübeck. Aus chronophysiologischer Sicht von besonderer Bedeutung, so der Schlafforscher, ist vor allem verminderter oder zeitlich verschobener Schlaf. Bereits einzelne Episoden von Schlafentzug führen zu einer Absenkung des metabolischen Umsatzes - verbunden mit reduzierter körperlicher Aktivität und einer akuten Verschlechterung des Glukose-Metabolismus durch Herabsetzung der Insulinsensitivität.

Bei chronischen Schlafstörungen kommt es zu ungünstigen Veränderungen der Aktivitäts-, Körpertemperatur- und Nahrungsaufnahme-Muster. Dies wirkt sich auf die zirkadianen Uhren aus, insbesondere in den metabolisch wichtigen Organen wie Leber, Muskeln und Gastrointestinaltrakt. Die gesundheitlichen Folgen sind auf Dauer gravierend. Oster: "Über eine Deregulation dieser lokalen Uhren-Gene kommt es zu weitreichenden Anpassungen im Stoffwechsel; dazu zählen eine unterdrückte Fettfreisetzung aus den Adipozyten, eine verminderte Glukosefreisetzung aus der Leber sowie hormonelle Veränderungen etwa beim Cortisol und Leptin."

Vorgestellt wurde beim Kongress in Köln auch ein neues Projekt zur Erforschung des Schlafes: das "Human Sleep Project", kurz HSP. "Obwohl wir teilweise die biochemischen und neuronalen Prozesse, die Schlaf initiieren, steuern und aufrecht erhalten, bis ins Detail kennen, haben wir immer noch keine Antworten auf die einfachsten Fragen: Wie viel Schlaf braucht denn ein Individuum oder wie kann man Schlafqualität im Alltag objektiv messen?", sagt Prof. Till Roenneberg vom Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im HSP soll der Schlaf im individuellen Alltag über viele Wochen bei Tausenden von Menschen gemessen werden. Dies soll über eine Internet-Plattform ermöglicht werden, über die jeder Interessierte Daten etwa zur Bewegungsaktivität hochladen kann und in der Folge eine Schlafanalyse erhält. Ziel des noch in den Kinderschuhen steckenden Projekts soll es sein, dass die Nutzer ihr (Schlaf-)Verhalten analysieren, verstehen und eventuell zu ihren Gunsten ändern können.

Was kann man nun tun, wenn der Schlaf gestört ist? "Bei akutem Schlafentzug sollte man für einen Ausgleich in der nächsten Nacht sorgen", rät der Lübecker Schlafforscher Oster. "Kurze Nickerchen am Tag können ebenfalls helfen. Und nach Möglichkeit sollte man nicht zu ungewöhnlichen Zeiten essen." Bei chronischen Schlafstörungen, die nicht durch Schichtarbeit bedingt sind, sollte man zunächst versuchen, den Tagesrhythmus zu stärken, etwa durch eine Lichttherapie, feste Essenszeiten, körperliche Bewegung am Tag und eventuell die Gabe von Melatonin am Abend. Oster: "Sind die Schlafstörungen und metabolischen Störungen so nicht in den Griff zu bekommen, sollte klassisch medikamentös behandelt werden."


Info

- Bei Schlafstörungen sollten Betroffene in der folgenden Nacht für Ausgleich sorgen.
- Vermeiden sollten sie Mahlzeiten zu ungewöhnlichen Tageszeiten.
- Bei chronischen Schlafstörungen den Tagesrhythmus stärken, etwa durch Lichttherapie oder Bewegung.
- Bei anhaltenden Problemen kann auch medikamentös behandelt werden.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2015 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2015/201501/h15014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Dr. Robert Göder ist Leiter des Schlaflabors des UKSH in Kiel.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
68. Jahrgang, Nr. 1/2015, Januar 2015, Seite 37
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2015

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