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BUCH/1242: "Meine Gene - mein Leben" - Auf dem Weg zur personalisierten Medizin (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 100 - 4. Quartal 2011
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

Meine Gene - mein Leben
Auf dem Weg zur personalisierten Medizin

Buchbesprechung von Stefan Rehder


Francis Collins, Direktor der National Institutes of Health (NIH), zählt wie James Watson oder Graig Venter zu den Pionieren der Genomforschung. 15 Jahre lang stand er als Leiter des National Humane Genom Research Institute an der vordersten Front und lieferte sich bei der »Entschlüsselung« des genetischen Codes des Menschen einen die Welt in Atem haltenden Wettlauf mit Venter. Als Forscher war er zudem maßgeblich an der Aufklärung genetisch bedingter Krankheiten beteiligt wie Chorea Huntington und Mukoviszidose. In dem vorliegenden Buch präsentiert sich Collins zwar weitaus nachdenklicher und ethisch sensibler als Watson und Venter. Was freilich nicht heißt, dass Lebensrechtler deshalb auch alle seine Positionen teilen könnten. Im Gegenteil: Dass Collins die Präimplantationsdiagnostik etwa nur zur Geschlechtswahl ablehnt, die Selektion genetischer geschädigter Embryonen dagegen ebenso gut heißt wie die Auswahl von Embryonen, die als passende Zellspender für erkrankte Geschwister fungieren sollen, fordert Lebensrechtler zu entschiedenem Widerspruch heraus.

Lässt man sich von der mitunter verharmlosenden Darstellung dieser und anderer Anwendungen, die die Erforschung des menschlichen Genoms ermöglicht haben, nicht einlullen, dann besitzt Collins Buch auch für Lebensrechtler erheblichen Wert. Leicht verständlich und zugleich viel detaillierter als andere Darstellungen skizziert Collins darin den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und erörtert realistische und unrealistische Zukunftsszenarien.

Ein Beispiel: Um alle Erbfaktoren zu entdecken, »die praktisch alle Krankheiten beeinflussen«, reicht es laut Collins aus, »die 0,4 Prozent des Genoms« zu verstehen, die sich bei einzelnen Menschen unterscheiden. Dazu könnten selbst Tierversuche entscheidend beitragen. »Da es für über 95 Prozent aller Gene der Maus entsprechende Gegenstücke im menschlichen Genom gibt«, trügen Forschungsprojekte, bei denen »jedes einzelne Gen der Labormaus inaktiviert wird«, auch dazu bei, »die Funktionen von tausenden Genen des Menschen zu bestimmen, eines nach dem anderen«.

Nach Collins Ansicht führen alle diese Erkenntnisse letztlich zu einer »personalisierten Medizin« und stellten einen Paradigmenwechsel dar. Früher seien Diagnosen aufgrund von »Symptomen und unter Zuhilfenahme verschiedener Labortests« gestellt worden. Diese Therapien basierten »auf Studien, die man mit Hunderten oder Tausenden von Personen mit derselben Diagnose durchgeführt hat und die alle als im Prinzip identische Subjekte angesehen wurden«. Dagegen funktioniere das Prinzip der personalisierten Medizin völlig anders: »Wir wissen, dass jeder Mensch einmalig und mit bestimmten genetischen Varianten ausgestattet ist, die von Vorteil sein können, während andere Varianten möglicherweise Anfälligkeiten für künftige Erkrankungen mit sich bringen.« Aufgrund dieser Erkenntnisse werde sich die Medizin in Zukunft immer stärker in Richtung Prävention entwickeln. Collins: »Eine Krankheit ist weder ein Zufallsprodukt noch unvermeidbar. Persönliche Entscheidungen wirken sich grundlegend auf Ihre Gesundheit aus und Sie sind dafür verantwortlich.«

Was eine solche Medizin für den Einzelnen bedeutet, liegt auf der Hand. Positiv wie negativ. Einerseits wird sie dem Einzelnen die Mittel an die Hand geben, Vermeidbares auch tatsächlich zu vermeiden. Andererseits wächst mit ihr zugleich die Gefahr einer Entsolidarisierung der Gesunden mit den Kranken. Ein gesellschaftliches Mega-Thema also, das Collins hier entfaltet.


Francis S. Collins: Meine Gene - mein Leben.
Auf dem Weg zur personalisierten Medizin.
Spektrum - Akademischer Verlag, Heidelberg 2011.
388 Seiten. Gebunden. 24,95 EUR.


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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 100, 4. Quartal 2011, S. 31
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminsky (V.i.S.d.P.)
Verlag: Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2012