Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 10, Oktober 2022
Föderaler Quotenteppich
von Dirk Schnack
LANDARZTQUOTE. Immer mehr Bundesländer sind in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, einen Teil der Medizinstudienplätze an ihren Universitäten über eine Landarztquote zu vergeben. Schleswig-Holstein ist bislang nicht dabei und will diesen Weg auch in näherer Zukunft nicht einschlagen.
Ohne eine Verpflichtung eines Teils der Medizinstudierenden
lassen sich nicht mehr genügend Ärztinnen und Ärzte auf dem Land
nieder. Dieses Argument wird von Politikern und zunehmend auch von
Ärztinnen und Ärzten in der Standespolitik immer wieder genannt, wenn
es um das Thema Landarztquote geht. Weitere Argumente, die für eine
solche Verpflichtung sprechen, sind selten zu hören.
Dr. Thomas Maurer, seit Jahrzehnten als Landarzt im nordfriesischen Leck niedergelassen und nach 13 Jahren als Vorsitzender des Hausärzteverbandes im Norden mit allen Facetten dieses Themas vertraut, nannte bei einer Veranstaltung der Ärztekammer ein weiteres: Was ist mit den an einer Landarzttätigkeit interessierten jungen Menschen, die ohne die Quote keinen Studienplatz für die Humanmedizin bekommen, sich deshalb für eine andere Ausbildung entscheiden und damit "verloren" für das System sind? Wie groß diese Zahl an Interessierten ist, die nie ins System gelangen, kann wahrscheinlich niemand abschätzen. Bei einem Teil dieser Gruppe ist der Wunsch nach einer ärztlichen Tätigkeit so groß, dass sie die Zeit nach der Schule mit einer Ausbildung in der Pflege überbrücken, zum Teil dort nach der Ausbildung zunächst arbeiten, dann erst studieren, um doch noch in einer Landarztpraxis landen. Andere halten dies nicht durch, hätten über die Verpflichtung zur Landarzttätigkeit aber gezielt ihren Traumberuf gefunden - ein Argument, das für die Quote spricht.
In den meisten Flächenbundesländern folgt man inzwischen diesem Argument. Ein Blick auf die Karte zeigt sogar, dass Schleswig-Holstein unter der Flächenbundesländern immer mehr zum Exoten wird. Denn die Bundesländer Hamburg, Berlin und Bremen haben zwar auch keine Landarztquote eingeführt, sie benötigen aber auch keine Landärzte. Das Land Brandenburg wiederum braucht zwar Ärztinnen und Ärzte, die sich auf dem Land niederlassen - hat aber keine Universität, an der Mediziner ausgebildet werden. Alle anderen Flächenbundesländer bilden aus und haben schon eine Landarztquote eingeführt oder planen dies. Das heißt, dass sie einen Teil ihrer Studienplätze für Bewerber vorhalten, die sich vor Studienbeginn dazu verpflichten, nach ihrer Weiterbildung - also zwölf Jahre später - eine erhebliche Zeitspanne auf dem Land in dem Bundesland tätig zu sein. Und das bedeutet: 18-Jährige legen sich fest für eine Zeitspanne, für die sie die persönliche Entwicklung und alle Einflüsse, die in dieser prägenden Zeit auf sie einwirken, kaum abschätzen können. Bundesländer mit Landarztquote bewerten dieses Argument offensichtlich geringer als das Ziel, über die Quote einen Teil der Landarztsitze - in ferner Zukunft - besetzen zu können.
Medizinstudium in Deutschland: So halten es die Bundesländer mit der Landarztquote. |
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---|---|---|
BUNDESLÄNDER |
Stand der Bundesländer zur Landarztquote: |
Anzahl der "Landarzt"- studienplätze pro Jahr |
Schleswig-Holstein |
keine Planung |
0 |
Hamburg |
keine Planung |
0 |
Berlin |
keine Planung |
0 |
Brandenburg |
keine Planung |
0 |
Bremen |
keine Planung |
0 |
Niedersachsen |
geplant |
60 |
Thüringen |
geplant |
15 |
Mecklenburg-Vorpommern |
bereits eingeführt |
32 |
Sachsen-Anhalt |
bereits eingeführt |
21 |
Nordrhein-Westfalen |
bereits eingeführt |
170 |
Hessen |
bereits eingeführt |
65 |
Sachsen |
bereits eingeführt |
0 |
Rheinland-Pfalz |
bereits eingeführt |
27 |
Saarland |
bereits eingeführt |
22 |
Baden-Württemberg |
bereits eingeführt |
75 |
Bayern |
bereits eingeführt |
103 |
Wer sich für eine Quote interessiert, stößt je nach Bundesland auf
unterschiedliche Bedingungen. In Sachsen-Anhalt etwa fließt der
Abiturschnitt bei der Vergabe der Plätze mit 10 % ein. Deutlich
wichtiger sind dort Berufsausbildung, Berufstätigkeit oder praktische
Tätigkeit (40 %). Mit 50 % am wichtigsten ist in Sachsen-Anhalt das
Ergebnis des spezifischen Studierfähigkeitstests, der in Magdeburg
stattfindet. Im Saarland und in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wird
anderes gewichtet - dort fließt die Abiturnote noch zu 30 % ein,
genauso wie das Ergebnis des Medizinertests. Praktische Tätigkeit
zählt auch dort zu 40 %. Baden-Württemberg wiederum setzt auf ein
zweistufiges Auswahlverfahren. Im ersten Schritt werden der
Medizinertest, die Berufsausbildung in einem Gesundheitsberuf, die
Dauer der Berufstätigkeit, Art und Dauer einer ehrenamtlichen
Tätigkeit und der Nachweis über einen Freiwilligendienst
berücksichtigt. Die 150 Bewerberinnen und Bewerber, die im ersten
Schritt am besten abschneiden, werden zum Auswahlgespräch eingeladen.
Einen der 75 Quoten-Studienplätze erhalten am Ende diejenigen, die im
Auswahlgespräch und in Stufe eins zusammen die höchste Gesamtpunktzahl
erzielen. Ähnliche Verfahren durchlaufen die Interessierten in
Mecklenburg-Vorpommern und Bayern, mit jeweils leicht angepassten
Kriterien.
Das Bundesland, dass den größten Anteil seiner Medizinstudienplätze für angehende Landärzte vorhält, ist Niedersachsen. Dort werden künftig - ab dem Wintersemester 2023/2024 10 % der 600 Studienplätze in Hannover, Göttingen und Oldenburg für die Quote freigehalten. Andere Bundesländer haben erste, sehr begrenzte Erfahrungen gesammelt. In Mecklenburg-Vorpommern können seit dem Wintersemester 2021/2022 insgesamt 32 Studienplätze für Medizin an den Universitäten in Rostock und Greifswald über die Quote vergeben werden. In Bayern sind die ersten Studierenden über die Quote von 5,8 % ebenfalls schon in der Ausbildung. Nach dem ersten Jahr hatte laut Medienberichten nur einer von rund 100, die über diesen Weg ins Studium gelangt waren, nicht durchgehalten. Für die übrigen ist der Weg bis zur Niederlassung noch lang. Was bleibt denjenigen, die auch per Quote keinen Studienplatz in Deutschland bekommen? Manche von ihnen studieren an ausländischen Universitäten, zum Teil zu hohen Kosten. Wie viele dies sind und wie viel von ihnen in die deutsche Versorgung kommen, ist unbekannt.
*
Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 10, Oktober 2022
75. Jahrgang, Seite 8-9
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum am 11. November 2022
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