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UMWELT/237: Umwelt-Kardiologie - Ansätze für eine ursächliche Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (umg)


umwelt · medizin · gesellschaft - 1/2014
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben

Environmental Cardiology
Ansätze für eine ursächliche Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Von Peter Jennrich



Umfangreiche Untersuchungen der letzten Jahre zeigen einen Zusammenhang zwischen Umweltbelastungen und der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Frage welche Umweltgifte besonders schädlich sind, wird durch die CERCLA Priority List of Hazardous Substances der US Umweltbehörde EPA beantwortet: Arsen, Blei und Quecksilber. Die Auswirkungen dieser potentiell toxischen Metalle auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen umfassen grundlegende Pathomechanismen wie die Bildung freier Radikale, die Schädigung der endothelialen NO Synthese, die Lipidperoxidation und endokrine Einflüsse und führen zur Schädigung des Gefäßendothels, zur Gefäßverkalkung, zu hohem Blutdruck und zu einer erhöhten Mortalität.

Die Anwendung von Chelat- und Komplexbildnern zur Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eröffnet neue Möglichkeiten, wie am Beispiel der Studie "Trial to Assess Chelation-Therapy (TACT)" gezeigt wird.


Einleitung

Seit vielen Jahren zählen Erkrankungen des Herz-/Kreislaufsystems zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland und den USA (HERON 2012, STATISTISCHES BUNDESAMT 2010).

"Herz-Kreislauf-Erkrankungen" (HKE) ist ein Oberbegriff für krank hafte Veränderungen des Herzens, der Blutgefäße und des Blutflusses. Gemeinsames pathologisches Korrelat ist die binde gewebige Veränderung der arteriellen Gefäßwände. Zu Grunde liegt meist eine Schädigung des Endothels, das die Grenzschicht zwischen Blutstrom und Gefäßwand bildet und wichtige Funktionen bei der Vasomotorik, der Modulation inflammatorischer Prozesse und der Hämostase besitzt. Als zentrale Mechanismen der Pathophysiologie der endothelialen Dysfunktion gelten die Inaktivierung von Stickoxid (NO) durch Sauerstoffradikale, die Reduktion der für die NO-Synthese benötigten Co-Faktoren (Tetrahydrobiopterin - NADPH) sowie die Hemmung der endothelialen NO-Synthase selbst, durch Phosphorylierung (Proteinkinase C) und O-Glykosilierung (Hexosaminstoffwechsel) (RÖSEN 2002). In der Pathophysiologie der Atherosklerose begünstigt die endotheliale Dysfunktion die Adhäsivität der Gefäßwand für Leukozyten, die Rekrutierung und Transformation von Monozyten zu Schaumzellen und letztendlich die Ausbildung von Gefäßwandplaques. Die endotheliale Dysfunktion gilt als wichtiges Frühereignis in der Entstehung der Atherosklerose und korreliert mit der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität (SCHÄCHINGER et al. 2000, SUWAIDI et al. 2000).

Das Forschungsgebiet der "Environmental Cardiology" unter sucht Umwelteinflüsse, die auf die Entstehung von Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen Einfluss haben (WEINHOLD 2004). Neben den klassischen Kriterien, die bislang durch die Framingham-Herz-Studie erforscht wurden,(1) gibt es weitere Risikofaktoren zu denen auch eine Reihe von potentiell toxischen Metallen zählt.

Kardiotoxische Metalle

Arsen, Blei und Quecksilber zählen zu den schädlichsten Substanzen weltweit. Die Auswirkung dieser potentiell toxischen Metalle auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist gut dokumentiert, so dass kein Zweifel mehr an einem kausalen Zusammenhang zwischen der chronischen Exposition gegenüber diesen Substanzen und der Entstehung von HKE besteht. Die grundlegenden Pathomechanismen, die durch Arsen, Blei und Quecksilber ausgelöst werden, umfasst die Bildung freier Radikale, die Schädigung der endothelialen NO Synthese, die Lipidperoxidation und endokrine Einflüsse (JENNRICH 2013). Dies führt zur Schädigung des Gefäßendothels, zur Gefäßverkalkung, zu hohem Blutdruck und zu einer erhöhten Mortalität.

Arsen

Neben pro-arrythmischen Wirkungen und Einzelfällen, die auf eine kardiale Toxizität von Arsenverbindungen schließen lassen, zeigen epidemiologische Studien einen Zusammenhang zwischen Arsenbelastungen und einer erhöhten Inzidenz für Gefäßerkrankungen, insbesondere für die koronare Herzkrankheit (KHK), die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), die Carotissklerose und Schlaganfälle (NAVAS-ACIEN et al 2005).

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde über Fälle schwerer Gangrän durch den dauerhaften Genuss arsenhaltigen Wassers berichtet (GEYER 1898). Auch in den 1930er- und 1940er-Jahren wurde ein Zusammenhang zwischen chronischer Arsenvergiftung und peripherer Durchblutungsstörung berichtet, der auf den Gebrauch von arsenhaltigen Schädlingsbekämpfungsmitteln im Weinbau zurückzuführen war (BUTZENGEIGER 1940).

Der Konsum von Brunnenwasser mit einer hohen Arsenkonzentration führt zum Entstehen einer Sonderform einer peripheren Gefäßerkrankung, die als Blackfoot-Disease (BFD) bekannt wurde und endemisch in der südwestlichen Küstenregion von Taiwan auftritt (TSENG 1977, 1989). Die Besonderheit bei diesem Krankheitsbild besteht in den Gefäßveränderungen, die durch die chronische Arsenbelastung hervorgerufen werden: die Gangrän tritt vorwiegend durch eine Schädigung kleinster Gefäße und der Mikrozirkulation auf, ohne Zeichen einer Insuffizienz der großen peripheren Arterien (TSENG et al. 1995). Neben diesen schweren peripheren Mikrozirkulationsstörungen gibt es auch Hinweise auf ein erhöhtes Diabetesrisiko mit Mikro- und Makroangiopathie bedingt durch eine chronische Arsenexposition (WANG et al. 2003).

Auch aus anderen Ländern sind endemische chronische Arsenvergiftungen bekannt. In Antofagasta/Nordchile waren mehr als 250.000 Personen über 39 Jahre einem Arsengehalt im Trinkwasser von durchschnittlich 600 µg/l ausgesetzt. Eine klinische Untersuchung bei 180 Exponierten ergab, dass vor allem bei Kindern verschiedene Durchblutungsstörungen (Raynaud'sches Syndrom) und Hautveränderungen auftraten (ZALDIVAR & GUILLIER 1977). Autopsieergebnisse dieser Kinder mit einer chronischen Arsenvergiftung zeigten systemische Veränderungen der Intima in kleinen und mittleren Arterien, die das Herz, Magen, Darm, Leber, Haut und Bauchspeicheldrüse versorgen (ROSEN BERG 1974). Diese Befunde machen deutlich, dass sich eine Arteriosklerose unter chronischer Arsenexposition auch in Abwesenheit von herkömmlichen Gefäßrisikofaktoren entwickelt (WANG et al. 2002).

Auch in Bangladesh ist die Grundwasserbelastung mit Arsen ein Gesundheitsproblem von öffentlichem Interesse.

Es wird geschätzt, dass 25-57 Millionen Menschen in Bangladesh innerhalb mehrerer Jahrzehnte einer chronischen Arsenbelastung ausgesetzt waren. Daraus ergab sich ein erhöhtes Risiko an Harnblasen-, Leber- und Lungenkrebs zu erkranken. Darüber hinaus zeigen Untersuchungen eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen der Arsenbelastung und der kardiovaskulären Mortalität bei Konzentrationen, die deutlich unter der bis dahin beobachteten Toleranzdosis liegen (CHEN 2011). Durch gesundheitspolitische Maßnahmen wird die Arsenexposition seit mehr als 10 Jahren gesenkt. Dadurch konnte die Inzidenz der akuten arsenbedingten Herzinfarkte gesenkt werden (YUAN et al. 2007).

Nicht nur in der Epidemiologie, sondern auch in der Arbeitsmedizin wird eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität durch chronische Arsenexposition beobachtet. Entsprechende Studien liegen vor für Arbeiter an Kupferschmelzöfen in Schweden und den USA, Schornsteinfeger in Schweden und Dänemark, Glasbläser in Schweden, sowie Arbeiter und Anwohner einer Arsenfabrik in Japan (WHO 1981, 2001).

Zusätzlich zu den epidemiologischen und arbeitsmedizinischen Befunden gibt es viele Daten, die molekulare Veränderungen von Arsenvergiftungen aufzeigen (JENNRICH 2013). Dazu zählen:

• die Beeinträchtigung der Aktivität endothelialen NO-Synthase
- Verringerung des bioaktiven NO
- Beeinträchtigung des Gefäßtonus mit verminderter Relaxation der Blutgefäße
- erhöhte Bildung von Peroxinitrit

• Stimulation reaktiver Sauerstoffspezies (ROS)
- Veränderung der mitochondrialen Proteinsynthese
- Veränderung an der inneren Mitochondrienmembran
- Schwellung und Schrumpfung von Mitochondrien
- hemmender Einfluss auf die mitochondriale Atmungskette zirkulierender Blut- und Endothelzellen
- begünstigte Entwicklung und Fortschreiten der Arteriosklerose

• erhöhte Lipidperoxidation

• Proliferation und Apoptose von Endothelzellen

• immunologische und rheologische Effekte
- Induktion und Hochregulierung von Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha, Interleukin-1, vaskulären Zelladhäsionsmolekülen und vaskulärem endothelialem Wachstumsfaktor
- erhöhte Thrombozytenaggregation
- verminderte Fibrinolyse

• genetische Faktoren
- erhöhte Arsenaufnahme und -speicherung bei GSTT1 - 0/0 Genotyp
- Hinweise auf beschleunigte Arteriosklerose bei Apo E Defekt

Arsenbelastungen können durch DMPS (Dimaval) und in geringerem Maß durch DMSA und Na-Mg-EDTA gesenkt werden.

Blei

Eine Veröffentlichung des US-amerikanischen National Institute of Environmental Health Sciences, National Institutes of Health, Department of Health and Human Services hat sich im Dezember 2006 in einem systematischen Review mit dem Einfluss einer chronischen Bleiexposition auf die Entstehung von Herz-Kreislaufkrankheiten auseinandergesetzt (NAVAS-ACIEN et al. 2007).

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine Verbindung zwischen einer Bleibelastung und einem hohem Blutdruck nicht nur in einigen wenigen, sondern in vielen Studien nachgewiesen werden konnte. Dementsprechend gibt es genügend Belege, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Bleibelastung und einem hohen Blutdruck dokumentieren. Ferner zeigen die Daten einen Einfluss von Blei auf das gehäufte Auftreten einer KHK, pAVK und von Schlaganfällen. Erstaunlich war dabei die Tatsache, dass diese kardialen und vaskulären Ereignisse bereits bei einer Bleibelastung auftreten, die unter dem bislang als "sicher" geltenden Grenzwert von 5 µg/dl Blei im Blut lagen.

Blutdrucksteigernde Wirkung von Blei (JENNRICH 2013):
• oxidativer Stress und funktioneller NO Mangel
• Gefäßschädigung durch freie Radikale
• Endothel-Proliferation in den Blutgefäßen
• Sympathikus-Aktivierung
• Verringerung der β-Rezeptoren in der Aorta
• Erhöhung der renalen β-Rezeptoren
• Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS)
• Verringerung der vasodilatativen Prostaglandine
• Erhöhung der vasokonstriktiven Prostaglandine
• Gefäßverengung

Mehrfach wurde auf die Relation zwischen dem Bleigehalt im Blut und einem systolischen und diastolischen Bluthochdruck bei postmenopausalen Frauen hingewiesen (NASH et al. 2003). Das Skelett ist die wichtigste endogene Quelle von Blei, das insbesondere unter dem Einfluss eines beschleunigten Knochenumsatzes und eines relativen Mineralstoffdefizits, aus dem Knochendepot zurück in die Blutbahn gelangt. Ergebnisse der Normative-Aging-Study belegen, dass die Knochenresorption in der Menopause die Freisetzung von Blei aus dem Skelettsystem in den Blutkreislauf begünstigt (TSAIH et al. 2001). Da Blei eine Halbwertszeit im Knochen von bis zu 30 Jahren hat, können auch chronische geringfügige Bleibelastungen am Arbeitsplatz und durch Umweltbelastungen, während der ersten Lebensjahrzehnte zu einer chronischen Bleibelastung führen. Diese kann unter dem Einfluss eines erhöhten Knochenum- oder -abbaus, wie er in der Menopause oder während längerer Immobilität stattfindet, der Auslöser für einen hohen Blutdruck sein.

Ein hoher Knochenumsatz tritt auch im Verlauf einer Schwangerschaft auf.

Die Untersuchung von 1.017 schwangeren Frauen im Rahmen der EDEN-Kohortenstudie demonstriert die Wirkung von Blei auf den Blutdruck und auf das Auftreten einer Schwangerschaftshypertonie im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel. Die Bleiwerte im Blut waren signifikant höher (Mittelwert ± SD, 2,2 ± 1,4 g/dl) als bei Patienten mit normalem Blutdruck (1,9 ± 1,2 g/dl, p = 0,02) (YAZBECK et al. 2009).

Bleibelastungen können durch DMPS (Dimaval), durch DMSA, Ca-DTPA und Na-Mg-EDTA gesenkt werden. Letztere ist auch unter dem Namen "Chelat-Therapie" bekannt. Die EDTA-Chelat-Therapie ist seit vielen Jahren Gegenstand heftiger Diskussionen zwischen der Schulmedizin und der Komplementärmedizin. Die einen lehnen sie kategorisch ab, die anderen sind von ihrer Wirkungsweise überzeugt. Diese auch international kontrovers geführte Diskussion hat dazu geführt, dass in den USA, wo diese Therapie entwickelt wurde, eine groß angelegte Studie vom National Institute of Health (NIH) in die Wege geleitet wurde. Für die Studie, die den Titel "Trial to Assess Chelation Therapy - TACT" trägt, wurde ein Budget von etwa 30 Millionen US $ festgelegt. Diese Studie soll wissenschaftlich fundierte Klarheit über die EDTA-Chelat-Therapie bringen. Dazu wurde sie als kontrollierter, randomisierter Doppelblindvergleich angelegt, der einen Vergleich zwischen Na-Mg-EDTA und einem Placebo ermöglicht. Untersucht werden sollten insgesamt 2.372 Patienten, deren Herzinfarkt nicht länger als ein Jahr zurücklag.

Beteiligt waren 134 Kliniken und Arztpraxen in USA und Canada. Die Leitung hatte Dr. med. Lamas, Chefarzt der kardiologischen Abteilung der Columbia Universität am Mount Sinai Medical Center in Miami Beach, Florida.

Nach einer Reihe von Verzögerungen ist diese Studie im Jahr 2012 mit 1.708 Patienten fertig gestellt worden. 82% der Patienten waren Männer, 50% waren übergewichtig. 83% hatten bereits eine Bypass-Operation, eine Stent-Implantation oder eine Ballondilatation hinter sich. 32% waren Diabetiker, 68% hatten hohen Blutdruck, 73% nahmen Cholesterinsenker ein. Die Beobachtungszeit jedes einzelnen Patienten betrug 55 Monate. Die Patienten erhielten 40 Infusionen mit je 3 Gramm EDTA in 500 ml Infusionslösung, in Verbindung mit Vitamin C, Mineralien, B-Vitaminen, einem Lokalanästhetikum und etwas Heparin. Die Kontrollgruppe erhielt nur 500 ml Infusionslösung mit etwas Glucose. Jede Infusion dauerte 3 Stunden und wurde zunächst einmal pro Woche gegeben. Nach 30 Infusionen wurde der Abstand zwischen den Infusionen vergrößert. Je nach Krankheitsbild des Patienten wurden die letzten 10 Infusionen in einem Abstand von 2 Wochen bis 2 Monaten gegeben. Insgesamt wurden von allen beteiligten Ärzten 55.222 Infusionen gegeben (LAMAS 2013).

Die Vereinigung der amerikanischen Kardiologen (= American-Heart-Association, AHA) hat am 4 November 2012 die Ergebnisse dieser Mega-Studie vorgestellt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe profitierten die Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, spürbar und messbar von der EDTA-Chelat-Therapie. Sie hatten seltener schwere kardiovaskuläre Komplikationen nach dem Herzinfarkt. In der Verum-Gruppe der Chelat-Patienten waren weniger Todesfälle, weniger Schlaganfälle, weniger Re-Infarkte und weniger Krankenhausaufenthalte wegen Herzbeschwerden (Angina Pectoris) zu verzeichnen als in der Placebo-Gruppe. Besonders gut waren die Erfolge der EDTA Chelat-Therapie in der Gruppe der Diabetiker (ESCOLAR et al. 2013).

Professor E. Antman von der Harvard Medical School in Boston, zugleich Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses der AHA beglückwünschte das "National Heart, Lung, and Blood Institute" und das "National Center for Complementary and Alternative Medicine", die die Studie finanziell unterstützt haben, sowie die Verantwortlichen, die eine so schwierige Studie zu Ende gebracht haben. Zugleich fügte er hinzu: "So faszinierend wie die Ergebnisse sind, so unerwartet sind sie auch und sollten nicht dazu interpretiert werden, um die Chelat-Therapie in die klinische Praxis aufzunehmen" (HUSTEN 2012).

Das heißt im Klartext, trotz der positiven Ergebnisse der TACT Studie, soll die EDTA-Chelat-Therapie auch in Zukunft von der sogenannten Schulmedizin nicht in der Behandlung von Herzinfarktpatienten eingesetzt werden. Vielmehr bleibt sie zunächst "eine Außenseitermethode", deren Wirksamkeit inzwischen allerdings wissenschaftlich nachgewiesen ist. Offen bleibt die Frage, wie objektiv und unvoreingenommen die konventionelle Medizin wirklich ist.

Quecksilber

Auch Quecksilber ist ein Toxin, das das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht. Quecksilber gelangt hauptsächlich über Amalgam-Füllungen und über das Essen von Fisch in den Körper. Wissenschaftler der amerikanischen 'Heavy Metals and Myocardial Infarction Study Group' stellten fest, dass die Quecksilberbelastung von Herzinfarktpatienten oft erhöht ist. Auf Grund der Auswertung der Essgewohnheiten der betroffenen Patienten kamen sie zu dem Schluss, dass Fischessen ein Risiko für die Quecksilberbelastung und das damit verbundene erhöhte Herzinfarktrisiko ist (GUALLAR et al. 2002). Weitere 1.150 Wissenschaftler warnten im Frühjahr 2007 in einem weltweiten Aufruf vor der zunehmenden Umweltbelastung durch Quecksilber (ANONYM 2007). Sie machten darauf aufmerksam, dass die Quecksilberbelastung in der Umwelt weltweit stetig ansteigt und an vielen Orten bereits ein toxisches Niveau erreicht hat (KOTYNEK 2010). Das Schwermetall reichert sich in Form von Methylquecksilber - einer Verbindung, die etwa hundertmal so giftig ist wie reines Quecksilber - insbesondere in Fettfischen an und gelangt so in die Nahrungskette. Beim Menschen wurde nachgewiesen, dass Quecksilber bereits das ungeborene Kind schädigt und beim Erwachsenen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Aus dem Jahr 2001 stammt eine Studie, in der mehrere renommierte Forschungsinstitute aus Frankreich, Spanien, Italien, Schweden, Slowenien und Russland der Frage nachgegangen sind, ob bereits geringe Quecksilbermengen eine toxische Wirkung auf den menschlichen Organismus haben. Nach der Auswertung der Befunde von über 7.000 Menschen kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass bereits eine chronische Belastung mit geringen Mengen an Quecksilber ausreicht, um eine erhöhte Sterblichkeit durch Bluthochdruck, Herz-, Lungen- und Nierenerkrankungen zu verursachen (BOFFETTA et al. 2001). Koreanische Forscher fanden heraus, dass eine Quecksilberbelastung auch mit einem erhöhten Cholesterinspiegel als weiterem Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen kann (YOU et al. 2011). An Bewohnern Ost-Finnlands, deren Hauptnahrungsmittel Fisch ist, konnte eine Verbindung zwischen der Speicherung von Methylquecksilber im Körper und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gezeigt werden (SALONEN et al. 1995). Eine weitere Untersuchung aus Finnland sollte zum Nachdenken und Handeln Anlass geben: Finnische Wissenschaftler untersuchten 1.000 Männer vier Jahre lang, um die Risikofaktoren für die Entstehung einer Verkalkung der Halsschlagader herauszufinden. Sie bestimmten die Gefäßwanddicke der Halsschlagader mit Ultraschall, bekannte Risikofaktoren einer Arteriosklerose sowie den Quecksilbergehalt in Haarproben. Nach Auswertung der Testergebnisse kamen die finnischen Forscher zu dem Schluss, dass ein hoher Quecksilbergehalt einer der stärksten Risikofaktoren für ein schnelles Fortschreiten der Carotissklerose war (SALONEN et al. 2000).

Pathophysiologische Effekte von Quecksilber und Methylquecksilber, die zur Entstehung von Gefäßschäden und HKE führen umfassen (JENNRICH 2013):

• Bildung freier Radikale
• Schädigung der mitochondrialen Atmungskette
• Schädigung der Zellkern-DNA
• Lipidperoxidation mit Erhöhung der Malondialdehydkonzentration im Urin
• Depletion schwefelhaltiger Enzyme (z.B. Glutathion)
• Depletion/Verbrauch von Antioxidantien (Vitamin C, Vit. E, Selen, SOD, Katalase)
• negativer Einfluss auf die endotheliale NO Synthese
• Auslöser der endothelialen Dysfunktion
• Inaktivierung von S-Adenosylmethionine (SAMe)
• Hemmung der Catechol-O-methyltransferase (COMT)
• Erhöhte Serum- und Urinkonzentration von Epinephrin, Norepinephrin und Dopamin

Quecksilberbelastungen können sehr gut mit DMPS, jedoch kaum mit EDTA behandelt werden.

Schlussfolgerung

Da Arsen, Blei und Quecksilber über gleiche und ähnliche Pathomechanismen das Herz und die Blutgefäße schädigen, ist eine Mehrfachbelastung mit diesen potentiell toxischen Metallen ein Risikofaktor, der leider bislang viel zu wenig berücksichtigt wird. Man muss davon ausgehen, dass ähnlich wie bei der Krebsentstehung, nicht allein eine hohe Menge eines einzelnen Metalls krankheitsauslösend ist, sondern die Kombination zweier oder mehrerer Metalle in geringer - für sich allein betrachtet "ungiftiger" - Konzentration (MADDEN 2003). Je nach individueller Belastung ist zur Prophylaxe und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, eine Therapie mit Na-Mg EDTA oder eine Kombination der EDTA Chelat-Therapie mit DMPS angezeigt. Diese ursächlichen Therapieansätze ermöglichen, in Kombination mit weiteren Maßnahmen, ein kausales Therapiekonzept für umweltbedingte Herz- und Gefäßerkrankungen.



(1) Informationen siehe www.framingham.com/heart.


Kontakt:

Peter Jennrich
Facharzt für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren
Direktor des International Board of Clinical Metal Toxicology
Wissenschaftlicher Berater der Deutschen Ärztegesellschaft für klinische Metalltoxikologie
Marienstrasse 1, 97070 Würzburg
www.tierversuchsfreie-medizin.de


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2014