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SPORTMEDIZIN/299: Sportlicher Wiedereinstieg nach Verletzung häufig zu früh (idw)


Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. - 22.09.2015

DKOU 2015: Sportlicher Wiedereinstieg nach Verletzung häufig zu früh


Nach Kreuzbandriss sechs bis neun Monate pausieren - das ist die allgemein gültige Regel. Die meisten Hobby- aber auch Spitzensportler halten sich nicht an diese Empfehlung und steigen zu früh wieder ins Training ein. Oder ihre Verletzung ist in der vorgegebenen Spanne noch nicht ausgeheilt. Aussagekräftiger als die zeitliche Faustregel sind Muskelfunktionstests. Denn sie ermitteln auch das Risiko einer neuerlichen Knieverletzung. Wie ein solcher "Return to play"-Test funktioniert und warum er auch als Präventionsmaßnahme sinnvoll ist, diskutieren Experten auf einer Pressekonferenz am 20. Oktober 2015 im Rahmen des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin.

Nach einer Kreuzband-OP zeigen sich Defizite bei Muskelaktivitäten in Knie, Hüfte und Knöchel - teilweise sogar noch bis zu fünf Jahre nach der Operation. "Viel zu häufig kehren verletzte Sportler zu früh ins Training oder den Wettkampf zurück", erklärt Privatdozent Dr. med. Thore Zantop, Unfallchirurg und ehemaliger Leistungssportler der Handballbundesliga. Das kann weitere Verletzungen etwa am Meniskus ebenso wie eine neuerliche Kreuzbandruptur zur Folge haben. Die Rückfallrate beim Riss des vorderen Kreuzbandes liegt für das operierte sowie das andere Knie zwischen 3 und 49 Prozent. "Für Leistungssportler bedeutet ein zu früher Trainings-Einsatz nach einer Verletzung nicht selten das Ende der Wettkampfkarriere", mahnt Professor Dr. med. Michael Nerlich, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg und Kongresspräsident des DKOU 2015, "denn nach erneuter langer Verletzung ist irgendwann der Zug abgefahren."

Fast immer entscheide allein der Zeitfaktor über die Rückkehr auf den Sportplatz, kritisiert Zantop, "meist in Zusammenhang mit einer Beweglichkeitsprüfung oder dem Lachman-Test." Nur zwei von fünf der in einer Studie berücksichtigten Operateure (insgesamt: 260) führten einen Muskelfunktionstest durch. "Eine Überprüfung der passiven Stabilisatoren, bei der der Arzt das Knie bewegt und nicht der Patient selbst, reicht aber nicht aus", betont Zantop im Vorfeld des DKOU. Zudem seien die Anforderungen an die Kniemuskulatur und die Bewegungsmuster je nach Sportart unterschiedlich. Daher überprüft der von Zantop mitentwickelte "Return to play"-Test nicht nur die Muskelstärke, sondern erstellt auch eine Art Bewegungsanalyse. Dabei geht es unter anderem darum, Schwachstellen wie eine falsche Sprung- oder Lauftechnik zu ermitteln.

Der Knieexperte empfiehlt den Test, der etwa anderthalb Stunden dauert, auch zur Prävention. "Studien haben gezeigt, dass Stabilisations- und Kräftigungsübungen oder angepasste Bewegungsabläufe wie das Landen mit dem gebeugten statt dem gestreckten Knie das Verletzungsrisiko deutlich senken können", betont er. Als Beispiel hebt er die häufige X-Bein-Stellung bei Sportlerinnen hervor, die die Bandstrukturen des Kniegelenkes unnötig belastet. "Der Test ermöglicht es, verletzungsanfällige Sportler, gerade auch bei Jugendlichen, zu identifizieren."

Eine Ruptur des Kreuzbandes, vor allem des vorderen, gehört zu den häufigsten Sportverletzungen. Der Anteil von Kniegelenksschäden insgesamt liegt bei etwa 18 Prozent; ein großer Teil davon geht auf das Konto von Kreuzbandrissen. Hochrisikosportarten sind Fuß-, Hand- und Basketball sowie alpiner Skilauf.

Der Deutsche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2015) wird von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sowie dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) ausgerichtet. Mit etwa 12.000 Teilnehmern hat sich der DKOU zum größten medizinischen Fachkongress in Europa entwickelt.


Quellen:

Petersen W, Taheri P, Forkel P, Zantop T. "Return to play following ACL reconstruction: a systematic review about strength deficits" Arch Orthop Trauma Surg. 2014 Oct; 134(10):1417-28. doi: 10.1007/s00402-014-1992-x
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25091127

Petersen W, Zantop T. "Return to play following ACL reconstruction: survey among experienced arthroscopic surgeons (AGA instructors)" Arch Orthop Trauma Surg (2013) 133:969-977 DOI 10.1007/s00402-013-1746-1

ARAG Allgemeine Versicherungs-AG: "Sportunfälle - Häufigkeit, Kosten, Prävention"
http://www.budoten.org/wp-content/uploads/2010/09/arag-sportunfaelle.pdf

• Vorträge auf dem DKOU 2015
Termin:
Freitag, 23. Oktober 2015, 16:30 bis 18:00 Uhr, Großer Saal
Sportorthopädie Knie:
- Prävention von Kreuzbandverletzungen im Profifußball - erste Ergebnisse eines "Kreuzbandregisters im Deutschen Fußball"
- Sind Knieverletzungen die Hauptursache für ein Karriereende im Profifußball?

Weitere Informationen:
Abstracts sind online abrufbar

Ihr Kontakt für Rückfragen:
Kathrin Gießelmann, Lisa Ströhlein
Pressestelle DKOU 2015
Pf 30 11 20, 70451 Stuttgart
giesselmann@medizinkommunikation.org
www.dkou.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dkou.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1739

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V., Kathrin Gießelmann/DKOU-Pressestelle 2015, 22.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2015

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