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ARBEITSMEDIZIN/372: Gestaltungsempfehlungen für die Pflegeberufe - Das IfADo setzt Standards (idw)


Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund - 19.05.2014

Das IfADo setzt Standards

DIN, CEN und ISO verankern Ergebnisse des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung in ihren Gestaltungsempfehlungen für die Pflegeberufe



* Anne arbeitet für einen ambulanten Pflegedienst, aber sie hat kaum Zeit für das Gespräch mit ihren Patienten. Ihr Arbeitstag ist so eng getaktet, dass allein schon die körperliche Pflege unter hohem Zeitdruck stattfinden muss, was häufig über ihr Leistungsvermögen geht. Zu den damit verbundenen Gesundheitsgefährdungen haben das Deutsche Institut für Normung (DIN) und das Europäische Komitee für Normung (CEN) einen Technischen Bericht veröffentlicht, der auf den Empfehlungen der internationalen Normungsorganisation ISO basiert. In diesem Bericht wird die Forschung des IfADo zur Abschätzung und Beurteilung von gesundheitlichen Risiken in der Pflege als besonders aussagekräftig hervorgehoben.

Mit dem verbreiteten Personalmangel in der Alten- und Krankenpflege geht eine Verdichtung der Arbeitsabläufe einher, immer mehr Aufgaben müssen von immer weniger Beschäftigten erledigt werden. Ein Belastungsschwerpunkt ist dabei das Bewegen der Patienten: Das Aufrichten, Drehen, Betten und Umsetzen führt zu Gefährdungen insbesondere für die Lendenwirbelsäule.

Die Risiken von Muskel- und Skeletterkrankungen im Gesundheitswesen wurden in den Ergonomie-Arbeitsgruppen von CEN und ISO diskutiert. Das Ergebnis sind sogenannte Technische Berichte, mit denen Praktiker des betrieblichen Gesundheitsschutzes eine Übersicht über den Stand der Wissenschaft erhalten. Ein von der ISO vorgelegter Bericht wurde nun von CEN und DIN für den europäischen beziehungsweise nationalen Bereich übernommen. Darin wird der am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung entwickelte "Dortmunder Denkansatz" zur Risikoabschätzung und Risikobeurteilung in der Alten- und Krankenpflege hervorgehoben.

Die Forschungsgruppe "Biodynamik" am IfADo hat ein spezielles Labor aufgebaut, um die gesundheitlichen Gefährdungen mit naturwissenschaftlichen Methoden zu analysieren. Unter der Leitung von Matthias Jäger werden von dieser Gruppe Körperhaltungen und Körperbewegungen mit verschiedenen optischen Systemen aufgezeichnet. Gleichzeitig werden die benötigten Kräfte mit Hilfe eines selbstentwickelten kraftsensitiven Betts ("Dortmunder Messbett") und mit mehreren Kraftmessplattformen am Boden erfasst. Die Daten fließen in das ebenfalls selbstentwickelte und in verschiedenen Anwendungsfeldern bewährte Computermodell "Der Dortmunder" ein. In dem Modell sind die Funktionen von Skelett, Muskulatur und Bändern nachgebildet, um daraus die Höhe der Wirbelsäulenbelastung zu errechnen.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass bereits bei typischen Patiententransfers Kräfte von mehreren tausend Newton in der Lendenwirbelsäule wirken können. Dies entspricht im Extremfall einem Gewicht von nahezu einer Tonne.

Die Ergebnisse zeigen aber zugleich, wie man mit einfachen Mitteln die Belastung deutlich verringern kann. Die beim Patiententransfer gefundenen biomechanischen Kräfte werden vor allem durch ungünstige Hebelverhältnisse verursacht. Deshalb sollte der Patient zum Beispiel nahe am eigenen Körperschwerpunkt gehalten und geführt werden. Gleitmatten, Rutschbretter und andere Hilfsmittel können einen erheblichen zusätzlichen Beitrag leisten, indem sie etwa die Reibung zwischen Patient und Matratze reduzieren. Die vermutete Wirksamkeit dieser Arbeitsmethoden und Hilfsmittel wurde durch die aufwändigen Messungen und komplexen Computersimulationen des IfADo mit Maß und Zahl belegt.

Dieser Praxistransfer verdeutlicht, dass für das IfADo - neben der Publikation der Forschungsergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften - die Politikberatung ein wesentliches Aufgabenfeld darstellt. Die Forschungsgruppe "Biodynamik" unterhält in diesem Zusammenhang eine langjährige inhaltliche Kooperation mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). Insgesamt ist das Institut in über 50 Umsetzungsgremien der Regulation und Normung vertreten, wobei die Aktivitäten der biodynamischen Forschungsgruppe einen Schwerpunkt bilden. Mit der Weltgesundheitsorganisation WHO arbeitet das IfADo als WHO Collaborating Centre for Occupational Health zusammen.


Ansprechpartner:
PD Dr. Matthias Jäger
E-Mail: mjaeger@ifado.de


Das IfADo - Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund erforscht die Potenziale und Risiken moderner Arbeit auf lebens- und verhaltenswissenschaftlicher Grundlage. Aus den Ergebnissen werden Prinzipien der leistungs- und gesundheitsförderlichen Gestaltung der Arbeitswelt abgeleitet. Das IfADo hat mehr als 230 Mitarbeiter/innen aus naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen. Das Institut ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Diese Wissenschaftsorganisation umfasst 89 Einrichtungen, die rund 17.200 Menschen beschäftigen, bei einem Jahresetat von 1,5 Milliarden Euro.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution670

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, Dr. Dietmar Gude, 19.05.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2014