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KINDER/506: Depressiv im Kindesalter (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2/2020

PÄDIATRIE

Depressiv im Kindesalter

von Dirk Schnack


5.400 Kinder und Jugendliche in SchleswigHolstein leiden unter Depressionen. Bei 5.200 wurde eine Angststörung diagnostiziert.


Kinder und Jugendliche mit Depressionen und Angststörungen benötigen nach Ansicht der DAK Landesvertretung Schleswig-Holstein mehr Aufmerksamkeit und effektivere Hilfe. Bei der Vorstellung des aktuellen Kinder- und Jugendreports in Kiel machte Gesundheitswissenschaftler Julian Witte von der Universität Bielefeld deutlich, wie verbreitet diese Krankheitsbilder in Schleswig-Holstein sind.

Danach leiden rund 5.400 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 17 Jahren in Schleswig-Holstein unter einer Depression und 5.200 in der gleichen Altersgruppe unter Angststörungen. Den Prozentsatz von 2,3 Prozent aller Schulkinder ermittelte Witte aus Abrechnungsdaten. Er rechnet mit einer Dunkelziffer, weil nicht jede Depression und Angststörung ärztlich behandelt und abgerechnet wird. Hinzu komme, dass viele Betroffene erst ab einem bestimmten Schweregrad in der Versorgung erscheinen. "Die betroffenen Kinder leiden lange für sich im Stillen, bevor sie sich jemandem anvertrauen und passende Diagnosen und Hilfe bekommen", sagte dazu der Leiter der DAK Landesvertretung, Cord-Eric Lubinsky. Er rief dazu auf, aufmerksamer auf Anzeichen von Angststörungen und Depressionen zu achten. Neben der Familie nannte er auch Schulen und Sportvereine.

Auffällig ist, dass es bei Mädchen deutlich mehr Diagnosen gibt. Laut Anja Walczak, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbandes BKJPP im Norden, suchen Mädchen schneller Hilfe als Jungen. Den Anstieg der Diagnosen führt sie auch auf steigenden Druck in den Schulen zurück. G8 und andere Bildungsreformen haben nach ihrer Einschätzung die Belastung für Schüler erhöht.

Bei Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren, die in der Stadt wohnen, wird laut Gesundheitsreport häufiger eine Depression diagnostiziert als bei ihren Altersgenossen auf dem Land - die Abweichung beträgt 58 Prozent. Die DAK verweist in diesem Zusammenhang auf das dichtere Angebotsnetz an niedergelassenen Fachärzten. Stadtkinder mit Depressionen hätten pro Jahr 33 Prozent mehr Besuche bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten als Gleichaltrige in ländlichen Gebieten.

Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist von vielen Faktoren abhängig. Seelische Erkrankungen und Süchte der Eltern, eigene chronische Erkrankungen, Schmerzen und weitere Faktoren können das Risiko erhöhen (siehe Kasten). Deutlich wurde in Kiel auch, wie langwierig und folgenschwer Depressionen und Angststörungen für Betroffene sein können. 8,7 Prozent aller Schulkinder mit Depressionen wurden 2017 mindestens einmal stationär behandelt, mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 44 Tagen, 22 Prozent von ihnen mehrfach. Auswirkungen haben die Folgen auch für die Kostenträger. Pro Kopf geben die Kostenträger zwischen 2.500 und 3.000 Euro mehr für Mädchen und Jungen mit Angststörungen und Depressionen aus als für vergleichbare Kinder und Jugendliche ohne diese Diagnosen. Bundesweit summieren sich die Ausgaben für die beiden Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen auf 406 Millionen Euro (Depression) und 390 Millionen Euro (Angststörungen). Für Schleswig-Holstein liegen diese Ausgaben bei 16 bzw. 14 Millionen Euro. "Eine gezielte Versorgungsverbesserung hätte hohes ökonomisches und präventives Potenzial", glaubt Witte.

Lubinsky verwies in diesem Zusammenhang auf ein neues Angebot seiner Kasse mit dem Namen "veo", das für zwölf- bis 17-jährige Betroffene nach einem Krankenhausaufenthalt eine besser vernetzte ambulante Nachsorge ermöglichen soll. Eingebunden werden neben Haus- und Fachärzten auch Beratungsstellen, Schulpsychologen und Jugendämter. Ziel ist es, Wartezeiten zu verringern.


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X-fach höheres Risiko für Depressionen durch individuelle Faktoren(*)

- 4,5-fach durch eigene chronische Erkrankung
- 3-fach durch Adipositas
- 2,6-fach durch Schmerzen(**)
- 2,3-fach durch Diabetes
- 1,7-fach durch Asthma

X-fach höheres Risiko für Depressionen durch Umfeld-Faktoren(*)

- 3,3-fach durch Elternteil mit Depressionen
- 2,4-fach durch Elternteil mit Suchterkrankung
- 2,3-fach durch Elternteil mit Angststörungen
- 1,6-fach durch chronische Erkrankung eines Elternteils

* Berücksichtigt wurde jeweils das Geschlecht und die Altersgruppe mit dem größten beobachteten Zusammenhang.
** Berücksichtigt sind Diagnosen von Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Bauch- und Beckenschmerzen. (Quelle: DAK)
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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 2/2020 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2020/202002/h20024a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, Februar 2020, Seite 17
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2020

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