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HNO/290: Hörvermögen mit künstlichem Innenohr (idw)


Universität zu Lübeck - 04.06.2018

Hörvermögen mit künstlichem Innenohr

Neuer Hörtest kann das künftige Sprachverständnis mit Cochlea-Implantat präzise vorhersagen


Nach Implantation einer Innenohrprothese gewinnen manche Patienten das Hörvermögen schneller zurück als andere. Ein neuer Hörtest kurz nach der Implantation kann nun präzise das Sprachverständnis mit Cochlea-Implantat sechs Monate später vorhersagen.

Derzeit ist das Gehör das einzige Sinnesorgan, das sich erfolgreich ersetzen lässt: Ein künstliches Innenohr, das sogenannte Cochlea-Implantat, ermöglicht es ertaubten Menschen, wieder zu hören. Es wird in die geschädigte Hörschnecke eingepflanzt, übersetzt Schall in elektrische Impulse und überträgt sie direkt an den Hörnerv.

Jedoch sind die übertragenen Signale extrem verzerrt: Geräusche werden von Patienten als "blechern" beschrieben, Stimmen als "roboterhaft". Manche Patienten lernen sehr schnell, das verzerrte Sprachsignal zu deuten und können Sprache sogar unter schwierigen Bedingungen - beispielsweise im Hintergrundlärm einer Cocktailparty - verstehen. Andere wiederum profitieren kaum von der Neuroprothese. Doch welche Fähigkeiten helfen bei der Anpassung an eine solche neue Hörsituation?

Diverse Studien zeigen, dass die Dauer des Hörverlusts vor der Implantation das künftige Sprachverständnis beeinflusst. Nun haben Forscher gezeigt, dass auch nicht-sprachliche Hörfähigkeiten, insbesondere die zeitliche Auflösung des Gehörs, erheblich zum Anpassungsprozess beitragen.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie (doi: 10.1097/AUD.0000000000000588) des Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Cochlea-Implantat-Zentrum Leipzig, und der Universität Lübeck wurden Erwachsene mit neu implantiertem künstlichem Innenohr getestet. Die Patienten sollten rhythmische Modulationen in Rauschsignalen unterscheiden. Jene, die in diesem Hörtest besser abschnitten, konnten sechs Monate später Sprachsignale besser verstehen. Umgekehrt hatten Patienten mit geringer Sensitivität ein erhöhtes Risiko für ein künftig schlechtes Sprachverständnis.

Für die zunehmende Zahl von Cochlea-Implantat-Trägern (derzeit ca. 150 000 in Europa) ist dieser Lernprozess von zentraler Bedeutung: Nur wenn es ihnen gelingt, sich an das ungewohnte, reduzierte Sprachsignal anzupassen, können sie überhaupt von ihrem Implantat profitieren und Sprache nach einer gehörlosen Zeit (wieder) verstehen. Daher sind solche zuverlässigen Hörtests in zweifacher Hinsicht wichtig: Einerseits können so gefährdete Patienten frühzeitig identifiziert und einem Hörtraining empfohlen werden, andererseits können die Algorithmen des Cochlea-Implantats verbessert und individuell angepasst werden.


Originalpublikation:
Erb J, Ludwig AA, Kunke D, Fuchs M, & Obleser J.
Temporal sensitivity measured shortly after cochlear implantation predicts six-month speech recognition outcome
(Ear Hear. 2018 Apr 24. doi: 10.1097/AUD.0000000000000588. [Epub ahead of print]).


Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29697465

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution92

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität zu Lübeck - 04.06.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2018

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