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KONTROVERS/001: Eine flog aus dem Krähennest - Fall und Flug der Eva Herman (SB)


Eine flog aus dem Krähennest - Fall und Flug der Eva Herman


Es ist doch so: Johannes B. Kerner und Eva Herman haben viel gemeinsam. Sie sind bekannt. Ihre Nasen haben es per Knopfdruck - und sei es zufällig - mit Sicherheit schon in jedes deutsche fernsehzentrierte Wohnzimmer geschafft. Sie sind als TV-Talker beide mit gängigen Gesprächs- und Fragetechniken vertraut, wissen - oder geben es vor -, wie man einfühlsam fragt, wie sich Emotionen rauskitzeln lassen und natürlich - das gehört nun mal auch zum Fernsehtalkgeschäft -, wie man einen Gast "hart anfaßt", wie man mehr oder weniger deutlich provoziert, wie sich ein Konflikt gesprächsdramaturgisch zum Eklat ausgestalten läßt. Johannes B. Kerner und Eva Herman kennen die mediale Wirklichkeit. Und sich natürlich, deshalb das vertraute "Du" vor laufender Kamera. Selbige enthüllt im direkten Nebeneinander der beiden Medienprofis geradezu beiläufig eine weitere Gemeinsamkeit. Beide sind blond. Womit sofort all jenen ein Haar in die argumentative Suppe geworfen wäre, die nach dieser Aufsehen erregenden Kernersendung dem Gastgeber ihre Gunst schlicht dadurch zu sichern meinten, den Auftritt von Eva Herman damit zu kommentieren, daß sie eben einfach blond, blöd und selber Schuld sei. Nicht blonder als Johannes B. Kerner und blöder womöglich ebenso wenig. Und Schuld? Woran? Daran, daß Johannes B. Kerner sich über eine rekordverdächtige Einschaltquote seiner nächtlichen - für gewöhnlich deutlich weniger stark frequentierten - Gesprächsrunde freuen durfte? Oder daran, daß der Verkauf der "Herman-Bücher", nicht nur des neuesten, sondern auch der vorigen, plötzlich um ein Vielfaches in die Höhe schnellte? Oder geht es bei der Schuldfrage um die vollen Zeitungsseiten, um die endlose Zahl von Schlagzeilen, Berichten und Kommentaren, in denen die Namen Johannes B. Kerner und Eva Herman wieder und wieder, Seit an Seit auftauchen? Zeitungen aller Couleur, Radiosender - das Internet geradezu überschwemmt - seit Tagen nunmehr beschäftigen sie sich mit dem "Rausschmiß der Herman bei Kerner". Dabei sei an dieser Stelle daran erinnert, was diese Schlagzeile in der Sendungswirklichkeit bedeutete: Faktisch messbare, nahezu volle 53 Minuten waren Johannes B. Kerner und Eva Herman, bisweilen mehr oder weniger heftig attackiert von den übrigen Anwesenden (Schauspielerin Senta Berger, Exmoderatorin Margarethe Schreinemakers und Comedian Mario Barth), im Gespräch. Das waren zwar wenig strukturierte, zwischen Bezichtigungen, Dementis, Buchinhalten und historischen Verirrungen hin und her schwingende 53 Minuten - aber so lange hat die Schaukel eben gebraucht, um genug Schwung zu haben für den Überschlag. Und getreu dem Motto "Gut Ding will Weile haben!" hat der smarte Talkmaster hier und da mal ein bißchen geschubst, dann wieder gebremst, noch mal ordentlich Anschwung gegeben und schließlich auf der entsprechenden emotional wirkungsvollen Höhe den Absprung gewagt. Nein, zelebriert! Ein Wagnis war das nicht - mit hilflosem Charme und nach 53 Minuten hat Johannes B. Kerner seiner souverän auftretenden Kollegin für das Gespräch gedankt und sie verabschiedet. Angesichts dieses formvollendeten Abgangs von einem Rausschmiß zu sprechen, befördert natürlich die Phantasie all derjenigen, die die Sendung nicht gesehen haben. Wohl denen, die sich dennoch die Mühe erspart haben, die Schlagzeilen über die Kerner-Show mit ihren Inhalten in Deckung bringen zu wollen. Ein vergeblicher Kraftakt. Und mit den besagten 53 Minuten auch ein zu hoher Zeitaufwand. Zumal auf diesem medialen Schlachtfeld weder die Frage, hat sich Eva Herman falsch ausgedrückt oder ist sie mißverstanden worden, klären lassen wird, noch, ob ihre Thesen zu Familie, Wertgefüge und mütterlicher Weiblichkeit hier sinnvoll zu diskutieren wären, unabhängig davon, ob sie es wert sind oder nicht. Nur eine ungestellte Frage ist zweifelsfrei zu beantworten: Ja, Eva Herman ist aus dem Nest geflogen, in dem normalerweise die Krähen gegenseitig auf ihre Augen achten. Und Johannes B. Kerner hat gehackt und sitzt noch drin.

Dem befangenen Zuschauer bleibt angesichts einer offensichtlich marktwertigen Mobbingstrategie, wie sie sich ihm am Beispiel einer derartigen Sendeveranstaltung geradezu aufdrängt, nur zu hoffen, es gäbe bei den beteiligten Professionellen (spätestens zu Weihnachten) ein kurzfristig schlechtes Gewissen und die betroffene Eva Herman wäre so flügge geworden wie erforderlich und wüßte ihre Flügel bei ihren selbstgewählten Missionen zukünftig kräftig und wirksam einzusetzen. Johannes B. Kerner jedenfalls, der könnte nach der Aufzeichnung der Sendung durchaus zu ihr gesagt haben: "Mensch Eva, das war super und nichts für ungut, Du, bis demnächst!"

Schlußendlich könnte man bei aller unvermeidlichen Oberflächlichkeit und Teilnahmslosigkeit, die dieses Medienspektakel überhaupt erst zum Konsumgut werden lassen, doch kritisch bemerken wollen, daß sich wieder einmal der Katharina-Blum-Diffamierungsmechanismus als grundlegende Konsequenz des Verhältnisses zwischen Herrschenden und Beherrschten in unserer Gesellschaft durchzusetzen scheint.

18. Oktober 2007