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INTERNATIONAL/085: Israelische Angriffe auf Journalisten im Gazastreifen - Untersuchung gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2012

Nahost: Israelische Angriffe auf Journalisten im Gazastreifen - Berufsverband fordert Untersuchung

von Jillian Kestler-D'Amours



Ramallah, Westjordanland, 23. November (IPS) - Kurz nach dem Ende des achttägigen Krieges zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas fordern lokale und internationale Journalistenverbände eine internationale Untersuchung der israelischen Übergriffe auf palästinensische Berichterstatter.

"Wir wollen, dass die Vorfälle im Gazastreifen aufgeklärt werden", betont Abdal Nasser Najjar, Vorsitzender des Palästinensischen Journalistensyndikats. "Diese (israelische) Politik, Journalisten zu töten und zu verletzen, muss aufhören. Es gibt keinen Unterschied zwischen israelischen, palästinensischen und internationalen Journalisten. Wir wollen als solche nichts weiter als nur unsere Arbeit tun."

Bei der jüngsten Bombardierung des Gazastreifens im Rahmen der israelischen Operation 'Säule der Verteidigung' wurden 163 Palästinenser getötet und mehr als 1.100 verletzt. Unter den Opfern waren drei Journalisten. Ein weiteres Dutzend wurde durch die gezielten israelischen Luftschläge verletzt.

Nach Angaben von MADA, dem Palästinensischen Zentrum für Entwicklung und Pressefreiheit, hat die israelische Armee in den letzten zehn Jahren 18 Berichterstatter getötet, darunter auch zwei ausländische Medienvertreter. "Sie stuft Journalisten als Feinde ein. Sie will nicht, dass die Welt erfährt, was sie im Gazastreifen treibt und welche Verbrechen ihre Soldaten begehen", meint Najjar, leitender Redakteur der Tageszeitung 'Al-Ayam'.

Am 20. November wurde der Dienstwagen des Al-Aqsa-TV-Senders von einer israelischen Rakete getroffen. Die beiden palästinensischen Kameramänner Hussam Mohammed Salama und Mahmoud Ali al-Koumi kamen dabei ums Leben. Sie waren auf dem Weg zum Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt gewesen, um die Verletzten der israelischen Luftangriffe zu filmen. Am gleichen Tag starb der Direktor des 'Al-Quds-Bildungsradios', Mohamed Abu Aisha. Auch sein Auto war von einer Rakete getroffen worden.


"Vorsätzliche Angriffe auf Journalisten"

Die Reporter ohne Grenzen bezeichneten die jüngsten israelischen Angriffe als "vorsätzlich" und erklärten am 21. November, dass Journalisten Anspruch auf den gleichen Schutz wie Zivilisten hätten und nicht als militärische Ziele betrachtet werden dürften.

Mehr als zehn Berichterstatter wurden bei drei israelischen Raketenangriffen auf die Gebäude lokaler und internationaler Medien in Gaza-Stadt verletzt. Dazu gehörten Mitarbeiter von 'Al Arabiya', 'Agence France Press', der palästinensischen Nachrichtenagentur 'Ma'an' und dem russischen Fernsehen.

"Wir fordern die Vereinten Nationen auf, einen Ausschuss einzurichten, der diese Anschläge vollständig untersucht und gegen Israel aktiv wird. Darüber hinaus muss die internationale Gemeinschaft unverzüglich auf diese abscheuliche Vorgehensweise reagieren", so Jim Boumelha vom Internationalen Journalistenverband IFJ in einer Mitteilung.

Am 21. November hatte das Büro des Sprechers der israelischen Armee folgende Kurznachricht im Internet abgesetzt. "Warnung an die Reporter im Gazastreifen: Bleiben Sie weg von Hamas-Agenten und -fazilitäten. Die Hamas, eine Terroristengruppe, wird Sie als menschliche Schutzschilde missbrauchen."


Al-Aqsa TV als Agentenzentrale verunglimpft

Die israelische Regierung unterstellt Al-Aqsa TV, keine richtigen Journalisten zu beschäftigen. "Bei Al-Aqsa handelt es sich um eine von der Hamas geleitete und kontrollierte Fernsehstation. So wie in anderen totalitären Staaten werden die Medien vom Regime zu Kommando-, Kontroll- und Sicherheitszwecken missbraucht. Von unserem Standpunkt aus gesehen hat das nichts mit wahrem Journalismus zu tun", meinte unlängst der israelische Regierungssprecher Mark Regev in einem Interview mit 'Al Jazeera'. Er fügte hinzu: "Wir nehmen keine Journalisten ins Visier, wir zielen auf die Hamas."

Nach Ansicht von Issam Younes, dem Leiter des Almezan-Menschenrechtszentrums im Gazastreifen, ist die israelische Argumentation nur ein Vorwand, um die zerstörerischen Angriffe auf den Gazastreifen zu rechtfertigen. "Man stelle sich vor, die Hamas würde so argumentieren. Dass die Kommentatoren (der israelischen Nachrichtensender) 'Channel 2' und 'Channel 10' Leute des israelischen Geheimdienstes Shabak seien. Dürften sie dann von der Hamas unter Beschuss genommen werden?"

Die Bewegungen in und aus dem Gazastreifen werden fast vollständig von Israel überwacht. Ägypten kontrolliert lediglich den Grenzübergang Rafah. Zu Beginn der letzten Militäroffensive hatte Israel Dutzenden internationalen Journalisten überraschender Weise die Einreise in den Gazastreifen erlaubt. Während der Luftangriffe auf das von der Hamas regierte Palästinensergebiet Ende 2008/Anfang 2009 hatte Israel die Grenze zwischen Israel und Gazastreifen und ein zwei Kilometer großes Areal auf israelischem Territorium zu "geschlossenen Militärzonen" erklärt, in die ausländische Journalisten nicht zugelassen waren.

Damals ging die Armee mit extremer Gewalt gegen lokale Journalisten vor, die den dreiwöchigen Luftkrieg gegen den Gazastreifen vor Ort dokumentierten. Die Al-Aqsa-Büros im Gazastreifen wurden komplett zerstört. Die finanziellen Schäden beliefen sich auf sechs Millionen US-Dollar. Auch die Räume der Wochenzeitung 'Al-Risala' wurden beschädigt.

"Es gibt keine rote Linie mehr", kritisiert Younes. "Alles kann zur Zielscheibe werden, solange diese politische Verbrämung vorgenommen wird und Israelis meinen, Immunität zu besitzen, über dem Gesetz zu stehen und ungestraft schalten und walten zu können, wie sie wollen." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.madacenter.org/index.php?lang=1
http://www.mezan.org/en/
http://www.ipsnews.net/2012/11/israel-targets-media-in-gaza/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2012