Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

INTERNATIONAL/066: Honduras - Radiojournalist ermordet, Ende der Straflosigkeit gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Mai 2012

Honduras: Radiojournalist ermordet - Ende der Straflosigkeit gefordert

von Thelma Mejía



Tegucigalpa, 18. Mai (IPS) - In Honduras, einem der gewalttätigsten Länder der Welt, ist der Rundfunkjournalist Alfredo Villatoro ermordet worden. Seine Leiche wurde Stunden nach einer Regierungserklärung über die mögliche Freilassung des Entführungsopfers in einem Wohngebiet im Süden der Hauptstadt Tegucigalpa gefunden.

Der am 9. Mai verschleppte Villatoro hatte für den einflussreichen lokalen Radiosender HRN gearbeitet. Seine Leiche steckte in einer Uniform der Elitepolizeieinheit 'Cobras'. Den bisherigen forensischen Untersuchungen zufolge war er kurze Zeit nach der Ankündigung der Regierung, er sei noch am Leben, mit zwei Kopfschüssen hingerichtet worden. Wie inzwischen publik geworden ist, hatten Eliteeinheiten versucht, das Entführungsopfer aufzuspüren. Auch sollen kolumbianische Polizisten an der Aktion mitgewirkt haben.

Am 15. Mai hatte Staatspräsident Porfirio Lobo in der nordhonduranischen Stadt San Pedro Sula erklärt, dass Villatoro "lebt". Das sei Videoaufnahmen zu entnehmen, die die Entführer der Familie zugeschickt hätten. "Wir hoffen auf seine baldige Freilassung", sagte er. Stunden später bestätigte Sicherheitsminister Pompeyo Bonilla gegenüber dem Nachrichtensender TN5 den Tod des Journalisten. Die Regierung hat inzwischen eine Belohnung in Höhe von 150.000 US-Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zur Festnahme der Täter führen.

Mit dem Verbrechen an Villatoro steigt die Zahl der Journalisten, die in den letzten zwei Jahren ermordet wurden, auf 20. Das Büro des Nationalen Menschenrechtsbevollmächtigten gibt die Zahl der in den letzten zehn Jahren umgebrachten Medienvertreter mit 27 an.


Mafia hinter Mord vermutet

Nach Ansicht der Sicherheitsexpertin Mirna Flores ist das jüngste Verbrechen eine weitere schlechte Nachricht für das von Gewalt dominierte Honduras. Die Charakteristika der Tat legen ihrer Meinung nach nahe, dass es sich bei den Tätern um Mitglieder des organisierten Verbrechens handelt. Minister Bonilla ist offenbar der gleichen Meinung. Wie er erklärte, könnte die Tat ein Racheakt der Mafia für die Entscheidung sein, honduranische Drogenhändler, Terroristen und Gangster auf Anfrage anderer Länder auszuliefern.

Der Vorsitzende des Honduranischen Journalistenverbands, Juan Ramón Mairena, nannte den Mord an Villatoro den Versuch, "uns zum Schweigen zu bringen". Es gehe darum, das Land durch die Ermordung namhafter Journalisten in Angst und Schrecken zu versetzen. "Doch wir lassen uns nicht einschüchtern", versicherte er.

Mairena forderte die Regierung auf, die Bluttat zu untersuchen und zu verhindern, dass auch dieses Verbrechen straffrei bleibt. Seit sieben Jahren verbucht das Land nach offiziellen Angaben durchschnittlich 18 Morde pro Tag. In den wenigsten Fällen werden die Täter zur Verantwortung gezogen.

Die Polizei steht im Ruf, an Morden, Entführungen, Raubüberfällen, Erpressungen, Waffenhandel und anderen Straftaten beteiligt zu sein. Das hat dazu geführt, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitskräfte gleich null ist. Mit einer Polizeireform, für die sich die Regierung um die Unterstützung Chiles und Kanadas bemüht, soll das Zusammenspiel mit der Mafia beendet werden.

Menschenrechtsorganisationen drängen die Regierung seit langem, insbesondere die Polizeispitze von kriminellen Elementen zu säubern. Doch bisher machen die Behörden keine Anstalten, der Forderung nachzukommen.


"Fehler der Regierung"

Internationale Journalistenvereinigungen haben wiederholt auf die Schutzlosigkeit von Journalisten und die Einschränkungen der Pressefreiheit in Honduras hingewiesen. Ein Bericht des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) macht den "Fehler der Regierung", die Mordfälle zu verharmlosen, für die Verbrechen mitverantwortlich.

Auch Vertreter der EU in Honduras haben sich besorgt über Menschenrechtsverletzungen, Morddrohungen und Einschüchterungen von Menschenrechtlern, Journalisten und Homosexuellen geäußert.

Neun Tage vor Villatoros Ermordung war der Journalist Erick Martínez Ávila erwürgt aufgefunden worden. Martínez hatte sich für die Rechte sexueller Minderheiten engagiert und gehörte zu den vehementen Kritikern des Staatsstreichs von 2009. Außerdem war er Mitglied der Partei 'Freiheit und Neugründung' des damals aus dem Amt geputschten Präsidenten Manuel Zelaya. Seine Mörder wurden nicht gefasst. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://cpj.org/es/2012/05/el-cpj-condena-ataques-contra-periodistas-en-hondu.php#more
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100747

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Mai 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2012