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INTERNATIONAL/049: Ost-Jerusalem hat wieder ein Kino, Regisseurin will Palästinensern Kultur bieten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Februar 2012

Nahost: Ost-Jerusalem hat wieder ein Kino - Regisseurin will Palästinensern Kultur bieten

von Jillian Kestler-D'Amours

Das neu eröffnete Al-Quds-Kino in Ost-Jerusalem - Bild: © Jillian Kestler-D'Amours

Das neu eröffnete Al-Quds-Kino in Ost-Jerusalem
Bild: © Jillian Kestler-D'Amours

Ost-Jerusalem, 21. Februar (IPS) - Die Palästinenser in Ost-Jerusalem können wieder Filme auf der großen Leinwand sehen: Nach 25 Jahren ist das Kino 'Al Quds' wiedereröffnet worden. Die Betreiber sehen darin ein Signal für die Wiedergeburt palästinensischer Kunst und Kultur in der Stadt.

"Wir waren eine Weile vom Rest der Welt abgeschnitten", sagt die Filmemacherin und Koordinatorin des Kinos, Rima Essa. "Ich versuche nun viele Filme aus Regionen hierher zu bringen, aus denen wir niemals gedacht hätten, Filme zu importieren: Iran, Syrien, Libanon. Wir hoffen, dass die Palästinenser dadurch unterschiedliche kulturelle Erfahrungen machen", meinte die bekannte Regisseurin.

Das Al-Quds-Kino, das im Yabous-Kulturzentrum untergebracht ist, hat seine Wiedereröffnung mit dem Festival 'Freedom Films Week' gefeiert. Gezeigt wurde etwa ein Dutzend Kinoproduktionen, deren Themenspektrum von den Revolutionen in Tunesien über sexuelle Belästigung in Ägypten bis zum Alltag der Palästinenser in Ost-Jerusalem reicht.

"Die Menschen hungern nach solchen Produktionen. Nach der Vorstellung kommen sie und sprechen mit uns. Viele sieht man jeden Tag wieder", erzählt Essa, die das Festival kuratiert hat. Sie hofft, dass das Kulturzentrum alle Palästinenser, die daran vorbeikommen, neugierig macht.


Zu Beginn der ersten Intifadah geschlossen

Das Al-Quds-Kino wurde in den fünfziger Jahren gebaut und bot früher bis zu 800 Menschen Platz. Über die Leinwand flimmerten kommerzielle Filme aus der Region und anderen Teilen der Welt, bis die israelischen Behörden das Kino 1987 zu Beginn der ersten palästinensischen Intifadah schlossen.

Die meisten Filmrollen und die übrige Ausstattung, die noch aus den Anfangsjahren des Kinos stammen, sind mittlerweile durch Sonneneinstrahlung und Regen zerstört worden. Nur einige wenige alte Filmdosen und Negativrollen sowie ein Projektor konnten restauriert werden. Sie sind in der Eingangshalle des Kulturzentrums ausgestellt.

Noch sei der Bau verschiedener Aufführungs- und Kinosäle in vollem Gang, erklärt Essa, die sich wünscht, dass das Al-Quds-Kino das von den israelischen Besatzern geschaffene kulturelle Vakuum füllen kann.

In den meisten Kinos im Westen Jerusalems sei der Eintritt so hoch, dass ihn sich die Palästinenser nicht leisten könnten, sagt sie. Eine Karte koste dort umgerechnet zehn US-Dollar. Da die Palästinenser unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen lebten, kämen sie mit Kulturereignissen sonst nie in Berührung.

Essa kritisiert, dass die Palästinenser von Jerusalem in einem Belagerungszustand lebten. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass die israelischen Behörden seit August 2001 fast 30 Organisationen, die sich für die Palästinenser in Jerusalem engagierten, ihre Tätigkeit verboten haben. Geschlossen wurden unter anderem das Orient-Haus, in dem die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO einst ihren Sitz hatte, die Handelskammer von Jerusalem und die Gesellschaft für Arabische Studien.

2009 verbot Israel außerdem zahlreiche Kultur- und Bildungsveranstaltungen von Palästinensern, mit denen Jerusalem in jenem Jahr als 'Hauptstadt der arabischen Kultur' geehrt werden sollte. "Die Israelis versuchen alles zu schließen, was mit den Palästinensern zu tun hat", sagt Ziad al-Hammouri, der Direktor des Jerusalemer Zentrums für soziale und wirtschaftliche Rechte (JCSER). Die Palästinenser sollten damit aus der Stadt gedrängt werden. Man wolle erreichen, dass sie sich Jerusalem nicht zugehörig fühlten, kritisiert er.


Palästinenser beklagen Druck seitens Israel

Die Schließungen seien im Zusammenhang damit zu sehen, dass Israel die 'Judaisierung' der Stadt vorantreibe und jede Verbindung der Palästinenser zu Jerusalem als Drohung darstelle, erklärt al-Hammouri. "Es handelt sich um ein demografisches Problem. Sie wollen, dass (jüdisch-israelische) Siedler den Platz der Palästinenser einnehmen. Dadurch sollen die Palästinenser eingeschüchtert werden. Druck wird auch dadurch ausgeübt, dass der Abriss von Gebäuden angeordnet wird und Personaldokumente eingezogen werden."

Essa sieht die Wiedereröffnung des Al-Quds Kinos nicht nur als Mittel, um gegen den Einfluss Israels zu kämpfen. Sie hofft außerdem, dass es junge Menschen zu neuen Gedanken anregen kann. "Die Kinder sind es nicht gewohnt, ins Kino zu gehen", sagte sie. "Jetzt kommen sie mit Intellektuellen und Schriftstellern in Kontakt, von denen sie noch nie gehört haben." Die Regisseurin will nun auch Workshops organisieren, die Jugendlichen die Grundlagen des Filmemachens vermitteln, und eventuell eine Filmakademie gründen. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012