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FILM/012: Äthiopien - Mit dem Film "Lamb" erstmals in Cannes vertreten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Mai 2015

Äthiopien: Mit erstem Film in Cannes vertreten - 'Lamb' gibt bewegende Einblicke in Kindheit und Gender

von A. D. McKenzie


CANNES (IPS) - Ein Junge, ein Schaf und eine atemberaubende Gebirgslandschaft - das sind die eigentlichen Protagonisten in 'Lamb'. Der anrührende Film des 36-jährigen Regisseurs Yared Zeleke hat es als erster äthiopischer Beitrag zu den Internationalen Filmfestspielen nach Cannes geschafft.

Bei seiner Premiere in der französischen Filmstadt an der Côte d'Azur hatte der im nord- und zentraläthiopischen Hochland gedrehte Streifen viel Beifall geerntet. Erzählt wird die Geschichte des neunjährigen Ephraim (Rediat Amare) und seines geliebten Schäfchens Chuni, das ihm wie ein Hund folgt.

Zu Beginn des Filmes erfährt der Zuschauer, dass Ephraims Mutter infolge einer anhaltenden Hungersnot gestorben ist. Damit der Sohn überlebt, wird er vom Vater, der sich in der Stadt Arbeit suchen will, auf unbestimmte Zeit zu Verwandten in eine weit entfernte grünere Region geschickt.

Das Leben bei seinen Angehörigen in einer atemberaubend schönen Landschaft ist alles andere als leicht. Da gibt es den strengen Onkel, dem es nicht gefällt, dass sein Neffe gern kocht, weil Kochen traditionell Frauensache ist. Da gibt es die abgehärmte Tante, die in ständiger Sorge um ihr kleines, krankes Kind lebt. Ferner gibt es die matriarchalische Großmutter, die die Familie schon mal mit Peitschenhieben auf Linie trimmt. Und dann ist da noch die ältere Kusine, die den ganzen Tag liest und zu einer wichtigen Verbündeten Ephraims wird.

Kurz nach der Aufnahme in die neue Familie erfährt der Junge, dass er - als Ausdruck seiner Männlichkeit - sein Schaf für ein traditionelles Fest schlachten soll. Darauf ersinnt er Mittel und Wege, um Chuni zu retten. Sie werden zum roten Faden der schlichten Geschichte, die subtil auf die Probleme und Herausforderungen der äthiopischen Gesellschaft eingeht. Angeschnitten werden viele Themen wie die Geschlechterfrage, religiöse Zugehörigkeit, Gefahren wie Dürren und die Isolation, die sich aus dem Gefühl ergibt, nicht 'dazuzugehören'.

So erfährt der Zuschauer nebenbei, dass Ephraims Mutter Jüdin war. Für die Familie kein Problem, wie Regisseur Zeleke betont, da sich Äthiopier generell nicht über ihre religiöse Zugehörigkeit identifizieren. Im Film ist es so, dass die christlichen Verwandten Ephraims Mutter sogar verehren und Ephraims Kochkünste auch auf sie zurückführen. Zu den intensivsten Augenblicken des Films gehört eine Szene, die das intime und innige Ritual des sich gegenseitigen Fütterns zeigt.


"Hommage an die wunderbaren äthiopischen Frauen"

Zeleke hat den Film der eigenen Großmutter gewidmet, nach der er benannt wurde und die für ihre besondere Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, bekannt war. "Ich denke, das hat mich zum Regisseur gemacht. Der Film ist eine Hommage an diese wunderbaren äthiopischen Frauen, die mich geformt haben."

In 'Lamb' sind die weiblichen Charaktere besonders liebevoll skizziert. Das gilt auch für Ephraims Kusine Tsion (Kidist Siyum). Sie ist klug und kompetent, doch hat die Familie für ihre Leidenschaft, Zeitungen zu lesen, wenig übrig, weil die Leserei sie von der Hausarbeit abhält. Ephraims Kochkünste werden da schon eher toleriert, denn seine Teigtaschen bringen auf dem Markt Geld ein, das er braucht, um die zu bezahlen, die seinem bedrohten Schaf eine sichere Bleibe verschaffen.

Tsion sieht sich schließlich zu einer traurigen Entscheidung gezwungen, die Ephraim einsamer denn je macht. Doch endet der Film nicht negativ, sondern mit einem unvorhersehbaren und liebenswürdigen Angebot von Tsions verlassenem Freier.

Zeleke ist im Zentrum der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba aufgewachsen. Nach einem Diplom in nachhaltigem Ressourcenmanagement und einem Versuch, den Master in Agrarwirtschaft an einer norwegischen Universität zu erlangen, ging er zum Filmstudium nach New York. "Ich wollte immer mit äthiopischen Bauern zusammenarbeiten und zur Lösung der größten Probleme unseres Landes beitragen", sage er im IPS-Gespräch. "Am Ende habe ich einen Film über sie gemacht."

Produziert von 'Slum Kid Films', einer von Zeleke und der ghanaischen Produzentin Ama Ampadu ins Leben gerufenen Gesellschaft zur Förderung des äthiopischen Films, kam 'Lamb' in die Auswahl für den Preis der Sektion 'In Certain Regard' zur Förderung außergewöhnlicher und innovativer Filme. Diesjähriger Preisträger ist der Isländer Grimur Hakonarson, in dessen Film 'Hrutar' Schafe ebenfalls eine Rolle spielen. (Ende/IPS/kb/26.05.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/05/ethiopias-first-film-at-cannes-gives-moving-view-of-childhood-gender/

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IPS-Tagesdienst vom 26. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2015

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