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FORSCHUNG/098: Wie Medien Meinungen machen - Am Beispiel Brasiliens zur WM (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 17.06.2014

Wie Medien Meinungen machen - Am Beispiel Brasiliens zur WM

Von sportlichen Großereignissen, wie jetzt der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, versprechen sich die Gastgeberländer einen weltweiten Imagegewinn. Ob sie dieses Ziel tatsächlich erreichen, und welche Rolle die Medien dabei spielen, untersucht Christiana Schallhorn in ihrer Doktorarbeit.



Rio, Zuckerhut, Samba, Sonne, Strand: Befragt man Deutsche danach, was ihnen zu Brasilien einfällt, dürften diese Assoziationen auf einer Liste ganz weit oben stehen. Oder etwa nicht? Vielleicht tauchen dort ja auch Begriffe wie Bandenkriminalität, Kriegszustände in den Favelas, Armut und Korruption an oberster Position auf. Denkbar ist das jedenfalls.

Was die Deutschen tatsächlich über Brasilien denken, das erforscht Christiana Schallhorn derzeit in ihrer Doktorarbeit. Die 30-Jährige ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mensch-Computer-Medien der Universität Würzburg; ihre Spezialgebiete sind die Sport-, Werbe- und Wirtschaftskommunikation. In ihrer Studie geht es der Wissenschaftlerin im Grunde genommen nicht so sehr um die Brasilien-Assoziationen der von ihr Befragten. Sie interessiert sich in erster Linie für die Frage: Wie prägt die Berichterstattung im Umfeld von sportlichen Großevents die Wahrnehmung eines Landes?


Omnipräsenz in den Medien

"Das Thema 'Weltmeisterschaft' ist ja schon lange vor dem eigentlichen Beginn allgegenwärtig", sagt Christiana Schallhorn. Fanartikel in den Geschäften, Fußballer in der Werbung und in den Medien ein endloser Strom an Berichten aus und über Brasilien: "Es gibt nur wenige vergleichbare Ereignisse, die eine ganze Nation so fesseln - quer durch alle Schichten und Altersgruppen. Selbst wer sich nicht für Fußball interessiert, entgeht dem Thema nicht", so die Nachwuchswissenschaftlerin.

Diese Omnipräsenz ist für Christiana Schallhorn eine seltene Chance: Da wohl niemand in den kommenden Wochen den Nachrichten aus und über Brasilien aus dem Weg gehen kann, kann Christiana Schallhorn untersuchen, welchen Einfluss die Berichterstattung auf das Brasilienbild der Deutschen hat. In einem ersten Schritt hat sie deshalb bereits im Februar rund 400 Menschen aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten befragt. Was wissen sie über Land und Leute, wie beurteilen sie die wirtschaftliche Lage Brasiliens, wie die soziale Situation? "Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Einfluss der Medien auf das Wissen relativ gering gewesen sein", sagt Schallhorn.


Genaue Analyse des Fernsehprogramms

Das sollte sich in den kommenden Wochen verändern - weshalb die Wissenschaftlerin nach der WM die gleichen Personen erneut befragen wird. Dann wird sich zeigen, ob sich in der Wahrnehmung etwas verändert hat und - falls ja - ob zum Guten oder zum Schlechten.

Mit der reinen Befragung ist es in Christiana Schallhorns Studie allerdings nicht getan; schließlich interessiert sie sich für den Einfluss der Medien auf das Meinungsbild der Zuschauer oder Leser. Deshalb wird sie an ausgewählten Tagen der WM das gesamte Programm der übertragenden Fernsehsender ARD und ZDF aufzeichnen und anschließend analysieren - angefangen beim Frühstücksprogramm bis zu den Tagesthemen. Andere Leitmedien, die sie in ihre Analyse einbeziehen wird, sind Spiegel Online und die Bild-Zeitung.


Euphorie oder Protest

Die Auswertung wird spannend - dessen ist sich Christiana Schallhorn sicher. Dazu trägt vor allem die Tatsache bei, dass noch immer völlig offen ist, unter welchen Vorzeichen die WM in Brasilien stehen wird: Werden es die heiteren Spiele in einem Land von Fußballverrückten? Oder wird eine Protestwelle das Land überziehen angesichts der Milliardenausgaben für neue Stadien, mit der Folge, dass das Geld nun an anderer Stelle fehlt? "Was am Ende überwiegt - die Euphorie oder die Bilder von Armut und Protesten - lässt sich heute noch nicht absehen. Genauso wenig wie die Antwort auf die Frage, was die Deutschen davon in Erinnerung behalten", sagt Schallhorn. Offen ist bislang auch noch die Frage, wie sehr die Medien durch ihre Berichterstattung dieses Bild prägen werden.


Imagegewinn ist nicht mehr garantiert

Durch die Austragung großer Sportereignisse das eigene Image polieren: Diese Rechnung scheint schon seit einigen Jahren nicht mehr zu funktionieren. Die Olympischen Winterspiele in Sotchi sind zumindest in Deutschland Vielen als "Putins Spiele" in Erinnerung geblieben. Und die Fu ßball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine hat wesentlich dazu beigetragen, das Schicksal der ehemaligen Ministerpräsidentin der Ukraine Julia Timoschenko der Welt vor Augen zu führen. "Ähnliches könnte jetzt in Brasilien passieren", glaubt Christiana Schallhorn. Schließlich hätten bereits die Proteste rund um den Confed-Cup 2013 dazu geführt, dass in Deutschland das Brasilienbild gelitten hat, wie eine kleinere Studie deutlich zeige.

Bei so viel wissenschaftlichem Interesse an der Weltmeisterschaft: Kann sich Christiana Schallhorn denn trotzdem für die Spiele begeistern? Ja, davon ist sie überzeugt. Immerhin spielt sie selbst Fußball in einer Uni-Mannschaft, "die ideale Betätigung um nach einem Tag am Schreibtisch den Kopf frei zu kriegen", wie sie sagt. Und dass ihre Doktorarbeit nun ihre Begeisterung für Forschung und Fußball zusammenführe, sei schlicht und einfach eine "Supersache".

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-wuerzburg.de Universität Würzburg

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Marco Bosch, 17.06.2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2014