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VORWÄRTS/1366: Südafrika hat einen neuen Präsidenten


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 09/10 vom 15. März 2018

Südafrika hat einen neuen Präsidenten

von Georg Polikeit


Jacob Zuma ist zurückgetreten. Wie geht es weiter im Kampf gegen Korruption und gegen Privatinteressen? Kann nun tatsächlich eine Wende zu einer "nationaldemokratischen Revolution" erreicht werden, mit der sich die Lebensverhältnisse der Mehrheit zum Besseren verändern?


Nun kam er schneller, als er selbst gewollt und gedacht hatte: Spät in der Nacht des 14. Februar gab Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma gegen 23 Uhr endlich seinen Amtsverzicht bekannt - zur allgemeinen Erleichterung der grossen Mehrheit des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und seiner BündnispartnerInnen wie auch der Mehrheit der Bevölkerung. Bereits am darauffolgenden Tag, dem 15. Februar, wurde sein bisheriger Stellvertreter, Vizepräsident Cyril Ramaphosa, vom südafrikanischen Parlament als neuer Staatspräsident Südafrikas vereidigt.

Die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) begrüsste in einer Erklärung den "verspäteten Amtsverzicht" Zumas als einen Schritt, der "schon vor langer Zeit hätte geschehen sollen". Zugleich heisst es, man dürfe sich jetzt keinerlei Illusionen machen, dass der Kampf gegen die Vereinnahmung des Staates für private Interessen und gegen die Plünderung von öffentlichen Ressourcen nun zu Ende wäre. Es sei zwar ein wichtiger Durchbruch erreicht worden, aber Zumas Rücktritt müsse zum "Brückenkopf" für weitere und beschleunigte Schritte zur "Selbstkorrektur" innerhalb des ANC und des Staates werden.

Schon seit Monaten hatten die SACP, führende GewerkschafterInnen des Gewerkschaftsbundes Cosatu und ein grosser Teil des regierenden ANC selbst Zuma öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. Aber der Staatschef, einst als Gegner des neoliberalen Kurses des vorhergehenden Präsidenten Thabo Mbeki 2009 in das höchste Staatsamt gewählt, inzwischen aber in vielen Punkten selbst einem neoliberalen Kurs verfolgend, weigerte sich hartnäckig, den zunehmenden Rücktrittsforderungen Folge zu leisten.

Vordergründig ging es dabei vor allem um Zumas tiefe Verstrickung in zahlreiche Korruptionsaffären, Inanspruchnahme von öffentlichen Geldern für private Baumassnahmen an seinem Landsitz, Kassierung von "Provisionen" und Schmiergeldern und Vorteilsnahme im Amt. Im Mittelpunkt standen seine engen Beziehungen zur UnternehmerInnenfamilie der Gebrüder Gupta. Zuma soll den Gupta-Unternehmen lukrative Staatsaufträge zugeschanzt haben und dafür mit "Geschenken" belohnt worden sein. Die Verbandelung von Staatsamt mit Privatbeziehungen ging so weit, dass der Staatschef sogar die Abberufung und Ernennung von MinisterInnen vorab mit den Guptas absprach, um ein "günstiges Umfeld" für deren Geschäfte mit entsprechenden Steuervorteilen zu schaffen.


Turbulente Zuspitzung

Seit Wochen hatte es aus ANC-Kreisen Versuche einer "einvernehmlichen Lösung" des Problems mit dem Staatschef gegeben, die ihm einen "Rückzug in Ehren" unter Gewährung aller einem ausscheidenden Staatspräsidenten zustehenden Privilegien ermöglichen sollten. Zuma zeigte sich jedoch gegenüber allen gütlichen Vermittlungsversuchen absolut unnachgiebig. Dann allerdings spitzte sich die Lage Mitte Februar vor dem Hintergrund von seit Wochen in den Medien verbreiteten öffentlichen Spekulationen um Zumas Zukunft rasch zu. In der Nacht vom 12./13. Februar fasste das Nationale Exekutivkomitee des ANC, die oberste Instanz des ANC zwischen den Parteitagen, den Beschluss, Jacob Zuma offiziell aus seinem Amt "abzuberufen".

Zuma zeigte sich jedoch immer noch unwillig, dem verstärkten Druck nachzugeben. Er erklärte sich "ungerecht behandelt" und verkündete sein "Nichteinverständnis" mit dem Beschluss. Das hatte als nächsten Schritt die Ankündigung zur Folge, dass die ANC-Fraktion im Parlament am 15. Februar einen Misstrauensantrag gegen Zuma einbringen werde, um auf diese Weise seine Amtsenthebung per Parlamentsentscheidung zu erreichen. Erst dieses Ultimatum brachte den bisherigen Staatschef schliesslich zum Einlenken.


Persönlicher Machtkampf?

Es wäre sicherlich zu kurz gegriffen, in den Vorgängen nur einen zugespitzten persönlichen Machtkampf zwischen Zuma und seinem Nachfolger Ramaphosa zu sehen. Ramaphosa war Ende letzten Jahres nach starken inneren Auseinandersetzungen auf einem Parteitag des ANC zum neuen Parteivorsitzenden gewählt worden. Üblicherweise liegen in Südafrika seit dem Ende des Apartheid-Regimes der Vorsitz im ANC und das Amt des Staatspräsidenten in einer Hand.

Ramaphosa gilt als einer der reichsten Männer Südafrikas. In den letzten Jahren präsentierte er sich jedoch als heftiger Kritiker der neoliberalen Wirtschaftsentwicklung unter Zuma, der unbefriedigenden Ergebnisse bei der Verbesserung der sozialen Lebensverhältnisse der grossen Mehrheit der Bevölkerung und bei der Bekämpfung der Armut sowie als Vorkämpfer gegen die verbreitete Korruption. Er trat als Gastredner auf dem letzten Parteitag der KommunistInnen und auf Gewerkschaftskongressen auf, denen er sich freundschaftlich verbunden erklärte. Viele südafrikanische Linke bekunden ihm gegenüber jedoch erhebliche Skepsis.


Südafrika an einem Kreuzweg

Nach nunmehr rund 35 Jahren seit dem Ende des Apartheidregimes steht das Land an einer Art von Wendepunkt seiner Entwicklung.

Die "nationaldemokratische Revolution", die seit dem Ende der Apartheid verkündet und auch umzusetzen versucht wurde, vollzog sich in ihrer ersten Phase vorwiegend im politischen Bereich. Im Mittelpunkt stand zunächst der Aufbau eines demokratischen, auf den grundlegenden Menschenrechten beruhenden, mit neuem Personal besetzten Staatswesens. Doch die grundlegenden Wirtschaftsstrukturen, gekennzeichnet durch wirtschaftsbeherrschende Positionen grosser, vorwiegend ausländischer Konzerne, die die Naturreichtümer und Rohstoffe des Landes zugunsten ihrer Profite ausplündern, blieben weitgehend unverändert. In einem gewissen Ausmass entwickelten sich auch eigenständige Unternehmen schwarzer UnternehmerInnen und eine eigenständige Schicht schwarzer Bourgeoisie. Aber für die grosse Mehrheit der Bevölkerung veränderten sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse in den mehr als drei Jahrzehnten seit dem Fall der Apartheid kaum oder gar nicht.

Von SACP und Gewerkschaften wurde seit längerem eine "zweite radikalere Phase der Nationaldemokratischen Revolution" gefordert, deren Ergebnis es sein sollte, dass endlich in den Lebensverhältnissen der grossen Bevölkerungsmehrheit spürbare Verbesserungen erreicht werden.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 09/10 - 74. Jahrgang - 15. März 2018, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2018

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