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VORWÄRTS/1119: Staatliche Überwachung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 25/26 vom 3. Juli 2015

Staatliche Überwachung

Von Michi Stegmaier


In der abgelaufenen Sommersession beschloss der Nationalrat als Zweitrat mit 110 zu 65 Stimmen, das revidierte Gesetz zur Telefon- und Fernmeldeüberwachung (BÜPF) anzunehmen. Dagegen formiert sich Widerstand und bereits Ende Mai wurde ein überparteiliches Referendumskomitee gegründet.


Zwar ist das Gesetz wegen kleineren Differenzen mit dem Ständerat noch nicht endgültig beschlossen, dies wird aber spätestens am 25. September zum Ende der Herbstsession der Fall sein. Eine breite Allianz von GegnerInnen des BÜPF bereitet sich deshalb schon jetzt auf das Referendum vor, welches wohl vom 6. Oktober bis zum 14. Januar 2016 laufen wird.

Wie schon der Ständerat ignorierte auch der Nationalrat die fundierte Kritik und berechtigten Einwände von ExpertInnen und gesellschaftspolitischen AkteurInnen. Selbst die Bedenken der Fachleute der eigenen Fraktionen blieben ungehört und konnte das Parlament nicht von einem einseitigen und inhaltlich völlig überzogenen Gesetzesentwurf abhalten. Die einjährige Datenspeicherung auf Vorrat, das Einschleusen von sogenannten Staatstrojanern, die Kabelaufklärung und die flächendeckende Rasterfahndung per IMSI-Catcher sind jedoch ein kaum geeignetes Instrument und gleichzeitig ein unverhältnismässiger Eingriff in unsere Freiheit und Privatsphäre.


Weit über das Ziel hinaus

Zwar ist unbestritten, dass das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs veraltet ist - die aktuelle Version stammt noch aus dem Jahre 2000 - und deswegen eine Überarbeitung durchaus Sinn macht, jedoch schiesst der Bund mit dem revidierten BÜPF weit übers Ziel hinaus und öffnet damit dem totalen Überwachungsstaat Tür und Tor. Besonders umstritten sind die Kabelaufklärung sowie die Vorratsdatenspeicherung, insbesondere da deren Effizienz umstritten ist. Tatsächlich sind Argumente für die Notwendigkeit der Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung nur schwer zu finden. Selbst das renommierte Max-Planck-Institut kam unlängst mittels einer Studie zum Schluss, dass die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung nicht zu einer höheren Aufklärungsrate führt.

Während seitens verschiedener Jungparteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen vor allem die Grundrechte und das Recht auf Privatsphäre im Vordergrund stehen, stossen bei der IT-Branche vor allem auch die immensen Kosten, welche mit, dem BÜPF verknüpft sind, auf grosse Skepsis. So kommt die Digitale Gesellschaft zum Schluss, dass alleine in den beiden ersten Jahren das revidierte Gesetz der IT-Branche Mehrkosten von rund 430 Millionen Franken bescheren könnte.


Breite Allianz kündigt Referendum an

Angesichts der grossen Schritte in Richtung Überwachungsstaat hat sich nun eine breite Allianz von GegnerInnen zusammen gefunden. Anlässlich einer Sitzung am 24. Juni in Olten wurde das Referendum beschlossen und mit den konkreten Vorbereitungen für die Unterschriftensammlung begonnen. Die BÜPF-GegnerInnen kommen aus allen politischen Lagern von der SVP und bürgerlichen PolitikerInnen über die Grünen und SP bis hin zur Piratenpartei und der PdA. Vor allem aber zivilgesellschaftliche Organisationen wie etwa die Digitale Gesellschaft, grundrechte.ch oder der Chaos Computer Club sowie Jungparteien gehören zu den engagiertesten GegnerInnen des BÜPF. So sind etwa - ausser derjenigen der CVP - alle Jungparteien im überparteilichen Referendumskomitee vertreten. Aber auch Wirtschaftsverbände und die IT-Branche lehnen das neue Gesetz ab. So gehört etwa die Swico, der Verband der ICT-Anbieter, ebenfalls zu den Organisationen, welche das Referendum aktiv unterstützen werden.

Für mehr infos siehe auch:
www.stopbuepf.ch

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 25/26 - 71. Jahrgang - 3. Juli 2015, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2015

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