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VORWÄRTS/1037: Die Situation der Lehrlinge in der Schweiz


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.27/28 vom 18. Juli 2014

Die Situation der Lehrlinge

Von der Redaktion



Die Resultate der neuen Lehrlingsbefragung der Unia sind alarmierend: Mehr als die Hälfte der befragten 1500 Jugendlichen gibt an, regelmässig mehr als neun Stunden pro Tag arbeiten zu müssen, was klar Illegal ist. Zudem zeigt die Umfrage eine Unzufriedenheit mit dem Lohn im letzten Lehrjahr - Lernende fühlen sich oft als billige Arbeitskräfte missbraucht.


Laut Gesetz dürfen Jugendliche in der Lehre Überstunden leisten. Allerdings darf die Arbeitszeit inklusive Überstunden neun Stunden pro Tag nie überschreiten. Die Unia-Umfrage zeigt, dass in vielen Lehrbetrieben diese Regel missachtet wird: Von den befragten Jugendlichen geben 55 Prozent an, mindestens einmal im Monat Überstunden leisten zu müssen, 17 Prozent davon sogar wöchentlich. In einem Viertel der Fälle bekommen die Lernenden die Überstunden weder ausbezahlt noch können sie diese kompensieren.

Eine Mehrheit von 63 Prozent der Lernenden ist mit ihrer Entlöhnung mehr oder weniger zufrieden. Im Verlauf der Lehre nimmt die Unzufriedenheit aber zu, und vor allem im letzten Lehrjahr fühlen sich viele als billige Arbeitskräfte missbraucht, können sie doch gemäss eigener Einschätzung mindestens 75 Prozent der Aufgaben einer voll ausgebildeten Fachperson übernehmen.


Mehr Kontrollen!

Diese Ergebnisse werfen ein schlechtes Licht auf die Arbeitsbedingungen der Auszubildenden und die Attraktivität der Lehre in der Schweiz. Die Lernenden dürfen nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Überstunden müssen die Ausnahme bleiben und im Sinne der Ausbildung sein. Offensichtlich sind die Kontrollen durch die zuständigen kantonalen Berufsbildungsämter ungenügend, und Bussen für fehlbare Lehrbetriebe werden nur sehr selten verhängt.


Petition der Syndicom-Jugend

Die Syndicom-Jugend hat vor dem Hintergrund dieser unhaltbaren Zuständen eine Petition mit folgenden Kernforderungen ausgearbeitet:

- In jedem ausbildenden Betrieb mindestens eine Kontrolle pro Jahr: Die Lehrlinge haben eine zu schwache Position, um gegen Missstände in ihrem Unternehmen vorzugehen. Oft kennen sie auch nicht alle ihre Rechte. Umfragen haben ergeben, dass Kontrollen sehr selten sind. Doch nur mit Kontrollen kann gesichert werden, dass die Jugendlichen nicht regelwidrigen Bedingungen unterworfen werden. Die Lehraufsicht muss handeln!

- Eine unabhängige Lehraufsicht: Nicht selten wird die Lehraufsicht durch VertreterInnen der ArbeitgeberInnen wahrgenommen. Man kann nicht gleichzeitig RichterIn und Partei sein. Neutralität ist nur dann garantiert, wenn das Kontrollorgan tripartit aus einer Vertretung von Kanton, ArbeitgeberInnen und Gewerkschaft gebildet ist. Mit dem Arbeitsinspektorat ist eng zusammenzuarbeiten.

- Strengere Kriterien für die Ausbildungsbewilligung: Ausbildungsbewilligungen sind für einen definierten Zeitraum auszustellen. Sie sind regelmässig zu prüfen. Die Unternehmen haben auch Kriterien hinsichtlich Gesundheit und Sicherheit zu genügen. Ist ein Unternehmen nicht in der Lage, die minimalen Kriterien einzuhalten, kann die Bewilligung entzogen werden.

- Kein Sparen auf dem Rücken der Jugendlichen: Die Lehrlinge finanzieren einen grossen Teil ihrer Ausbildung durch ihre produktive Arbeit im Unternehmen. Dennoch sparen die Kantone immer mehr auf ihrem Rücken. So fahren diese die direkte Unterstützung zurück (etwa bei den Stipendien), sie bauen aber auch beim Personal ab, das den Lehrlingen helfen kann. Dieses Sparen auf dem Rücken der Schwächsten ist zu stoppen!

Quellen: http://unia.ch und http://syndicom.ch

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 27/28 - 70. Jahrgang - 18. Juli 2014, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2014