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VORWÄRTS/911: Provisorische Schule sucht feste Herberge


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 11/12 vom 29. März 2013

Provisorische Schule sucht feste Herberge

von Michi Stegmaier



Bald soll Schluss sein mit der "Autonomen Schule Zürich" (ASZ). Nur noch bis Ende April steht der ASZ die bunte Baracke auf dem Güterbahnhof-Areal der SBB zur Verfügung, dann muss die Schule dem neuen Justiz- und Polizeipalast weichen. Eine Petition fordert nun von der Stadt Zürich ein adäquates Ersatzobjekt.

Pünktlich um 14.30 Uhr versammelten sich am 21. März vor dem Zürcher Stadthaus rund 150 SchülerInnen und AktivistInnen, um gegen das drohende Ende der ASZ zu protestieren. Ausgerüstet mit guter Laune, Stühlen, Schulbänken, Flip-Charts und Transparenten wurde der Deutschkurs von der Güterbahnhof-Baracke kurzerhand ins Stadthaus verlegt, wo anstelle des Deutsch-Büffeln an diesem Tag das zivilgesellschaftlich-demokratische Engagement auf dem Programm stand. Deshalb wurde mit einer improvisierten Schulstunde im Lichthof des Stadthauses gegen die aktuelle Verdrängungspolitik demonstriert und mit einer Petition, die von über 9.500 Personen unterzeichnet wurde, ein neues Schulhaus gefordert.


Schulbaracke statt Polizeipalast

"Wir erwarten von der Stadt Zürich, dass sie uns eine Alternative zur ASZ anbietet und zwar zu akzeptablen und bezahlbaren Konditionen. Zentral für uns ist, dass die Selbstverwaltung und Unabhängigkeit des Projektes erhalten bleiben", erklärt der ASZ-Aktivist Raphael Jakob gegenüber dem vorwärts. "Die Stadt Zürich hat zwar ein riesiges Angebot an Integrationsprojekten, doch es ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse, dass die meisten unserer Schüler diese Angebote aus finanziellen Gründen schlichtweg nicht nutzen können", erklärt Jakob die Notwendigkeit von Gratis-Deutschkursen. Die ASZ bietet seit vier Jahren kostenlose Deutschkurse an, die vor allem von Asylsuchenden und Sans-Papiers sehr rege genutzt werden. Nach einer längeren Odyssee ist die Schule nun seit drei Jahren auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs beheimatet. Täglich besuchen rund 200 MigrantInnen die ASZ und nutzen das breite Angebot, welches fünfzig ehrenamtlich Engagierte - mit und ohne Papiere - jeweils auf die Beine stellen. Viele der ASZ-SchülerInnen befinden sich in so genannten Nothilfestrukturen, da sie entweder nach einem negativen Entscheid nicht ausreisten oder weil das Asylgesuch auf Grund der europäischen Abschottungspolitik gar nicht erst geprüft wurde. Auch der 34-jährige Hicham, einer der Mediensprecher sowie selbst Schüler der ASZ, betont die grosse Nachfrage nach den verschiedenen Kursen. "Bisher hatten wir die Möglichkeit an der ASZ Deutsch zu lernen. Ende April soll nun Schluss sein. Wir möchten aber weiter in die Schule und wünschen uns deshalb von der Stadt Zürich, dass sie uns ein neues Haus zur Verfügung stellt", hofft der sympathische Hicham.


Endlich ankommen

Aber nicht nur die Stadt Zürich ist aufgerufen, der ASZ Hand zu bieten. Auch die anderen grossen ImmobilienbesitzerInnen - Private, Genossenschaften und die Kirchen - sind aufgefordert, Lösungen für das Raumproblem der ASZ zu finden. Denn die ASZ ist zwar mit ihren Kursen und kulturellen Aktivitäten aus dem Zürcher Stadtleben nicht mehr wegzudenken, als Freiwilligenprojekt verfügt sie aber nicht über die nötigen Kontakte und finanziellen Ressourcen, um eine adäquate Lösung zur aktuellen Situation zu finden. Darum musste die ASZ in der Vergangenheit schon mehrfach leerstehende Häuser besetzen, um ihren Unterricht durchzuführen. Nach dem nomadischen Dasein der letzten vier Jahre möchte die ASZ nun endlich ein festes Zuhause, um sich Vollzeit dem eigentlichen Anliegen widmen zu können: Allen Menschen Bildung zu ermöglichen, egal ob sie Geld oder Papiere haben oder nicht. Dazu braucht es aber einen Freiraum, der von den Freiwilligen und SchülerInnen selbständig verwaltet und gestaltet wird. Einen selbst organisierten Freiraum, wo nicht nur unterrichtet, sondern auch gekocht, gebastelt, diskutiert und gefeiert werden kann.


Interessierte sind herzlich eingeladen, sich selbst ein Bild von der ASZ zu machen.

Für mehr Infos: www.bildung-fuer-alle.ch

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 11/12/2013 - 69. Jahrgang - 29. März 2013, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2013