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VORWÄRTS/805: Grundeinkommen - Positionen der Gewerkschaften


vorwärts - die sozialistische Zeitung, Nr.07/08 vom 24. Februar 2012

Positionen der Gewerkschaften

Von Johannes Supe


Das Grundeinkommen ist nicht im Sinne der Gewerkschaften. In Deutschland beziehen bedeuten de Gewerkschaften, etwa die IG Metall, deshalb gegen das bGE Stellung. Der vorwärts hat nachgefragt, wie es um die Schweizerischen Gewerkschaften steht.


Die grössten und wichtigsten nicht-christlichen Gewerkschaften - Unia, vpod und Syndicom - haben noch keine Position zum Grundeinkommen gefunden. So schreibt Alain Carrupt, Co-Präsident der Syndicom : "Syndicom hat noch keine Stellung zum bedingungslosen Grundeinkommen genommen. Im Moment liegt unsere Priorität klar auf der Mindestlohn-Initiative." Ähnlich tönt es auch von Seiten der Unia. Deren Zürcher Mediensprecher Lorenz Keller gab dem vorwärts auf Anfrage folgendes Statement: "Die Unia setzte sich seit Jahren - nicht ohne Erfolg - für eine Anhebung der Tieflöhne ein. Vor 10 Jahren mit der Kampagne "keine Löhne unter 3.000" und jetzt mit der Volksinitiative für einen Mindestlohn von 4.000 Franken. Wir sind dafür, dass die Leute mit ihrer eigenen Arbeit einen Lohn verdienen, der ein anständiges Leben erlaubt und nicht nur das Existenzminimum deckt. Dazu braucht es entsprechende Mindestlöhne, welche die Arbeitgeber zahlen müssen. Hier liegt unser Schwerpunkt als Gewerkschaft in den nächsten Jahren. Die Vorschläge, die von einem staatlich garantierten Mindestlohn ausgehen, bergen die Gefahr, einen staatlich subventionierten Tieflohnsektor zu fördern. Zur angekündigten Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt es noch keine Position der Unia." Auf weitere Nachfragen bei mehreren Unia-Mitarbeitern konnte man jedoch heraushören, dass sich die Tendenz der Unia eher gegen ein bGE stellt.

Weniger kritisch ist der vpod. Zwar hat auch er noch keine Position zur geplanten Initiative zum Grundeinkommen - "Zu einem konkreten Initiativtext, der alle Umsetzungsfragen offen lässt, haben wir damit noch nicht Stellung genommen. Die zentrale Frage schiene mir dabei, welche Auseinandersetzungen um eine solche Initiative zu erwarten wären und wie in diesen Auseinandersetzungen fortschrittliche Vorstellungen und Ideen am besten eingebracht werden könnten" - aber er verweist auf ein Papier des "Denknetz". Dieses legt die Bedingungen dar, welche ein bGE erfüllen müsste, um "die Freiheiten aller" zu stärken. Es ist aber klar, dass dessen Forderungen (bGE in Höhe von 3.200 Franken, Umverteilung von der Bourgeoisie zur Arbeiterklasse) von einer etwaigen Initiative nicht erfüllt werden.


Eher abgeneigt

Da die einzelnen Gewerkschaften unentschlossen sind, wundert es nicht, dass sich auch der SGB einer Position enthält. Daniel Lampart, Chefökonom des SGB: "Der SGB hat keine Position zu dieser geplanten Initiative zum Grundeinkommen beschlossen. Seine Prioritäten liegen eindeutig bei Mindestlöhnen für alle sowie für gute Renten. Damit lässt sich die Einkommenssituation der tiefen und mittleren Einkommen verbessern. Die jeweils vorgeschlagenen Grundeinkommen sind sehr tief (2.500 Fr.) - kosten die gesamte Wirtschaft aber bereits auf diesem Niveau einen dreistelligen Milliardenbetrag. Pensionierte oder Verunfallte hätten somit nur eine sehr geringe Rente. Im Gegensatz zu heute müssten sie - wenn sie noch können - sich einen Job suchen! Das wäre sozialpolitisch verheerend." Gänzlich undiskutiert ist das bGE in gewerkschaftlichen Kreisen aber nicht. So gab es bereits Veranstaltungen der Uniajugend zum Thema. Und auch der besagte Herr Lampart hat eine kurze Abhandlung zum Thema verfasst. Deren Titel: "Grundeinkommen: Für die Normalverdienenden eine schädliche Sache". Dieser Auffassung schliessen sich auch bedeutende Vertreterinnen innerhalb des SGB an, etwa Julia Gerber Rüegg, Präsidentin des Zürcher Gewerkschaftsbundes.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische Zeitung.
Nr. 07/08/2012 - 68. Jahrgang - 24. Februar 2012, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2012