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VORWÄRTS/786: "Schweizer Waffen, Schweizer Geld..."


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.01/02 vom 13. Januar 2012

"Schweizer Waffen, Schweizer Geld..."

Von Michi Stegmaier


Schweizer Waffenhändler dürfen wieder nach Katar exportieren. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hob das Exportverbot auf, welches vorübergehend gegen Katar verhängt wurde, nachdem Schweizer Munition der Firma RUAG im Juni 2011 bei den libyschen Rebellen aufgetaucht war.


"Waffenembargo gegen Katar aufgehoben", verkündeten die Schweizer Medien am 28. Dezember vergangenen Jahres. Vorausgegangen war eine offizielle Entschuldigung Katars, da "aus Versehen" Schweizer Munition, die zuvor in den Golfstaat exportiert wurde, trotz einer so genannten "Nichtwiederausfuhrerklärung", bei den libyschen Rebellen landete. Die "Freude" über dieses verspätete Weihnachtsgeschenk hält sich bei der "Gruppe Schweiz ohne Armee" (GSoA) arg in Grenzen. "Der Entscheid, wieder Waffen nach Katar zu liefern, ist eine Katastrophe", bringt es Adi Feller von der GSoA auf den Punkt. Und er kritisiert: "Der vorliegende Fall ist nur die Spitze des Eisberges, der nur durch Zufall ans Licht kam. Das Seco kontrolliert die Einhaltung von Nichtwiederausfuhrerklärungen grundsätzlich nicht. Dieser Entscheid ist eine Farce und offenbar kann man problemlos der offiziellen Schweiz auf der Nase herumtanzen". Katar begründete die illegale Lieferung von Schweizer Munition nach Libyen mit einem Logistikfehler, da das Compi-Programm des katarischen Militärs nicht anzeigte, dass für die betreffende Munition eine Nichtwiederausfuhrerklärung unterzeichnet wurde. Shit happens, schon klar. Oder noch besser: Beim nächsten Mal gefälligst die Aufkleber des Herstellers abkratzen, verdammte Dilettanten! Wenig hält man bei der GSoA auch von den angekündigten Kontrollbesuchen: "Nachträglich zu kontrollieren, wenn schon etwas passiert ist, bringt wenig. Nur mit einem grundsätzlichen Waffenexportverbot kann verhindert werden, dass Schweizer Waffen weiterverkauft und gegen ZivilistInnen eingesetzt werden", betont GSoA-Sekretär Feiler.


Undurchsichtiger Akteur Katar und...

Katar engagierte sich im Libyenkrieg nicht nur aktiv mit Kampfflugzeugen und Bodentruppen(!), sondern gehört seit Beginn der epochalen Umbrüche im Nahen Osten zu den undurchsichtigsten Akteuren im geopolitischen Jahrtausendpoker um die zukünftige Macht und Kontrolle in der Region. So war Katar massgeblich mit Saudi-Arabien und den VAE an der blutigen Niederschlagung der friedlichen Proteste in Bahrain beteiligt. Während die Weltöffentlichkeit gebannt nach Libyen blickte, wurden im kleinen Wüstenstaat Moscheen von arabischen Panzern niedergewalzt. Gegen aussen gibt sich Emir Hamad bin Chalifa Al Thani gerne als "demokratisch" und "prowestlich", dass der Alltag im autoritär geführten Katar ein ganz anderer ist, versteht sich von selbst. Und wer sich mit dem arabischen Frühling beschäftigt, der stolpert unweigerlich immer wieder über Katar. Ob jetzt Millionen von Petroldollars für den Wahlkampf der radikal-islamistischen Salafisten in Ägypten oder für die tunesische "Ennahda-Partei", ob Waffen und Ausbildung für Kommandotruppen, die in Libyen oder Syrien eingesetzt werden, immer wieder taucht der Name des kleinen Golfstaates auf, der vor allem wegen dem TV-Sender "Al Jaazera" vielen bekannt ist. Die Schweiz hat es versäumt, ein klares Signal zu senden. Was der Westen sagt und was er seit Beginn des arabischen Frühlings macht, das sind zwei völlig verschiedene paar Schuhe. Die Schweiz reiht sich gehorsam und willig in die Phalanx der Profiteure, Kriegsverbrecher und Heuchler ein.


...Analphabetismus in Bern

Tatsächlich kommt dieser Rückzug des Exportverbotes für Katar alles andere als überraschend. Zwar existiert in der Schweiz so etwas wie eine Kriegsmaterialverordnung, die am 27. August 2008, also kurz vor Volksabstimmung zur Waffenexport-Initiative, markant verschärft wurde, doch an der Bewilligungspraxis für den Export von Waffen hat die neue Verordnung hingegen wenig geändert. Offenbar muss Analphabetismus beim Seco ein weit verbreitetes Phänomen sein. So hält die neue Kriegsmaterialverordnung ausdrücklich fest, dass Lieferungen in Länder untersagt sind, welche in einen bewaffneten Konflikt involviert sind. Unbequemerweise ist der "bewaffnete Konflikt" völkerrechtlich aber ein klar definierter Begriff, der für Interpretationen wenig bis keinen Spielraum offen lässt. Shit happens, offenbar nicht nur in Katar... Würde sich die Schweiz also an die eigene Kriegsmaterialexportverordnung halten, wären nicht einmal mehr Waffenexporte in die USA oder nach Deutschland legal, da beide Länder sich in Afghanistan in einem bewaffneten Konflikt befinden. Letztendlich ging es bei der Verschärfung der bestehenden Kriegsmaterialverordnung nie darum zu verhindern, dass Schweizer Waffen in die falschen Hände geraten könnten, sondern waren vor allem dazu gedacht, der Waffenexport-Initiative im Vorfeld der Volksabstimmung den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Schweizer Waffen, Schweizer Geld, morden mit in aller Welt" ist ein gängiger Demoslogan, der damals wie heute nichts von seiner traurigen Aktualität verloren hat. Und daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern. Geld regiert eben die Welt - traurig aber wahr.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 01/02/2012 - 68. Jahrgang - 13. Januar 2012, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2012