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VORWÄRTS/709: Palmöl - Den Regenwald im Tank


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 47/48/2011 vom 22. Dezember 2010

Palmöl: Den Regenwald im Tank


mgb. Palmöl ist in der industriellen Produktion von Nahrungsmitteln, Kosmetika und Agrotreibstoffen weit verbreitet. Dies ist aus ökologischer, wie aus sozialer Sicht problematisch. Nicht nur werden für Palmölplantagen hektarweise Regenwald gerodet. Der Anbau geht oftmals auch mit der Vertreibung von Kleinbauern und Indigenen einher.


Palmöl ist in unserer Konsumgesellschaft allgegenwärtig. Kaum ein industriell hergestelltes Backwaren- oder Kosmetikprodukt, welches kein Palmöl enthält. Die Gründe für die weite Verbreitung sind mannigfaltig. Zum einen liefern Ölpalmen von allen bekannten Ölsaaten weltweit die höchsten Hektarerträge. Zum anderen eignet sich das Öl sehr gut zum Erhitzen in der Lebensmittelproduktion. Denn in Palmöl sind kaum mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die sich durch Erhitzen in bedenkliche Trans-Fettsäuren verwandeln können, enthalten. Auch in der Herstellung von Agrotreibstoff greift man gerne auf Palmöl zurück, da der Energieertrag pro Hektar Anbaufläche enorm hoch ist.

Der industrielle Anbau der Ölpalme konzentriert sich auf tropische Regionen Lateinamerikas, Afrikas und vor allem Südostasiens. Die grössten Anbaugebiete befinden sich in Malaysia und Indonesien, wo derzeit rund 85 Prozent der Weltproduktion herkommen. Doch auch in anderen zum Anbau geeigneten Ländern, wie beispielsweise Nigeria, Kolumbien, Brasilien, Peru, Kamerun, Uganda oder auf den Philippinen breitet sich der Anbau besonders seit dem Agrotreibstoff-Boom spürbar aus. Leider gehen damit eine Reihe von ökologischen und sozialen Problemen einher. Denn der Anbau von Ölpalmen ist sehr kapitalintensiv und erfordert grosse Investitionen in die Ausrüstung. Er erfolgt deshalb meist in Form von riesigen, teilweise mehreren Quadratkilometern grossen Plantagen - mit verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt.


Ökologische und soziale Folgen

Denn der industrielle Anbau von Ölpalmen in derart grossen Monokulturen - und die damit einhergehenden Brandrodungen - drohen das empfindliche Gleichgewicht in den betroffenen Regenwaldgebieten nachhaltig zu stören. Alleine in Indonesien wurden beispielsweise die Anbauflächen zwischen 1999 und 2008 um rund fünf Millionen Hektar auf 8.4 Millionen Hektar erhöht. (Zum Vergleich: Die Schweiz besitzt eine Flache von etwa vier Millionen Hektar.) Unmittelbare Folgen dieses Raubbaus an der Natur sind ein Verlust an Biodiversität, vermehrte Dürreperioden und die Erosion fruchtbaren Bodens.

Indirekt resultiert aus der industriellen Palmölproduktion auch eine massive Verschmutzung der Umwelt. Einerseits erhöhen die Brandrodungen zur Erschliessung neuer Anbauflächen den CO2-Ausstoss. Andererseits erfordert die Bewirtschaftung von Monokulturen einen grossen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden (Paraquat und Gramoxone), was wiederum die Gewässer belastet. - Und die betroffenen Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Plantagen, die allzu oft ohne geeignete Schutzkleidung diese Chemikalien ausbringen müssen.

Mit Palmöl lässt sich ein Haufen Geld machen. Baut man es grossflächig an, hat man damit eine wahre Goldgrube. Dies weckt bei den Plantagebesitzenden natürlich Begehrlichkeiten nach immer mehr Land. Es ist deshalb kein Wunder, dass die Produktion vor allem in Ländern boomt, wo sich Kleinbauern und Indigene besonders einfach von ihrem Grund und Boden vertreiben lassen. Im kolumbianischen Bundesstaat Chocó nutzten beispielsweise Grossplantagen den grassierenden Bürgerkrieg, um sich im grossen Stil Land von einfachen Bauern anzueignen. Nicht nur wurde Land von Vertriebenen skrupellos in Besitz genommen. Oftmals heuerten Grosskonzerne selbst gezielt Paramilitärs an, um ganze Gemeinden zu vertreiben.

Es ist wie so oft in der Welt: Profitieren von der industriellen Produktion von Palmöl können vor allem Grosskonzerne in der Nahrungsmittel- und der Kosmetikindustrie, wie beispielsweise Unilever. Darunter zu leiden hat einmal mehr die Menschheit als Ganzes und besonders die einfache Bevölkerung vor Ort.


Ein grünes Mäntelchen

An und für sich wäre deshalb die Initiative des WWF zu begrüssen, die palmölproduzierende und -verarbeitende Industrie auf die Einhaltung gewisser Richtlinien verpflichten will. An einem runden Tisch für nachhaltiges Palmöl versucht die Umweltorganisation seit 2003 gemeinsam mit Firmen und Institutionen aus der Wertschöpfungskette des Palmöls nachhaltige Anbaumethoden zu fördern und so die Umweltschädigung zu begrenzen.

Nur leider lassen sich die Probleme der Palmölproduktion nicht einfach mit ein paar gut gemeinten Versuchen und netten Worten beheben. Die Probleme sind grundsätzlicherer Natur. Denn Anbau in grossen Monokulturen kann weder sozial, noch ökologisch nachhaltig sein. Zahlreiche NGO's verweigerten deshalb ihre Mitarbeit an diesem runden Tisch, den sie nur als grünes Mäntelchen für die Grosskonzerne betrachten. Eine Deklaration, welche die Gründe für diesen Boykott darlegte, wurde von insgesamt 250 sozialen und ökologischen Organisationen verabschiedet, unter anderem von Greenpeace und der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ASK).

Es liegt deshalb auf der Hand, dass sich die Palmöl-Problematik nur durch einen fundamentalen Bruch mit den bisherigen Produktionsweisen in diesem Bereich bewerkstelligen lässt. So fordern die Unterzeichnenden der Deklaration folgerichtig echte Agrarreformen, welche industrialisierte Landwirtschaft durch nachhaltige und kleinbäuerliche Anbaumethoden ersetzen. Ebenso sprechen sie sich gegen jegliche Privatisierung von natürlichen Ressourcen und gegen Spekulationen mit Rohstoffen aus. Zu der spannenden Frage, ob sich diese Ziele im Kontext des bestehenden Wirtschaftssystems erreichen lassen, äussert sich die Deklaration leider nicht.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 47/48/2010 - 66. Jahrgang - 22. Dezember 2010
Sonderbeilage Ökologie, S. 16
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2011